
Profisportler und Rituale – diese Kombination ist weitverbreitet. Sportpsychologen haben dafür den Begriff „magisches Denken“ geprägt, gemeint ist damit der Glaube daran, durch das eigene Verhalten alles beeinflussen zu können. Riley Barber, Stürmer des ERC Ingolstadt, schwört auch auf ein Ritual. Beim Aufwärmen vor den Spielen fährt er zur Bank, wo Betreuer Ivan Zilinek schon darauf wartet, den Schläger des Angreifers zu küssen. „Alle brauchen Liebe, auch Eishockeyschläger“, erklärte Barber grinsend sein Vorgehen. „Manchmal braucht es einfach einen Kuss.“
Seinem Schläger tut der liebevolle Umgang gut. Sechsmal hat Barber in seinen ersten sechs Spielen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) getroffen, nur Wolfsburgs Jimmy Lambert konnte einmal häufiger jubeln. Mit neun Scorerpunkten ist er Ingolstadts verlässlichster Offensiv-Produzent, nur in einem Ligaspiel hat er nicht gepunktet. Barbers bisheriger Höhepunkt: Sein Hattrick beim 6:3-Derbysieg gegen den EHC Red Bull München in der vergangenen Woche.
Beim ERC gab es nach der vergangenen Saison, die nach der erfolgreichsten Hauptrunde der Vereinsgeschichte im Playoff-Halbfinale geendet war, einen ziemlichen Umbruch. Der langjährige Kapitän Fabio Wagner wechselte nach München, Wojciech Stachowiak versucht, in der NHL Fuß zu fassen, Matt Bodie und Wayne Simpson beendeten ihre Karrieren und Torhüter Michael Garteig heuerte in Augsburg an. All diese Spieler waren nicht nur sportliche Leistungsträger, sondern auch prägende Führungskräfte in der ERC-Kabine. Umso wichtiger war es für die Oberbayern, dass die neuen Spieler sich schnell akklimatisieren. Barber, der als Königstransfer von ERC-Sportdirektor Tim Regan gilt, hat exakt das getan, er fühlt sich in Ingolstadt nach zwei Jahren in Kasachstan und Russland sehr wohl. Ein Unterschied „wie Tag und Nacht“ sei es, sagte der 31-Jährige, der zuletzt in Nischnekamsk, mehr als 1000 Kilometer östlich von Moskau, gelebt hatte.
„Er weiß, in welchen Situationen er draufgehen muss und wann es Ruhe braucht.“
Seine Rolle hat der Junioren-Weltmeister von 2013, der es auf 16 Spiele in der NHL gebracht hat, klar vor Augen. „Ich wurde geholt, um Tore zu schießen und für das Team zu produzieren“, erklärt er. Dass Barber früh aufs Eis kam, war wenig überraschend. Sein kanadischer Vater Don hat in den 1980er- und 1990er-Jahren mehr als 100 Spiele in der NHL bestritten, ein Jahr nach dessen Karriereende kam Riley in Pittsburgh zur Welt. Seine Mutter Stacy arbeitete als Eiskunstlauftrainerin und stand täglich stundenlang auf dem Eis, Riley, das älteste von drei Kindern, nahm sie jeden Tag mit in die Eishalle. Die Eltern gaben ihm früh das Motto „Ohne Fleiß, kein Preis“ auf seinen sportlichen Weg mit. Je erfolgreicher man sein wolle, desto härter müsse man arbeiten, predigte ihm Mutter Stacy. Deshalb trainierte er schon als Zehnjähriger auch abseits des Eises fleißig – und schuf da die Grundlage für seine wohl größte sportliche Stärke: seinen Schuss. Der junge Riley schoss dabei nicht mit den normalen Scheiben, sondern mit schwereren Pucks. „Das hat den Unterschied gemacht“, erzählt Barber heute.
Philipp Krauß, der in den ersten Saisonspielen in einer Angriffslinie mit Barber auflief, erzählt, dass Barbers Schuss in den ersten gemeinsamen Trainingseinheiten „direkt“ auffiel. Dazu komme die Erfahrung, die der 31-Jährige ausstrahle: „Er weiß, in welchen Situationen er draufgehen muss und wann es Ruhe braucht.“ Regan attestiert Barber, über das „Torjäger-Gen“ zu verfügen. Dass er Rechtsschütze sei, mache ihn noch wertvoller, betont der Sportdirektor. An seinem Schuss arbeitet Barber auch im Alter von 31 Jahren noch. Am Dienstag stand beim ERC ein freiwilliges Eistraining auf dem Programm, in erster Linie gedacht für die jüngeren Spieler. Barber war auch da, feilte an seinem Abschluss – und ärgerte sich über jeden Schuss, der nicht ins Tor ging.
Am Freitag bekommen es die Straubing Tigers, die mit dem Selbstvertrauen von fünf Siegen in Serie nach Ingolstadt kommen (16.30 Uhr), mit Barbers Schuss zu tun, am Sonntag gastiert der ERC beim aktuell strauchelnden Meister in Berlin (14 Uhr). Barbers Schläger darf in beiden Fällen wieder mit einem Kuss rechnen.