Immobilienkredite im Wandel
Geht die Digitalisierung in der Baufinanzierung auf Kosten guter Beratung?
19.11.2024, 08:55 Uhr
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Warum sollte man Unterlagen in Papierform an die Bank senden, wenn diese am Ende digital erfasst werden? Hier ist die Digitalisierung wirklich sinnvoll. Offen ist hingegen, welche Effekte die Technikoffensive auf die Beratung und Betreuung von Kunden hat.
Was die Digitalisierung angeht, gibt es in Deutschland in vielen Bereichen massiven Nachholbedarf. Um sich ihren Kunden als fortschrittlich präsentieren zu können, starten Banken und Vermittler derzeit eine wahre Technik-Offensive: Statt mühsam Unterlagen per Post anzufordern, lassen sich Grundbuchinformationen und die Flurkarte inzwischen digital einholen. Auch die Übermittlung umfangreicher Teilungserklärungen und sonstiger Beleihungsunterlagen erfolgt idealerweise nicht mehr per Post, sondern per Schnittstelle. Die Vorbereitung für den eigentlichen Vertragsschluss wird dadurch bequemer, keine Frage.
Doch macht das alleine schon eine gute Baufinanzierung aus?
Zumindest auf Anbieterseite scheint man davon überzeugt zu sein. So postete etwa Jana Heeg-Rupprecht von der HypoVereinsbank kürzlich auf LinkedIn: „Eine nahtlose Integration von Online- und Offline-Erlebnissen wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Dies erfordert ein Umdenken und den Einsatz neuer Technologien wie KI und Automatisierung.“
Entsprechend bietet etwa FINCRM ein spezielles Tool für Baufinanzierungsvermittler, das viele Arbeitsabläufe automatisiert und Unterlagen digital aufbereitet, um alle Abläufe und Verbindungen zu Banken möglichst automatisiert vornehmen zu können.
Man kann sicher darüber streiten, wie sinnvoll dieses Vorgehen ist, wenn es am Ende der Prüfungskette nach wie vor Banken gibt, die digitale Dokumente noch nicht digital verarbeiten können. Und der Darlehensvertrag wird in Deutschland immer noch in Papierform versandt und unterschrieben – pro Vertrag sind das nicht selten mehr als 50 Seiten.
Vorsprung durch Technik und gute Beratung
Wir von der FMH-Finanzberatung glauben ohnehin, dass technischer Fortschritt alleine noch lange keine gute Baufinanzierung ausmacht. Natürlich ist es angenehm, wenn man online die Ratenzahlungen anpassen, Darlehensveränderungen vornehmen oder Anschlussdarlehen abschließen kann. Auch der beste Zinssatz lässt sich online bequem über Vergleichsportale herausfinden.
Wie eine KI die Beratung im Bereich der Baufinanzierung wirklich voranbringen soll, erschließt sich uns allerdings nicht. Denn aus jahrzehntelanger Erfahrung wissen wir, dass es bei der Baufinanzierung um deutlich mehr geht als um eine bequeme Verwaltung und schnöde Zahlen. Beide Faktoren sind zwar extrem wichtig. Aber ein professioneller Vermittler oder Berater sollte trotzdem mehr draufhaben, als aus einem Fundus von 300 oder 400 Banken ein Angebot mit dem passenden Zinssatz und digitaler Vertragsverwaltung herauszufiltern.
Stattdessen erkennt man einen guten Baufinanzierungsvermittler vor allem daran, ob und in welchem Ausmaß er sich auch nach der Unterschrift unter den Vertrag für seine Kunden einsetzt – also dann, wenn er seine Provision bereits erhalten hat.
Baufinanzierungen laufen länger als viele Ehen halten
Weil Kunden das im Vorfeld nicht erfragen können, hat die FMH damit begonnen, Vermittler nicht nur an den Zinsen zu messen, sondern auch die Qualität der Dienstleistung bis zur Vertragsunterschrift zu bewerten – und auch noch danach.
Eine Baufinanzierung läuft in der Regel zwischen 20 und 35 Jahre – oder sogar länger. In dieser Zeit kann sich viel ändern.
• Familienverhältnisse (zum Beispiel Heirat, Scheidung, Kinder)
• Berufliche Situation (Jobwechsel, Gehaltsschwankungen)
• Finanzielle Bedürfnisse (zum Beispiel Studienfinanzierung, Renovierungen)
All diese Entwicklungen beeinflussen die finanzielle Lage eines Kunden und damit auch die Baufinanzierung. Ein guter Vermittler sollte deshalb dauerhaft an der Seite seiner Kunden stehen – nicht nur bis zur Vertragsunterzeichnung.
Absurderweise wird der persönliche Kontakt gerade in Zeiten der Digitalisierung immer wichtiger. Denn inzwischen haben nur noch die wenigsten Menschen ihren angestammten Bankberater. Stattdessen wird mit Chatbots oder Call-Centern kommuniziert. Dort aber gibt es, wenn überhaupt, meist nur Lösungen von der Stange.
Geprüfte Qualität
Um herauszufinden, wo Kunden diese wichtigen Services finden, hat die FMH-Finanzberatung eine großangelegte Initiative gestartet, bei der sie Baufinanzierungsvermittler vor Ort befragt, testet und ihr Angebot intensiv durchleuchtet. Wer die Prüfung besteht, erhält ein Zertifikat über besonders gute Kundenorientierung.
Das soll nicht heißen, dass wir uns nicht für die digitale Unterlagenzusammenstellung und Weiterleitung begeistern können – sie ist auch Bestandteil der Vermittlerprüfung. Wir fordern aber dennoch eine langfristige kundenorientierte Kundenbetreuung.
Deshalb freut es uns sehr, dass die Liste der geprüften Vermittler immer länger wird und diese Entwicklung (hoffentlich) bald den Rest der Branche animiert, ein Zertifikat zu nutzen, um ihren Kunden ab dem ersten Kontakt zu signalisieren: „Ich unterscheide mich von der großen Masse der Vermittler und biete – auch und gerade in Zeiten der Digitalisierung – eine Beratung, die diesen Namen wirklich verdient.“
Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.