Jane Austen: Schreiben und Anerkennung

Ein Zimmer für sich allein, wie Virginia Woolf es für schreibende Frauen forderte, schien Jane Austen nicht zu brauchen. Oder nicht für nötig zu halten, weil es nicht üblich war? Noch in ihren letzten Lebensjahren teilte sie sich ein Schlafzimmer mit ihrer Schwester Cassandra, obwohl das in dem Haus im südenglischen Chawton, das sie ab 1809 zu viert bewohnten, gar nicht nötig gewesen wäre.

Auch zum Schreiben zog sie sich nicht in ein stilles Kämmerlein zurück, sondern arbeitete an einem winzigen, einbeinigen runden Tischchen im großen Esszimmer – dem wohl öffentlichsten Raum des Hauses, den jederzeit jemand betreten konnte.

Das muss gleich aus mehreren Gründen unbequem gewesen sein, nicht zuletzt deshalb, weil Austen ihre schriftstellerische Tätigkeit die längste Zeit geheim hielt. Ihr Neffe Edward Austen-Leigh, der ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod ein Buch über die Tante veröffentlichte, erinnert sich: „Sie achtete darauf, dass ihre Beschäftigung in den Augen von Dienstboten, Besuchern, überhaupt aller Personen außerhalb des Familienkreises unverdächtig schien. Sie schrieb auf kleinen Papierbögen, die sie schnell verstecken oder mit einem Stück Löschpapier bedecken konnte.“

Burleske Frühwerke

Möglicherweise schloss sie ihre Papiere auch in Chawton noch in dasselbe tragbare kleine Schreibpult ein, das sie einst von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte. Die kleine Jenny Austen war ein fantasiebegabtes Kind und schrieb schon als Teenager mehrere burleske Frühwerke, deren Humor sich erst etwas später zur vielgerühmten Austen’schen Ironie verfeinern sollte. Die Familie, in die Jane Austen am 16. Dezember 1775 als siebtes von acht Kindern geboren wurde, bot ein anregendes, der Satire zugeneigtes geistiges Umfeld.



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Die Jane-Austen-Woche der taz

Am 16. Dezember gibt es den 250. Geburtstag der Autorin Jane Austen zu feiern, die als Frau zunächst nur heimlich schreiben konnte und eine große Klassikerin der Weltliteratur wurde. Die taz begeht dieses Jubiläum mit einer Jane-Austen-Woche: Täglich beleuchten wir einen Aspekt ihrer Werke. Alle erschienenen Texte finden Sie hier.

Die Austens gehörten der „Gentry“ an, jener sehr britischen, fluiden Gesellschaftsschicht, die niederen Landadel und gutsituiertes Bürgertum gleichermaßen subsumierte. Vater Edward Austen war Pastor im westlich von London gelegenen Ort Steventon und betrieb nebenbei im Haus der Familie eine Art Mini-Knabeninternat.

Cassandra Austen, die Mutter, entstammte einer etwas höheren Schicht des Landadels und verfasste humoristische Gedichte. Als die Kinder heranwuchsen und die fünf großen Brüder aus der Welt dort draußen viele Anregungen mitbrachten, wurde im Haus sogar Theater gespielt.

Auch Jane und die zwei Jahre ältere Cassandra, die beiden einzigen Töchter, waren als Kinder vorübergehend zu Bildungszwecken fortgeschickt worden; aber während Knaben mit Latein, Griechisch und Geschichte traktiert wurden, sollten Mädchen vor allem „Fertigkeiten“ erlernen: Handarbeit, Haushaltsführung, ein wenig Musik oder Malerei, mit Glück etwas Französisch. Den Rest brachten Cassandra und Jane sich mit unbeschränktem Zugang zu Vaters Bibliothek und als Nutzerinnen einer ländlichen Leihbücherei selbst bei.

Cassandra vernichtete viele Briefe Janes

Von der Schwester Cassandra Austen, an die Jane einmal schrieb, sie sei die witzigste Autorin, die sie kenne, sind keine Briefe erhalten. Und von den schätzungsweise 3.000 Briefen, die Jane selbst im Laufe ihres Lebens verfasste, gibt es nur noch etwa 160, etliche davon in von der Schwester zensierter Form. Den großen Rest der an sie gerichteten Briefe vernichtete Cassandra ganz.

Als Erwachsene waren die beiden Schwestern öfter einmal für längere Zeit getrennt; denn wenn man schon einmal reiste – meist um Verwandte zu besuchen –, blieb man in der Regel gleich länger, schrieb aber ständig nach Hause.

Aus den erhaltenen Briefen geht immerhin hervor, dass Jane Austen sich als Zwanzigjährige in einen jungen Iren namens Tom Lefroy verliebte und sich ernsthafte Hoffnungen auf einen Heiratsantrag machte. Der blieb aber aus. Die Verbindung wäre nicht standesgemäß genug (und die Braut zu arm) gewesen, als dass die reichen Lefroys sie hätten zulassen können.

Nach einer Nacht Verlobung aufgelöst

Wie Jane zumute war, nachdem man den netten jungen Mann aus ihrer Nähe entfernt hatte, ist nirgendwo nachzulesen. Ein paar Jahre später wurde ihr von einem anderen Verehrer tatsächlich ein Antrag gemacht, den sie zunächst annahm und dann, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen oder nicht geschlafen hatte, doch ablehnte.

Auch hierüber ist kein direktes Zeugnis von Jane Austens Hand überliefert, und über Cassandras Anteil an der Entscheidung – die Schwestern verbrachten die fragliche Nacht im selben Zimmer – lässt sich nur spekulieren. Unverheiratet zu bleiben war jedenfalls nicht Jane Austens Lebenstraum; aber, wie sie einmal schrieb: „Ich wäre lieber Lehrerin an einer Schule (und etwas Schlimmeres kann ich mir kaum vorstellen), als einen Mann zu heiraten, den ich nicht gernhabe.“

Dass die Heiratsfrage für die gesellschaftliche und ökonomische Situation einer Frau allerdings von grundlegender Bedeutung war, darüber geben Austens Romane ausgiebig Auskunft. Noch waren Frauen rechtlose Wesen, die, solange sie keinem Ehemann gehörten, als Eigentum des Vaters galten und keinerlei Anteil an der gesetzlichen Erbfolge hatten.

Frauenrechte sind nicht das Thema in den Romanen

1792 erschien Mary Wollstonecrafts Schrift „Verteidigung der Rechte der Frauen“; doch was Jane Austen darüber dachte, ist nicht bekannt, und auch ihre Romanfiguren scheint das Thema Frauenrechte nicht umgetrieben zu haben. Festzuhalten ist, dass Frauen und Männer sich in ihren Romanen als Personen ebenbürtig gegenüberstehen.

Mit 19 Jahren hatte die junge Jane eine erste Fassung von „Sense and Sensibility“ geschrieben, und ihr Vater wandte sich an einen Verleger, um das Manuskript anzubieten, jedoch erfolglos. Auch die bald danach entstandene Vorgängerversion von „Pride and Prejudice“ blieb in der Schublade liegen. Janes Bruder Henry gelang es zwar, das Manuskript eines Romans, der später zu „Northanger Abbey“ werden sollte, zu verkaufen, doch der Verlag publizierte es nicht.

Wenn Jane Austen trotz dieser Fehlschläge immer weiterschrieb, so sicher auch deshalb, da es ihr im näheren Umfeld nicht an Resonanz mangelte. Geschwister, Verwandte und Bekannte waren ihr ein treues Vorlesepublikum; und noch viele Jahre später erinnerte eine Nichte sich, wie sie als Kind voller Neid das schallende Gelächter hörte, das aus dem Zimmer drang, in dem Tante Jane für die Erwachsenen aus ihren Geschichten las.

Lange Schaffenspause

Allerdings scheint es in ihrem Schaffen eine Pause von etlichen Jahren zu geben; jedenfalls entstand sehr lange Zeit kein größeres Werk, nachdem Familie Austen (zu Janes anfänglichem Entsetzen) 1801 aus dem ländlichen Steventon ins mondäne Bath umgezogen war – wahrscheinlich wegen der prekären Gesundheit des Vaters, der 1805 starb.

Es folgten drei Jahre in Southampton, bis der Austen’sche Frauenhaushalt, zu dem außer der Mutter und den beiden unverheirateten Töchtern nun auch eine Freundin der Familie gehörte, sich endgültig in Chawton niederlassen konnte. Das Haus, in dem Jane Austen die letzten acht Jahre ihres Lebens verbrachte, gehörte zum Besitz ihres wohlhabenden Bruders Edward.

Dort scheint sie endlich die innere und äußere Ruhe gefunden zu haben, die sie brauchte, um wieder produktiv zu sein. Am runden Tischchen im Esszimmer begann sie einen neuen Roman und überarbeitete ihre alten Manuskripte. Und tatsächlich wurden ab 1811 innerhalb weniger Jahre „Sense and Sensibility“, „Pride and Prejudice“, „Mansfield Park“ und 1814 auch noch „Emma“ veröffentlicht. Endlich verdiente sie mit ihrem Schreiben Geld!

Bruder Henry war es derweil gelungen, „Northanger Abbey“ vom ursprünglichen Verlag zurückzukaufen, ohne zu verraten, dass das Manuskript aus der Feder derselben anonymen Autorin stammte, der für die zuvor genannten Romane inzwischen so viel öffentliche Anerkennung zuteil geworden war. „By a lady“ hatte die lapidare Autorenangabe im ersten Roman gelautet, und im zweiten stand „by the author of …“

Henry lüftete das Autorengeheimnis

Allerdings war Henry offenbar so stolz darauf, mit der Autorin verwandt zu sein, dass er ihre Identität 1813 ausplauderte. Das brachte Jane Austen unter anderem die Aufmerksamkeit des Prinzregenten und nachmaligen Königs George IV. ein, der in jeder seiner Residenzen Exemplare ihrer Bücher stehen hatte und Austen nun wissen ließ, dass er es schätzen würde, wenn sie ihm ihr nächstes Werk widme. Da sie sich diesem Wunsch schlecht entziehen konnte, enthält die Erstausgabe von „Emma“ tatsächlich eine entsprechende Widmung.

Ab 1816 ging es Jane Austen zusehends schlechter. Es war nicht herauszufinden, was ihr fehlte, und nichts half ihr. (Heutzutage wird vermutet, dass sie an der Addisonschen Krankheit litt, die mit einem Versagen der Nebennieren einhergeht.) Schließlich zog die Todkranke, begleitet von Cassandra, ins nahe Winchester um, weil es dort einen Arzt gab, der sie betreuen konnte, aber das nützte auch nichts mehr. Schmerzen hatte sie kaum, sie wurde nur immer schwächer und starb am 18. Juli 1817 mit 41 Jahren. Posthum erschienen noch im selben Jahr ihre Romane „Northanger Abbey“ und „Anne Elliott“ („Persuasion“).

Jane Austen wurde in der Kathedrale von Winchester begraben. In der Inschrift der eindrucksvollen Grabplatte ist von ihrem liebenswerten Gemüt und ihren außerordentlichen Geistesgaben die Rede, aber dass es sich bei der hier Begrabenen um „the author of …“ handelt, steht nicht dabei.

Cassandra Austen nahm nicht an der Beerdigung ihrer geliebten Schwester teil, denn das schickte sich für Frauen nicht. Sie konnte nur am Fenster stehen und draußen den Trauerzug mit dem Sarg vorbeiziehen sehen.