
In der Neujahrsansprache von Präsident Sergio Mattarella kam der Fall Cecilia Sala an prominenter Stelle vor: „Wir sind ihr nahe und hoffen, sie so bald wie möglich in Italien wiederzusehen.“ Die 29 Jahre alte Journalistin, die unter anderem für die Tageszeitung „Il Foglio“ und den Podcast-Vertrieb „Chora Media“ tätig ist, befindet sich seit dem 19. Dezember im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis. Dass Cecilia Sala schon bald nach Hause darf, ist eingedenk ähnlicher Fälle von politischer Geiselnahme durch Unrechtsregime – von Iran über Venezuela und Kuba bis Russland und China – jedoch wenig wahrscheinlich.
„Verhaftung ist unerklärlich und böswillig“
Sala war nach Angaben der Redaktion von „Il Foglio“ mit einem gültigen Journalistenvisum nach Teheran gereist – wie schon zuvor bei mehreren Besuchen des Landes in den vergangenen Jahren. Der Chefredakteur Claudio Cerasa zeigte sich tief besorgt über die Festnahme: „Cecilia hatte ein reguläres Journalistenvisum für Iran. Sie war nicht undercover tätig. Sie ist eine kompetente, stets gut vorbereitete und umsichtige Journalistin. Ihre Verhaftung ist unerklärlich und bösartig.“
Die Tatsache, dass Sala gerade nicht als Touristin „getarnt“ nach Teheran geflogen war, bestätigten die iranischen Behörden nach langem Schweigen an Silvester selbst. In einer dürren Mitteilung, verbreitet von der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA, heißt es: „Die italienische Staatsbürgerin kam am 13. Dezember mit einem Journalistenvisum nach Iran und wurde am 19. Dezember wegen Verstoßes gegen Gesetze der Islamischen Republik festgenommen. Die Festnahme erfolgte im Einklang mit der geltenden Gesetzgebung, die italienische Botschaft wurde informiert. Der Verhafteten wurde Zugang von diplomatischen Vertretern sowie telefonischer Kontakt zu ihrer Familie gewährt.“
Diese Darstellung deckt sich mit Mitteilungen des Außenministeriums in Rom. Danach hat Paola Amadei, seit 2024 Italiens Botschafterin in Teheran, Sala im Evin-Gefängnis aufgesucht. Die Gefangene konnte über die Feiertage mehrfach mit ihrer Familie telefonieren. Sala sei in guter gesundheitlicher Verfassung, sie werde in einer Einzelzelle festgehalten.

Gegen welche Gesetze Sala angeblich verstoßen hat, ist unklar. In italienischen und iranischen Medien wird berichtet, die Journalistin, die auf Instagram mehr als 400.000 Follower hat, habe in Teheran mit jungen Iranerinnen gesprochen, die bei dem Treffen gegen die Kleiderordnung des Mullah-Regimes – namentlich die Kopftuchpflicht – verstoßen hätten und in Salas Postings auf Instagram auch so zu sehen gewesen sein sollen. Für die jüngsten Folgen ihrer Podcast-Serie „Stories“ hat Sala in Teheran unter anderem mit der iranischen Komikerin Zeinab Musavi, die öffentlich die Hidschab-Pflicht kritisiert, sowie mit einem ehemaligen Kommandeur der Revolutionsgarde gesprochen. Nach italienischen Medienberichten war Sala stets mit offiziell akkreditierten Dolmetschern unterwegs, hatte die iranischen Behörden gemäß Vorschrift vorab über alle Gesprächspartner informiert und trug ihrerseits stets einen Schleier.
Iraner soll Drohne für Angriff auf US-Soldaten ausgerüstet haben
Obschon weder die italienischen noch die iranischen Behörden einen Zusammenhang der Verhaftung Cecilia Salas mit der Festnahme des 38 Jahre alten Iraners Mohammed Abedini vom 16. Dezember auf dem Flughafen Mailand-Malpensa herstellen wollen, kann dieser als gesichert gelten. Washington verdächtigt Abedini, mit seiner iranischen Firma Sadra gegen amerikanische Sanktionen gegen Iran verstoßen sowie eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Konkret stützen sich die Vorwürfe auf den Angriff mit einer iranischen Shahed-Drohne auf die amerikanische Militärbasis „Tower 22“, die nahe Rukban im äußersten Nordosten Jordaniens an der Grenze zu Syrien liegt. Bei dem Angriff vom 28. Januar 2024, zu dem sich eine von Teheran bewaffnete schiitische Terrormiliz im Irak bekannte, starben drei amerikanische Soldaten, weitere 47 wurden verletzt.
Die amerikanischen Ermittler sind überzeugt, dass in der Shahed-Drohne ein Navigationssystem von Abedinis Firma Sadra steckte, dessen Komponenten unter Umgehung der Sanktionen nach Iran gelangt waren. Washington verlangt von Italien die Auslieferung des Iraners, dem in den USA lebenslange Haft droht. Abedini weist die Vorwürfe zurück und versucht, über seine Anwälte in Italien vorab eine Überstellung aus dem Hochsicherheitstrakt eines Mailänder Gefängnisses in den Hausarrest zu erreichen. Washington hat Rom eindringlich davor gewarnt, Abedini in den Hausarrest zu entlassen, es bestehe Fluchtgefahr.
Die Regierung in Rom gerät mit dem Kasus Sala zu Beginn des neuen Jahres in eine diplomatische Zwickmühle. Die Bündnistreue zu den USA sowie einschlägige bilaterale und internationale Verträge verpflichten Italien zur Auslieferung Abedinis. Auf der anderen Seite muss Rom mit allen Mitteln die baldige Freilassung der italienischen Staatsbürgerin Cecilia Sala erreichen, die in Teheran als politische Geisel festgehalten wird. Im „Corriere della Sera“ äußerte der iranische Anwalt Amir Raesian die Befürchtung, der Fall könne sich in die Länge ziehen. Bis zur Eröffnung eines Gerichtsverfahrens könne es Monate, ja Jahre dauern. Allenfalls könne Sala auf eine baldige Abschiebung nach Italien hoffen, noch ehe sich die Mühlen der iranischen Justiz in Bewegung setzten. Doch dazu müsste es zu einer Art Gefangenenaustausch kommen: der mutmaßliche Terrorunterstützer Abedini gegen die unbescholtene Journalistin Sala.