
In einem offenen Brief fordern 250
Organisationen die Bundesregierung dazu auf, gefährdete Menschen aus
Afghanistan aufzunehmen. „Tun Sie jetzt alles in Ihrer Macht Stehende,
um die Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage bis Jahresende nach
Deutschland zu holen“, heißt es in einem Schreiben (PDF) anlässlich des Internationalen Tags der
Menschenrechte, welches sich namentlich an Bundesinnenminister
Alexander Dobrindt (CSU) und Außenminister Johann Wadephul (CDU) richtet.
Unter den Unterzeichnern des offenen Briefs
sind unter anderem Pro Asyl, Brot für die Welt, Amnesty International
Deutschland und Human Rights Watch. Helen Rezene, Co-Geschäftsführerin
von Pro Asyl, nannte die Rettung aller Menschen mit Aufnahmezusage den „Lackmustest für Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Humanität dieser
Bundesregierung“.
Sorge vor Abschiebungen nach Afghanistan
Konkret fordern die Organisationen, die
sofortige, unbürokratische Ausreise vor Jahresende einzuleiten und die
Sicherheitsüberprüfungen und Visaverfahren schnellstmöglich für alle
Aufnahmeprogramme abzuschließen. Zudem solle die Bundesregierung im
Gespräch mit der pakistanischen Regierung alle Möglichkeiten nutzen, um
weitere Abschiebungen der Betroffenen nach Afghanistan zu verhindern und eine sichere Unterbringung bis zum Abschluss der Verfahren zu gewährleisten. „Den von den pakistanischen Behörden abgeschobenen Afghanen und
Afghaninnen drohen willkürliche Inhaftierung, Misshandlungen oder gar
Hinrichtungen“, sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl,
Wiebke Judith.
In den vergangenen Monaten hatten pakistanische Behörden wiederholt damit gedroht, die Betroffenen zurück nach Afghanistan abzuschieben. Im Herbst wurde die Frist ein letztes Mal bis Ende des Jahres verlängert. Da Deutschland aufgrund der gefährlichen Situation in Afghanistan keine diplomatische Vertretung vor Ort hat, werden die Aufnahmeverfahren über Pakistan abgewickelt.
Rechtsverbindliche Zusagen
Auch die Justiz beschäftigt die Aufnahme von
Afghaninnen und Afghanen: Erst vergangene Woche hatte das
Bundesverfassungsgericht im Fall eines ehemaligen Richters am obersten Gericht Afghanistans entschieden. Er,
seine Ehefrau und die vier gemeinsamen Kinder warten seit Jahren auf
ihre Einreise. Das Gericht verpflichtete Deutschland dazu, umgehend über
die Visaanträge zu entscheiden.
Insgesamt warten noch knapp 1.900 Afghaninnen und
Afghanen aus verschiedenen Aufnahmeprogrammen auf eine Einreise nach Deutschland. Darunter sind auch ehemalige Ortskräfte mit ihren
Angehörigen. Sie hatten vor der erneuten Machtübernahme durch die
Taliban vor mehr als vier Jahren für deutsche Institutionen gearbeitet
und sind nun besonders gefährdet. In vielen Fällen bestehen rechtsverbindliche Zusagen, dennoch hat die neue Bundesregierung von Union und SPD die
Aufnahmeprogramme Anfang Mai vorerst
gestoppt.
2021 hat in Afghanistan die radikalislamistische Terrormiliz Taliban die Macht übernommen. Die Deutsche Botschaft ist seitdem geschlossen, das Auswärtige Amt warnt wegen Sicherheitsbedenken vor Reisen in das Land.
