Am Montagabend jährte sich ein Datum zum ersten Mal, das für die jüngere deutsche Fußballgeschichte schon eine gewisse Bedeutung gewonnen hat. Am 14. Oktober 2023 hatte der Ernst des Bundestrainerlebens für Julian Nagelsmann in East Hartford, Connecticut, begonnen. Seit der Premiere im blau-gelben Flanellhemd, die auch sportlich mit dem 3:1 gegen die Vereinigten Staaten fesch geriet, hat er schon unangenehme Tiefen kennengelernt, seit einiger Zeit aber für ein konstantes Hochgefühl gesorgt.
Und an seinem kleinen Jubiläum hat er nun etwas erreicht, woran sich seine beiden Vorgänger vergeblich versucht hatten. Mit dem 1:0 gegen die Niederlande hat eine deutsche Mannschaft zum ersten Mal die Vorrunde der Nations League erfolgreich hinter sich gelassen. Platz zwei ist schon vor den beiden abschließenden November-Spielen sicher, und somit ein Platz im Viertelfinale, das im März mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird.
Was gegen die Niederlande erst nach einem Blitzstart aussah, benötigte zwar doch noch einen gewissen Anlauf für die Deutschen und ihren Torschützen Jamie Leweling (58. Minute) in dessen erstem Länderspiel. Aber auch wenn einer bemerkenswert kraftvollen ersten Hälfte eine etwas zurückhaltendere zweite folgte, war es ein allemal verdienter Erfolg gegen den Rivalen, der lange ein schwaches Bild abgab und sich erst spät noch wehrte.
Undavs Pech ist Lewelings Glück
Modisch Eindruck machte erst einmal Thomas Müller im blauen Sakko mit buntem Einstecktuch. Er wurde wie die 2014er Weltmeisterkollegen Manuel Neuer und Toni Kroos sowie İlkay Gündoğan, der EM-Kapitän des Sommers, mit einigem Pomp verabschiedet (wobei Kroos sich wegen einer Verpflichtung in Madrid entschuldigt hatte). Und kaum dass der Ball nach einem Abschiedsapplaus für die verstorbenen ehemaligen Nationalspieler Johan Neeskens und Dieter Burdenski rollte, lag er schon im niederländischen Netz.
Debütant Leweling hatte nach nicht einmal zwei Minuten getroffen, doch weil der Videoassistent einen formalistisch anmutenden Einwand hatte – Vorarbeiter Gnabry war vom passiven hauchzart ins aktive Abseits gewechselt – fand das Tor nach länglicher Prüfung keine Anerkennung. Schrille Pfiffe und ein mächtig wütender Bundestrainer waren die Folge.
Nagelsmann hatte einen ausdrücklich auf die Zukunft gerichteten Kurs gewählt: Aleksandar Pavlovic, 20 Jahre, und Angelo Stiller, 23 Jahre, beide in München geboren und ausgebildet, begannen wie angekündigt in der Mittelfeldzentrale. Was für Pascal Groß und Robert Andrich, 33 und 30 Jahre alt, bedeutete, dass sie es sich diesmal erst einmal auf der Bank bequem machen durften.
Ebenso angekündigt war die Premiere für Oliver Baumann im Tor, mit 34 Jahren. Jene für Leweling hingegen, für Musiala nachnominiert, war überraschend gekommen; er profitierte davon, dass muskuläre Probleme den beim 3:1 in Bosnien-Hercegovina doppelt erfolgreichen Deniz Undav bremsten.
Hinten herrscht weitgehend Ruhe
Vom ärgerlichen Abseitspfiff ließen sich die Deutschen nicht im Geringsten bremsen. Es war, trotz der abermals vielen Wechsel, wieder ein harmonischer und zugleich lust- und druckvoller Auftritt. Kleindienst und Mittelstädt kamen früh in aussichtsreiche Positionen, nach 25 Minuten sorgte Wirtz für den ersten Ooh-Aah-Moment im Zentrum, und nach knapp einer halben Stunde kam Gnabry und Leweling in den Sinn, dass sie sich doch schon einmal so gut verstanden hatten.
Wieder fand der Münchner den Stuttgarter, der Ball aber diesmal nicht den Weg ins Tor, weil sich de Vrij noch in den Schuss warf. Aber die positiven Eindrücke waren breit gestreut: Leweling war eine Belebung, Gnabry mindestens genauso, Pavlovic und Stiller sorgten für Stabilität, Ersterer auch für Autorität.
Defensiv waren die Deutschen von den fehlerhaften Niederländern praktisch gar nicht gefordert – oder anders gesagt: Weil Nagelsmanns Team von vorne weg Druck aufbaute und den Gegner zu Fehlern nötigte, herrschte hinten weitgehend Ruhe. Das galt auch für Schlotterbeck, der sich vorrangig um jenen Brobbey kümmern sollte, der Tah im Hinspiel gepeinigt hatte.
Aus elf Metern unter die Latte
Das Publikum war bester Laune, die Welle rauschte durch die Münchner Arena, das Einzige, was fehlte, war ein (gültiges) Tor. Beinahe hätte Gnabry es mit einer Pressingberührung erzielt, dann verpasste Kleindienst knapp eine Gnabry-Flanke, und mit 0:0 ging es aus deutscher Sicht deutlich unterbewertet in die Pause.
Danach kam Wirtz, offenbar leicht angeschlagen, nicht wieder, Andrich wurde eingewechselt, Pavlovic rückte eins nach vorn auf die Zehner-Position. Die Deutschen ließen es nun etwas ruhiger angehen, pressten nicht mehr so hoch. Das Spiel, obwohl manchmal nicklig, verlor an Schwung. Doch Leweling sorgte nochmal für plötzliche und heftige Beschleunigung.
In der Folge eines Eckballs drosch er den Ball aus rund elf Metern unter die Latte. Zweimal wurde es danach noch gefährlich, als ein Schuss von Xavi Simons die Latte touchierte, und als Baumann einen Versuch von Malen stark parierte. Aber nachhaltig stören konnten die Nachbarn das kleine deutsche Jubiläum nicht mehr.