Italien: Agrigent verbietet Verkauf von Mafia-Souvenirs – Reise

Ach, Süditalien! Während wir nördlich der Alpen mal wieder im Regen hocken und einen viel zu kalten September über uns ergehen lassen mussten, hatte es dieser Tage in Palermo geschmeidige 29 Grad. Die Glücklichen!, ist man da geneigt zu denken. Dass die Insel bald zum nördlichsten Teil der Sahara werden wird, klammert man als Sonnensehnsüchtler gerne aus. Denn in diesem Sommer war es dort so heiß und trocken, dass die politisch Verantwortlichen der Landwirtschaft das Wasser abgedreht haben, damit die Touristen weiterhin duschen und in Swimmingpools baden können. Vieh musste deshalb geschlachtet werden, die Ernte ist großteils verdorrt.

Doch darüber wird nicht viel berichtet, weil viel wichtigere Nachrichten die Gemüter erhitzen. Und zwar geht es um die Mafia. Sie ist ja längst nicht mehr auf Sizilien, gar auf Italien festgelegt, sondern fühlt sich, wie man weiß, auch in Bayern und NRW wohl wie ein Delfin im Meer vor Agrigent. Und dennoch: Die kriminellen Vereinigungen sind im 19. Jahrhundert wohl mal hier und im benachbarten Kampanien entstanden. Gewissermaßen ist Sizilien die Wiege des organisierten Verbrechens, worauf manch einer stolz ist, der damit gut verdient, viele andere aber eher nicht.

Zu ihnen gehört Francesco Miccichè, Bürgermeister der Stadt Agrigent, die für ihre sehr gut erhaltenen griechischen Tempel bekannt ist. Miccichè stört, dass in seiner Stadt Souvenirs verkauft werden, die etwa kleine schnauzbärtige Männchen mit Sonnenbrille und Lupara in der Hand zeigen. Die Lupara, auch Wolfstöter genannt, ist eine abgesägte Schrotflinte, die besonders breit streut und früher mal von Hirten gegen angreifende Wölfe eingesetzt wurde, bevor die Mafia-Killer sie wegen ihrer Handlichkeit adaptierten. Den Verkauf der Mafia-Souvenirs, die mal als Figuren, aber auch als T-Shirt mit dem „Paten“ daherkommen, hat der Bürgermeister nun verbieten lassen. Sie stellten „eine Demütigung für die lokale Gemeinschaft dar, die sich für eine Kultur der Legalität einsetzt“. Und schließlich ist man 2025 europäische Kulturhauptstadt, da möchte man natürlich ein möglichst gutes Bild abgeben.

Hm. Wird da mit Kanonen oder zumindest mit der Lupara auf Spatzen geschossen? Zunächst einmal bringen die Souvenirs der lokalen Gemeinschaft ja Geld. Denn wir Touristen, man verzeihe uns das, greifen halt gerne nach dem Klischee, noch dazu, wenn es mit einem Augenzwinkern verbreitet wird. Und dann muss man ja schon konstatieren, dass die Mafia, so schlimm und verwerflich sie für die von ihr Betroffenen ist, auch ein Kulturexport ist. Man denke nur an die vielen Mafia-Filme, die in Hollywood nicht zuletzt italienischstämmige Schauspieler wie Al Pacino und Robert De Niro berühmt gemacht haben. Dazu Mafia-Krimis, Bücher, Serien, Hörspiele. Soll das jetzt alles verboten werden?

Vielleicht sollte der Bürgermeister sich das mit dem Souvenirverbot noch mal überlegen bis 2025. Schließlich übt alles, was verboten wird, einen noch größeren Reiz aus. Illegal unter dem Tresen gehandelte Figürchen und T-Shirts, die noch höhere Preise erzielen? Und am Ende übernimmt noch die Mafia das Geschäft von unbescholtenen Souvenirhändlern. Dann ginge der Schuss aus der Lupara eher nach hinten los.

Der Autor hat in Sizilien mal eine punische Totenmaske gekauft. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))