Es ist ein ganz einfaches Nudelrestaurant, mit dem Regisseur Ryusuke Hamaguchi in seinem Film „Evil Does Not Exist“ klarmacht, worum es geht: Die Nudeln werden traditionell mit Wasser aus einer Quelle in der Gegend gekocht. Doch die Abwässer einer Glamping-Anlage könnten die Quelle verschmutzen. Hier steht also einiges auf dem Spiel: die Wasserqualität, die Udon-Nudeln, das Restaurant, das ruhige, traditionsbewusste, ländliche Leben, das die Figuren in Hamaguchis Film führen.
„Evil Does Not Exist“ ist nur eines der unzähligen Beispiele für das besondere Verhältnis zum Essen und Kochen, das man im japanischen Kino finden kann – sowohl in Realfilmen als auch in den Animes. Im sozialen Netzwerk Tumblr gab es sogar eigene Blogs, die Bilder von Gerichten aus Anime-Filmen gesammelt haben. Höchste Zeit also, Rezepte aus dem japanischen Kino mal koordiniert zusammenzutragen. Die Autorin Sachiyo Harada hat für ihr Kochbuch „Cuisine on Screen“ sechzig klassische japanische Rezepte aus dreißig Filmen zusammengetragen.
Misosuppen, Tonkatsu oder Curry
Die Rezepte sind tatsächlich allesamt Klassiker der japanischen Küche. Nach einem kurzen Kapitel mit Basics (wie man japanischen Reis kocht und Dashi zaubert, die japanische Brühe, die Basis für viele Suppen ist) geht es richtig los: Teigtaschen und Frittiertes, Suppen und Eintöpfe sowie Fisch, Fleisch, Gemüse und natürlich Desserts bekommen jeweils ein eigenes Kapitel. Dabei fährt Harada wirklich Klassiker der japanischen Küche auf: Ramen und Misosuppen; das klassische panierte Schweinekotelett Tonkatsu oder – tatsächlich auch eines der japanischen Nationalgerichte – Curry.
„Cuisine on Screen“ ist ein Kochbuch, das vor allem die Basics der japanischen Küche liefert. Wer die schon kennt und tiefgreifende Neuentdeckungen oder Spezialitäten aus den verschiedenen Regionen erwartet, der wird hier eher enttäuscht werden. „Cuisine on Screen“ ist vor allem ein gutes Buch für Einsteiger in die japanische Küche.
Und natürlich ist es ein Buch für Filmfans. Auch hier gilt: Wer Tiefschürfendes erwartet, für den ist das nicht das richtige Buch. Genau wie die Rezepte ist auch die Filmauswahl eher ein guter Ausgangspunkt, um japanisches Kino zu entdecken. Die bekanntesten Kinowerke, die Harada für ihr Buch als Rahmen ausgewählt hat, sind wahrscheinlich die Animes von Hayao Miyazaki, der gleich mit mehreren Filmen vertreten ist: „Chihiros Reise ins Zauberland“ und „Mein Nachbar Totoro“ sind absolute Klassiker des japanischen Zeichentrick-Kinos und genießen diesen Status auch im Westen. Bei den Realfilmen hält Harada eine Mischung aus Klassikern, die vor allem für Nichtcineasten interessant sind, etwa Yasujirō Ozus „Der Geschmack von grünem Tee über Reis“; und modernem japanischem Feelgood-Kino wie Jun’ichi Moris Doppelfilm „Little Forest“ oder die Serie „Samurai Gourmet“. Die Liste lädt zu Entdeckungen ein.
Allerdings: Die Idee, die Gerichte über einzelne Filme einzuführen gelingt nicht so ganz. Beide Elemente, die Kulinarik und das Kino, sind eher lose miteinander verbunden und Haradas Texte zu den Filmen lesen sich vielmehr wie oberflächliche Filmtipps denn wie tiefergehende Auseinandersetzungen mit der Rolle des Essens in den jeweiligen Filmen. Das ist schade, aber Haradas Buch ist – trotz der großformatigen Standbilder aus den Filmen – eben kein Coffeetablebuch für Film-Nerds (obwohl die sich sicherlich darüber freuen würden), sondern vor allem ein Kochbuch.
Und als Kochbuch funktioniert es dann wiederum auch sehr gut. Die übersichtliche Gestaltung ist perfekt für den Einsatz in der Küche: Jedes Rezept nimmt eine Doppelseite ein, links ein ganzseitiges Foto, rechts das Rezept, in übersichtliche, klare Schritte gegliedert. Dass die Fotos (von David Bonnier, Styling: Sarah Vasseghi) selten Motive aus den Filmen aufnehmen, ist ein bisschen schade – eine straffere Gestaltung hätte aus dem Buch vielleicht eine rundere Sache gemacht. So ist „Cuisine on Screen“ vor allem ein gelungenes Kochbuch für Klassiker der japanischen Küche und eine kleine Einstiegshilfe für alle, die sich an japanisches Kino heranwagen wollen.