In Berlin bleibt Merz vorerst von Kritik verschont

Die Entscheidung in Brüssel, der Ukraine mit europäischen Schulden statt mit den eingefrorenen russischen Milliarden zu helfen, führte am Freitag sofort zu einer Debatte in Berlin. Zunächst wurde breit anerkannt, dass man überhaupt einen Weg gefunden hat, dem angegriffenen Land die geplante Hilfe von zweimal 45 Milliarden Euro zu geben.

Der Einsatz von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wurde vielfach gelobt. Aber dass es trotz der Entschlossenheit des deutschen Regierungschefs nicht zu einer europäischen Einigung kam, das eingefrorene Geld der Russen zu nutzen, rief Kritik hervor.

Dass es nicht nur in seiner schwarz-roten Koalition, sondern auch bei den oppositionellen Grünen nach wie vor einen breiten Konsens gibt, die Ukraine weiter in ihrem Abwehrkampf gegen Russland zu unterstützen, macht es Merz leichter, die Entscheidung für Schulden zuhause zu verteidigen. Es wird ihm auch nicht unterstellt, in Brüssel zu wenig Entschlossenheit gezeigt zu haben. Die ersten Reaktionen aus den eigenen Reihen und denjenigen des sozialdemokratischen Koalitionspartners waren jedenfalls konstruktiv. Vielleicht auch zur Wahrung der Weihnachtsruhe.

Röttgen lobt Merz

Norbert Röttgen (CDU), der für die Außenpolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, hob hervor, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sich dafür entschieden hätten, die Verteidigung der Ukraine für zwei weitere Jahre zu finanzieren. „Das ist sehr positiv, für die Ukraine und für die europäische Sicherheit. Es ist vor allem ein Verdienst des deutschen Kanzlers Merz, der für dieses Ziel ins Risiko gegangen ist und neue Dynamik in den Prozess gebracht hat.“

Dann kommt das Aber: Dass dies nun durch die Blockade einzelner Staaten zunächst durch europäische Schulden auf Kosten der eigenen Bürger anstatt mittels des Vermögens des Aggressorstaates geschehen soll, sei „leider“ abermals Ausdruck europäischer Schwäche. „Den Willen zur Selbstbehauptung auch gegenüber den USA bringt die notwendige Mehrheit der europäischen Staaten nicht auf.“

Jürgen Hardt (CDU), der außenpolitische Sprecher der Fraktion, lobte, die Ukrainer wüssten jetzt, dass sie auch mit finanzieller Rückendeckung Europas in die „schwierigen Verhandlungen der nächsten Wochen“ gingen. Sollten sie ein Verhandlungsergebnis nicht akzeptieren können, weil sie es als Kapitulation empfänden, könnten sie den Abwehrkampf gegen die russische Invasion mit starken Finanzmitteln aus der EU und von bilateralen Partnern wie Deutschland fortsetzen, um eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen, sagte Hardt der F.A.Z. „Dass es in Brüssel nicht gelungen ist, für die EU-Finanzierung als Goldrandlösung die russischen Vermögenswerte direkt zu beleihen, ist bedauerlich. Das Ergebnis der Verhandlungen ist dennoch überzeugend.“

Unterstützung aus der Jungen Gruppe

Auch aus der Jungen Gruppe, die Merz in jüngster Zeit so hart kritisiert hatte, weil er im Rentenstreit ihrer Meinung nach zu nachgiebig gegenüber der ausgabenfreudigen SPD gewesen sei, bekam der Kanzler am Freitag Unterstützung. So sagte der CDU-Außenpolitiker Johannes Volkmann der F.A.Z.: „Entscheidend ist, dass die Ukraine sich nun mittelfristig weiter verteidigen können wird. Ohne den Einsatz des Bundeskanzlers wäre es nicht zu dieser historischen europäischen Einigung gekommen.“

Vom Koalitionspartner erhielt der Kanzler ebenfalls Zustimmung. Der Finanzminister und SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte, Russland müsse am Ende für die Zerstörung durch den Angriffskrieg bezahlen. Die russischen Vermögenswerte blieben eingefroren, die Finanzierung der Verteidigung der Ukraine sei für die nächsten zwei Jahre abgesichert. Das sei das Entscheidende an der Einigung, die „gut und pragmatisch“ sei.

Klingbeil fügte hinzu: „Sie verringert auch Risiken einer direkten Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte.“ Das hört sich wie ein Hinweis auf die finanziellen Unwägbarkeiten an, die eine Nutzung der russischen Vermögen hätte bedeuten können. Ein Finanzminister muss in dieser Hinsicht vielleicht noch sensibler sein als ein Kanzler.

Sogar von der grünen Opposition, die eng an der Seite der Ukraine steht, kam neben dem Bedauern, dass es nicht zur europäischen Geschlossenheit gereicht habe, der Kommentar, dass die Ukraine erstmal erleichtert sein könne. Katharina Dröge, eine der beiden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, sagte dem Deutschlandfunk, sie bedauere sehr, dass sich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Wunsch, die russischen Gelder zu nutzen, nicht hätten durchsetzen können. „Ich habe beiden gewünscht, dass sie Erfolg gehabt hätten.“