Die sechs Hauptromane Jane Austens wurden bislang über 50-mal verfilmt. 1940 erhielt eine schwarzweiße „Stolz und Vorurteil“-Kinoadaption mit Laurence Olivier einen Oscar; 1995 machte eine in Kalifornien angesiedelte moderne „Emma“-Version von Amy Heckerling die damals 19-jährige Alicia Silverstone bekannt. Der vor unterdrückten Gefühlen nur so dampfende Colin Firth setzte ein Jahr später in einer der vielen seriellen BBC-Produktionen neue Maßstäbe für den attraktiven Aristokraten Mr. Darcy.
Bollywood produzierte 2000 eine mit reichlich Musik und Tanz versehene „Verstand und Gefühl“-Fassung namens „Kandukondain Kandukondain“, eine der wenigen Bearbeitungen mit nicht weißem Cast, darunter – neben weiteren indischen – eine mexikanische. Und Stars wie Anne Baxter, Emma Thompson, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet, Keira Knightly, Kate Beckinsale, Anya Taylor-Joy, Anne Hathaway und Dakota Johnson beweisen nach wie vor, dass sich anscheinend jede Generation neu in die alten Figuren verlieben möchte.
Ziemliche Nervensägen
Dass sowohl die weiblichen als auch die männlichen klassischen Austen-Charaktere zuweilen ziemliche Nervensägen sein können, die sich – je nach Geschichte – ernst, streberhaft, sperrig und zugeknöpft geben, wird in den meisten Versionen, egal ob historisch oder modernisiert, verschwiegen. Deutlich ungezwungener bearbeiten dagegen jene Werke den Stoff, die sich weniger eng an Austens Personen, Dramaturgien und Narrative halten müssen, weil sie eben nicht Romane adaptieren, sondern auf einer Metaebene von der Austen-Welt erzählen.
„Schon der Name Darcy kam mir reichlich albern vor“, schreibt Bridget Jones etwa in ihr Tagebuch. Und um nicht nur prosaisch jegliche Verwechslungen mit der Heldin Elizabeth Bennet aus „Stolz und Vorurteil“ auszuschließen, fügt sie spöttisch hinzu: „Wie aus einem Roman von Jane Austen.“
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Am 16. Dezember gibt es den 250. Geburtstag der Autorin Jane Austen zu feiern, die als Frau zunächst nur heimlich schreiben konnte und eine große Klassikerin der Weltliteratur wurde. Die taz begeht dieses Jubiläum mit einer Jane-Austen-Woche: Täglich beleuchten wir einen Aspekt ihrer Werke. Alle erschienenen Texte finden Sie hier.
„Das Tagebuch der Bridget Jones“, niedergeschrieben 1996 von Helen Fielding, ist die Grundlage für eine bis heute erfolgreiche Filmreihe mit Renee Zellweger in der Rolle der tölpeligen Namensgeberin. Der erste der vier Filme wurde 2001 gedreht – und bildet wahrscheinlich den Grundstein der Jane-Austen-Sekundärfilmografie.
Anstatt die heiratswilligen, aber unter dem Druck ihres Standes und den Erwartungen der Gesellschaft leidenden jungen Frauen und die komplizierten und letztlich ebenso menschenunerfahrenen jungen Männer in mehr oder minder werktreuen Geschichten umeinander flattern zu lassen, bildet das Sekundärwerk ein eigenes Diskursuniversum.
Die Bridget-Jones Filme
Beim ersten Bridget-Jones-Film „Schokolade zum Frühstück“ ist von der gebildeten, unabhängigen Elizabeth-Figur somit nur noch Bridgets Behauptung geblieben, sie „habe mal Englische Literatur studiert“. Dass sie damit zwar eigentlich kein richtiger Austen-Fan sein kann, aber – zumindest in Liebesdingen – eine ähnliche Leidenschaft an den Tag legt, haben die Drehbuchautor:innen Helen Fielding, Richard Curtis („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Notting Hill“) und Andrew Davis zu einem mal hoch amüsanten, mal enorm altmodischen Plot gesponnen, durch den Zellweger als vorgeblich über-, in Wirklichkeit normalgewichtige Bridget rauchend, saufend und fluchend hindurchtrampelt. Der hochnäsige Darcy, natürlich gespielt von Colin Firth, ist dafür wenig arrogant, sondern süß, zurückhaltend und charmant.
Spätere Über-Austen-Filme verhandeln überwiegend Austen-Fans, diese riesengroße, gendermäßig recht homogene internationale „Society“, für die die „Regency-Ära“ mit ihren steifen Kleidern, den wie Scheuklappen funktionierenden Frauenkopfbedeckungen und dem Vorzug der Sehnsucht vor dem Erlebnis gleichzeitig schöner Traum und eskapistischer Zufluchtsort bedeutet.
So wie die sechs Menschen, die sich unter der Regie der US-Amerikanerin Robin Swicord im Jahr 2007 in einem „Jane Austen Book Club“ treffen, offiziell um über die sechs Romane ihrer Lieblingsautorin zu sprechen. Die Adaption eines Buches von Karen Jay Fowler nimmt dabei die Exegese nur als Rahmenhandlung, um die wackeligen, endenden oder beginnenden Liebesgeschichten der Clubmitglieder zu erzählen.
Darunter befindet sich mit dem anfänglichen Austen-Laien, aber Sci-Fi-Experten Grigg (Hugh Dancy) gar ein Mann, der sich nicht nur in die Bücher, sondern in eine Clubkollegin (Maria Bello) verliebt – und den anderen freundlich die stereotyp-männliche Außenperspektive anbietet: „Geht es bei der Liebe nicht zunächst um körperliche Anziehung?“, fragt er in die Runde. „Nicht bei Austen“, winkt die manisch werktreue Prudie (Emily Blunt) streng ab.
Empört-leise Zivilisationskritik
Zusätzlich zu den klassischen, aus 1.000 Meter Entfernung wahrnehmbaren Liebesgeschichten, die zwei unglücklich verheiratete Clubmitglieder wieder in die Arme ihrer (langweiligen und betrügenden) Ehemänner treiben, versucht Swicord in ihrem Film eine Bestandsaufnahme der „modernen“, digitalen Welt samt Handyverkehr und – neu! – ständiger Kartenzahlung. Diese empört-leise Zivilisationskritik gepaart mit den zwanghaften Ehe-Enden macht den sympathischen, aber grundbiederen Film moralischer als jeden Austen-Roman.
Über das zweidimensionale Leseerlebnis hinaus geht Jerusha Hess’ 2013 inszenierter Film „Austenland: Als „einmalige immersive Austen-Experience“ wird darin ein teurer Urlaubstrip bezeichnet, für den die Protagonistin, die mit Mitte 30 im besten Austen-Heldinnen-Alter angekommene, alleinstehende US-Amerikanerin Jane (Keri Russell) ihre letztes Geld zusammenkratzt.
Denn Jane ist Austen-Ultra: Die Bibliothekarin hat nicht nur einen lebensgroßen Mr.-Darcy-Pappaufsteller, der in ihrer mit floralem 19.-Jahrhundert-Tinnef vollgestopften Schlafzimmer die seltenen Liebhaber verscheucht, sondern kann sich selbstredend nichts Aufregenderes vorstellen, als einen Ausflug in die steife Etikette eines Englands im 19. Jahrhunderts zu machen, wo in einem entsprechend dekorierten Haus ein Haufen Schauspieler:innen das Erlebnis lebensnah gestalten sollen.
Hess und ihre Drehbuchautorin Shannon Hale, die die Geschichte nach ihrem Roman adaptierte, haben Spaß daran, nicht nur die klassischen Austen-Figuren mit ihren erzwungenen After-Dinner-Konversationen und den Stöcken-im-Hintern zu parodieren. Sie lassen das Ganze zudem in einen Clash der Kulturen ausarten.
Zuerst Ablehnung, dann entflammende Liebe
Neben Jane hat sich nämlich auch die neureiche amerikanische Erbin „Miss Elizabeth Charming“ (die großartige Jennifer Coolidge) zur Austen-Experience eingebucht – und die mischt sexaffine Unkultiviertheit in die noble Gesellschaft. In ihrer Grundstruktur folgt Hess jedoch in dieser Persiflage dem Vorbild: Wie bei Austen ist das erste Zusammentreffen zwischen Jane und einem Darcy-Verschnitt (JJ Feild) von Streit geprägt. Eine der Austen’schen Liebesregeln lautet, dass aus ursprünglicher Ablehnung besonders starke Flammen entstehen.
Und die lodern weiter: Vor wenigen Wochen startete Laura Pianis Komödie „Jane Austen und das Chaos in meinem Leben“ in den Kinos, eine französische Produktion, die wie ein Konglomerat aus allen vorhandenen Austen-Meta-Geschichten wirkt. Die französische Bibliothekarin und Austen-Afficionada Agathe (Camille Rutherford) gewinnt darin eine Schreib-Residenz in einem bizarren, englischen Austen-Paradies voller wunderlicher Schriftsteller:innen; inbegriffen sind Kostümpartys und die beiden üblichen Galane, zwischen denen sie wählen muss.
Obwohl die Ausgangslage, der Ausgang selbst und das Material hinreichend bekannt sind, gelingt Piani ein erstaunlich komischer Film – unter anderem, weil neben ihrem Austen-Landhaus eine Alpaka-Farm liegt und Agathe beim Durch-die-Wälder-Sinnieren lernt, dass das Summen von Alpakas eins der albernsten Geräusche der Welt ist (und deren gutmütiges Lächeln mitnichten vor dem Angespucktwerden schützt).
Schon 2016 entstand der Film „Stolz und Vorurteil und Zombies“, in dem Colonel Darcy (Matt Riley) Zombies töten muss. Und selbstverständlich gibt es Jane Austen längst in nackt: 2011 berichtete die LA Times von einem „neugeschriebenen“ Austen-Roman mit einem „handsome Mr. Wickham, wickeder than ever!“. Auf einschlägigen Ab-18-Seiten wird man filmisch ebenfalls schon lange fündig. Und da muss sich Elizabeth dann auch endlich nicht mehr zwischen Mr. Darcy und Mr. Wickham entscheiden.
