
Tommy will unbedingt Basketball spielen. Der kleine Junge mit dem strohblonden lockigen Haar und dem verschmitzten Lachen kann aber anfangs seinen Zug zum Korb nicht wie gewünscht unter Beweis stellen. Denn die anderen jungen Korbjäger um ihn herum wollen ihn nicht mitspielen lassen. Der Grund: Tommy sitzt im Rollstuhl. Doch lässt der Schüler nicht locker und verfolgt seinen großen Traum zielstrebig.
Dies ist der Kern der Geschichte des ersten Kinderbuchs von Thomas Böhme. Der 33 Jahre alte Wahl-Mittelhesse mit dem kurz geschnittenen blonden Haar und dem braunen Labrador Herbert an seiner Seite ist kein passionierter Autor. Vielmehr verdient er sein Geld als Basketballprofi in Diensten des RSV Lahn-Dill in Wetzlar. Dieser Verein ist so etwas wie der FC Bayern München in seiner Liga. Der RSV holte bisher fünfzehnmal die deutsche Meisterschaft und vierzehnmal den Pokal. Er ist achtfacher Europapokalsieger und errang einmal den Weltcup. Kurzum: Der Verein zählt zu den besten Clubs seiner Art auf der Welt.
Für ihn spielen Männer und Frauen ohne körperliches Handicap und auf den Rollstuhl angewiesene Sportler. Böhme gehört zu den Letzteren. Sein kleiner Held trägt seinen Spitznamen. „Ich habe zuerst überlegt, ob ich ihn so nennen soll“, sagt Böhme. Aber die Zweifel schob er bald beiseite. Insofern liegt auf der Hand: Sein Buch hat viel mit ihm zu tun – ohne aber streng autobiographisch zu sein.
Kinderbuch mit einem Helden im Rollstuhl
Der gebürtige Franke Böhme wurde mit einem offenen Rücken geboren und bald nach der Geburt operiert, wie er berichtet. Mit Gehhilfen und Orthesen konnte er demnach auch ganz gut laufen, spielte sogar Fußball. „Doch je älter ich wurde, desto mehr trat die Erkenntnis in den Vordergrund: Für längere Strecken ist der Rolli besser“, sagt Böhme. Alles andere sei zu kraftraubend. „Diese Erkenntnis reifte noch zu Hause in Bayreuth vor seinem Umzug nach Hessen.“

Den ersten Impuls, ein Kinderbuch zu schreiben, spürte er nach seinen Worten vor zwei Jahren. „Ich habe die Idee zunächst verworfen. Du bist kein Schreiber, dachte ich“, sagt er. Doch die Idee habe ihn nicht mehr losgelassen. Da habe er sich gesagt: „Dann musst Du das machen.“
Er fand eine Autorin, die seine Gedanken in kindgerecht Sätze gefasst hat, und eine Illustratorin. In diesen Tagen steht das Buch vor der Vollendung. Es hat 24 kurze Kapitel auf 56 Seiten und wird zunächst bei Amazon erscheinen. Wer es kauft, druckt es sich selbst aus – so lautet die Idee.
Die Geschichte wurzelt in einem Böhme seit Langem innewohnenden Gefühl: „Ich hätte mir als Kind ein Kinderbuch mit einem Helden im Rollstuhl gewünscht.“ Dergleichen hat er nicht in den Händen gehalten. Wäre er gut 20 Jahre älter, hätte er immerhin den Fernsehfilm „Die Vorstadtkrokodile“ sehen können, in dem der im Rolli sitzende Junge Kurt eine zentrale Rolle spielt. Der auf einem Buch von Max von der Grün basierende Streifen lief 1977 im Nachmittagsprogramm. Mit seinem Buch will Böhme auf den Rollstuhl angewiesenen Kindern und deren Eltern Mut machen.
„Träume sind barrierefrei“
Durch seinen Sport und verschiedene Projekte rund um das Thema Inklusion wie die Arbeit für die Werte-Stiftung, für die er an Schulen auftritt, sieht er sich in der Rolle eines Vorbilds, wie Böhme sagt. Seine Botschaft lautet aus eigener Erfahrung: „Wenn Du anders bist als andere, dann ist das nicht schlimm – Du kannst trotzdem Deine Träume verwirklichen“, hebt er hervor: „Träume sind barrierefrei.“
Was das bedeutet, zeigen er und andere Sportler vom RSV Lahn-Dill, darunter Gehandicapte und Fußgänger, Schülern gemeinsam. „Wir bringen Rollstühle mit und zeigen ihnen Unterschiede zwischen einem Rolli für den Alltag und einem Gerät für den Sport“, sagt Böhme. Dann lernten die Mädchen und Jungen auch, weshalb Sport-Rollstühle mit schräg gestellten Rädern ausgestattet sind, anders als ein Alltagsmodell. Die Kinder und Jugendlichen könnten sich selbst in einen Sport-Rolli setzen und ihn ausprobieren. Sie erlebten dabei viel Spaß – und nähmen eine andere, für sie ungewohnte Perspektive ein.
Die Übung hat die Vermutung für sich, Respekt für Menschen im Rollstuhl zu befördern. Und Respekt und Fair Play auch abseits des Sports sind Böhme wichtig: „Jeder hat schließlich seine eigene Geschichte“, sagt der Profi, der nebenher Sportmanagement studiert. Die erste Geschichte des kleinen Tommy soll nicht die letzte bleiben. Böhme schwebt eine Serie von Kinderbüchern vor.