Innere Sicherheit: Bundespolizisten von Grenze abziehen und in Bahnhöfen einsetzen, fordern SPD und Grüne

Die Gewerkschaft der Polizei ruft in der „Stadtbild“-Debatte nach erweiterten Befugnissen und mehr Personal für den Einsatz in Bahnhöfen. Während die Union keine Polizisten vom Grenzschutz abziehen will, fordern SPD und Grüne genau das. Die Linke stellt ein anderes Kernproblem fest.

In der „Stadtbild“-Debatte richtet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ihren Fokus jetzt auf die Bahnhöfe. „Gerade an den großen Bahnhöfen in den Innenstädten wird es immer gefährlicher, auch für unsere Kolleginnen und Kollegen“, sagte der für die Bundespolizei zuständige GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Roßkopf forderte deshalb: Eine verdachtsunabhängige „grundlegende Kontrollbefugnis, immer unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit“, für Bundespolizisten sei an Bahnhöfen „absolut notwendig“. Dies müsse auch im neuen Bundespolizei-Gesetz berücksichtigt werden. „Wir müssen als Polizei absolut handlungsfähig bleiben, um die Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten.“

Roßkopf verwies zudem auf eine Forderung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die Bundespolizei an den Bahnhöfen personell aufzustocken. „Insgesamt fehlen 3000 bis 4000 Kolleginnen und Kollegen dort“, so der Gewerkschafter. „Mehr Sicherheit an den Bahnhöfen ergibt auch ein besseres Stadtbild.“ Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte die Debatte im Migrationskontext mit Verweis auf ein „Problem“ im „Stadtbild“ gestartet, was ihm heftige Kritik unter anderem vom Koalitionspartner SPD einbrachte. Zuletzt präzisierte er, sich mit der Formulierung auf Zuwanderer bezogen zu haben, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln halten.

Großstadt-Bahnhöfe sind nach Angaben der Bundespolizei Kriminalitätsschwerpunkte, wie eine im Juli veröffentlichte Auflistung zu Straftaten in zehn Bahnhöfen zeigt. Daraus geht etwa hervor, dass es die meisten Körperverletzungsdelikte zwischen Januar und Mai 2025 im Hauptbahnhof Leipzig gab, nämlich: 203; danach folgten Köln (190) und Berlin (160).

Wie reagieren Innenpolitiker im Bundestag auf die GdP-Forderungen? Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagt WELT: „Die Bundespolizei ist personell gut aufgestellt, sowohl für ihren Dienst an den Grenzen als auch an den Bahnhöfen. Ebenso wichtig ist jedoch die Entlastung der Beamtinnen und Beamten durch die Einführung geeigneter Technik wie etwa Videoüberwachung mit Gesichtserkennung an Bahnhöfen.“

Die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte 2024 für die Ausweitung von Grenzkontrollen Bundespolizisten von Bahnhöfen abgezogen. Ihr Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) verschärfte den Grenzschutz, indem er Zurückweisungen auch von Asylsuchenden ermöglichte. Im September zeigte eine WELT-Recherche, dass die Behörde infolge der ausgeweiteten Kontrollen bis Ende August 2,7 Millionen Überstunden angehäuft hatte.

Throm betont: „Bei der Arbeit der Bundespolizei ist es derzeit entscheidend, den Zustrom illegaler Migration von außen deutlich zu reduzieren.“ Die Bundesregierung sorge zudem „für mehr Sicherheit, indem sie nach 30 Jahren erstmals wieder eine Reform des Bundespolizeigesetzes auf den Weg bringt und damit endlich erweiterte, zeitgemäße Befugnisse schafft. So können künftig auch in den Waffenverbotszonen der Bahnhöfe die erforderlichen Personenkontrollen problemlos durchgeführt werden.“

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Fiedler, fordert im Gegensatz zu Throm: „Wenn wir mehr Sicherheit in den Bahnhöfen und Zügen erreichen wollen, habe ich einen ganz einfachen Vorschlag: Wir fahren endlich die Anzahl der Beamtinnen und Beamten zurück, die mit Binnengrenzkontrollen befasst sind, und lassen sie wieder auf den Bahnhöfen für mehr Sicherheit sorgen.“ Dies hätte den Vorteil, „dass wir auf einen Schlag circa 4000 Polizistinnen und Polizisten an den Bahnhöfen mehr zur Verfügung haben könnten, die dort für zusätzliche Sicherheit sorgen“.

Fiedler verwies darauf, dass Grenzkontrollen „vorwiegend durch Smart-Border-Control-Maßnahmen“ durchgeführt werden könnten, „also mit noch mehr Technik und zielgerichteter. Damit hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: mehr Sicherheit an Bahnhöfen und weniger Staus an den Grenzen.“

Linke warnt vor Stigmatisierung „ganzer Gruppen“

In eine ähnliche Richtung zielt der zuständige Sprecher der Grünen, Marcel Emmerich: „Um die Präsenz an Bahnhöfen schnell hochzufahren, sollten die rechtswidrigen und unverhältnismäßigen Grenzkontrollen beendet werden, da sie massig Personal binden, das sich an der Grenze ohne wesentliche Effekte die meiste Zeit die Beine in den Bauch steht. Das würde die Sicherheit an Bahnhöfen schlagartig erhöhen.“

Emmerich betont, dass eine Erhöhung der Sicherheit in Städten einen „ganzheitlichen Ansatz“ erfordere: „Dabei kommt es nicht nur auf die Bundespolizei an Bahnhöfen an, sondern auch auf durchdachten Städtebau, Prävention und Sozialarbeit.“

AfD-Innenpolitiker Markus Matzerath betont mit Bezug auf erweiterte Polizei-Befugnisse, dass seine Partei „den Ausbau des Überwachungsstaates grundsätzlich“ ablehne. Jedoch könnte „in der aktuellen, durch eine verfehlte Migrationspolitik verursachten Lage die vorübergehende Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei – konkret: verdachtsunabhängige Kontrollen – ein notwendiges und gerechtfertigtes Mittel sein.“

Für Matzerath liegt der „Kern des Problems“ in der Migration: „Die dauerhafte Lösung besteht daher in wirksamem Grenzschutz, konsequenten Zurückweisungen und Abschiebungen. Die durch Migration entstandenen gesellschaftlichen Verwerfungen lassen sich mittel- und langfristig nicht durch mehr Polizeikräfte lösen.“ Zudem nehme eine „qualitativ hochwertige Ausbildung“ bei der Bundespolizei „mehrere Jahre in Anspruch“.

Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, verweist darauf, dass es die Möglichkeit verdachtsunabhängiger Kontrollen bereits gebe, der Entwurf für das Bundespolizei-Gesetz sehe diese „ausdrücklich“ vor. Sie moniert: „Diese Befugnisse erlauben Kontrollen ohne konkreten Verdacht und setzen die Unschuldsvermutung faktisch außer Kraft. In der Praxis führen sie zu willkürlichen Maßnahmen und zu Racial Profiling, weil Menschen allein aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder Kleidung kontrolliert werden.“ Das verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, solche Kontrollen stigmatisierten „ganze Gruppen“.

Bünger stellt zudem ein grundsätzliches Problem fest: „Es ist fraglich, woher die GdP überhaupt wissen will, wer an den Bahnhöfen sitzt und ob es sich um Asylsuchende handelt. Aber selbst wenn, dann ist doch das eigentliche Problem, dass die Bundesregierung ihnen verbietet, zu arbeiten.“ Viele Migranten lebten deshalb „ohne feste Wohnung, sind auf Sozialleistungen angewiesen oder psychisch belastet. Und jetzt soll ausgerechnet diese Situation herangezogen werden, um neue Polizei-Befugnisse zu fordern.“ Bünger nennt dies „heuchlerisch“ – und wirft Innenminister Dobrindt sowie der Union vor, diesbezüglich „schlicht unchristlich“ zu agieren. Ihr Fazit: „Wenn man wirklich Sicherheit will, dann muss man den Menschen Perspektiven geben, Arbeit, Wohnung, soziale Unterstützung. Nicht Kontrolle und Ausgrenzung.“

Heiko Teggatz, Vize-Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), begrüßt es „ausdrücklich, dass sich nunmehr auch unser Mitbewerber unserer seit Jahren erhobenen Forderung nach mehr Personal und modernen Befugnissen anschließt.“ In der Vergangenheit habe sich die GdP in letzterem Punkt gegensätzlich positioniert. Teggatz gibt zu bedenken: „Uniformiertes Personal auf unseren Bahnhöfen wird das subjektive Sicherheitsgefühl verbessern. Da es derzeit jedoch schwierig ist, schnell ausreichend geeignetes Personal für die Bundespolizei zu rekrutieren, sollte mehr auf moderne Videotechnik gesetzt werden. Durch den Einsatz KI-gestützter Erkennungssoftware – anonymisierte Verhaltenserkennung – können Gefahrensituationen automatisch erkannt werden.“

Der flächendeckende Betrieb solcher Systeme auf Bahnhöfen und auch öffentlichen Plätzen brauche eine gesetzliche Grundlage. Der Gewerkschafter ruft Bund und Länder zum Handeln auf: „Der Datenschutz darf den Opferschutz nicht in den Hintergrund rücken lassen.“

Johannes Wiedemann ist Leitender Redakteur Politik Deutschland.