Die Preisaufgabe, die es im Vatikan zu lösen galt, lässt sich so beschreiben: Wie kann eine Pyramide zu einer WG werden, ohne ihre Spitze zu verlieren? Eine Weltsynode mit Bischöfen und Katholiken ohne geistliches Amt hat darüber beraten, auf welche Weise das Von-oben-nach-unten-Durchregieren und das Alle-dürfen-Mitreden unter einen Hut zu bringen sind.
Dabei sollte die Hierarchie gewahrt bleiben: An der Spitze der Papst, es folgen von oben nach unten Bischöfe, Priester und Laien. Eine Reform ist hier überfällig. In ihrer absolutistischen Form ist diese Pyramide theologisch überholt und in demokratischen Gesellschaften nicht mehr zukunftsfähig.
Aber wie viel Demokratie braucht die katholische Kirche, damit sie auch im 21. Jahrhundert eine Heimstätte für mündige Christen sein kann? Und wie viel Demokratie verträgt sie, ohne ihren Markenkern zu verlieren? Zu diesem gehört, das macht die Sache kompliziert, im Gegensatz zur evangelischen Kirche eben auch ihre hierarchische Struktur.
Abgrenzung zu Demokratie und Parlamentarismus
Es sprechen gute Gründe dafür, demokratische Elemente aus der Politik nicht eins zu eins auf die katholische Kirche wie auf Religionsgemeinschaften überhaupt zu übertragen. Man muss dabei gar nicht zuerst die Theologie bemühen. Die Unterschiede liegen auf der Hand: Veränderungen brauchen deutlich mehr Zeit, es geht, jedenfalls im Kern, um Glaubensüberzeugungen und persönliche Entscheidungen; Streit ist unerwünscht, und Kompromisse in der Sache sind schwieriger.
Aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass demokratische Entscheidungen ein Wirken des Heiligen Geistes per se ausschließen. Auch die katholische Kirche könnte mehr Demokratie wagen. Zumal seltener wirkliche Glaubensfragen zur Debatte stehen, als oft behauptet wird. Aber auch das unterscheidet die Kirche von der Politik: Was eine Glaubensfrage ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Für die einen geht es dabei um die Dreifaltigkeit Gottes, für die anderen darum, ob Frauen Priester werden können.
Verklärung der frühen Kirche
Für eine weitere Öffnung gegenüber demokratischen Elementen müsste sich die Kirche jedoch von Zerrbildern dieser Regierungsform verabschieden. Der Papst – wie auch manche Bischöfe – haben keine hohe Meinung von der Demokratie, negative Erfahrungen in Lateinamerika haben ihn geprägt.
Franziskus erweckt den Eindruck, Demokratie sei die Tyrannei einer Mehrheit, der nichts heilig sei, und eine große Schlammschlacht. Dagegen verklärt er die Bischofsversammlungen der frühen Kirche in völlig ahistorischer Weise zu harmonischen Stuhlkreisen und stellt sie als Vorbild für heute hin.
Aber auch manche Vertreter des „Synodalen Weges“ in Deutschland haben ein Zerrbild der Demokratie propagiert: Sie klangen mitunter so, als wollten sie eine Art katholische Räterepublik einführen, in der jeder mit jedem auf Augenhöhe über alles berät und entscheidet. Das ist ebenso kontraproduktiv. Nur ein unvoreingenommener Blick auf die Demokratie könnte neue Spielräume eröffnen. Aber davon ist Franziskus weit entfernt. Das hat die Weltsynode aufs Neue gezeigt, vor allem sein Umgang mit Frauen.
Franziskus missachtet seine eigenen Forderungen
Schon im Frühjahr strich er das Thema von der Tagesordnung, obwohl der Gesprächsbedarf hier offenkundig besonders groß ist. Dabei ging es nur um Beratungen, nicht einmal um Entscheidungen. Franziskus missachtet damit einmal mehr eklatant jene Spielregeln, deren Befolgung er von anderen fordert: Die Bischöfe sollen nicht mehr selbstherrlich schalten und walten, sondern sich beraten lassen und Rechenschaft über ihr Tun ablegen, aber er selbst würgt Konsultationen ab, wenn er die Zeit noch nicht für „reif“ erachtet.
Immerhin: Die Bischöfe haben gezeigt, dass sie nicht bereit sind, sich von Franziskus in Sachen „Frauen“ das Wort verbieten zu lassen. Aber das ändert wenig daran, dass die Weltsynode konfliktscheu war.
Statt theologische Debatten über kontroverse Themen zu führen, zogen sich die Teilnehmer in die spirituelle Wohlfühlzone zurück. Konkrete Ergebnisse gab es kaum. Dafür aber umso mehr gruppentherapeutische Erfolgsmeldungen: Man habe gelernt, einander in aller Unterschiedlichkeit zu akzeptieren, war in Rom oft zu hören. Mehr habe man nicht erwarten dürfen, es gehe ja nicht zu wie in der Politik.
Aber das ist zu wenig, wenn 350 Spitzenvertreter aus allen Kontinenten nach einem dreijährigen weltweiten Beratungsprozess vier Wochen lang im Vatikan zusammenkommen. Da darf man auch von der katholischen Kirche mehr erwarten.