Im Meer vor den Balearen: Leichen gefunden, an Händen und Füßen gefesselt – Panorama

Es war der Beginn einer rätselhaften Serie: Die erste Leiche im Meer rund um die Balearen tauchte vor einem Monat auf. Am 18. Mai entdeckte die Crew einer belgischen Segelyacht einen leblosen Körper im Gewässer westlich der Insel Formentera.

Der Tote trug eine orangefarbene Schwimmweste, war jedoch an Händen und Füßen gefesselt. Ein zu Hilfe gerufenes Schiff der Guardia Civil barg die Leiche und brachte sie für gerichtsmedizinische Untersuchungen nach Formentera, berichteten die Zeitung Diario de Mallorca und ihr deutschsprachiges Schwesterblatt Mallorca Zeitung. Demnach wurden in den vergangenen Wochen mindestens vier weitere Leichen in ähnlichem Zustand in den Gewässern rund um die Balearen aufgefunden. Alle waren an Händen und Füßen gefesselt.

Die Guardia Civil hat eine umfassende Untersuchung eingeleitet, deren Ergebnis allerdings noch ausstehe, betonten Sicherheitskreise am Montag. Doch der Verdacht liegt nahe, dass die Todesopfer Migranten waren, die mutmaßlich von Menschenhändlern ermordet wurden. Womöglich wurden sie lebend über Bord geworfen und ertranken.

Insgesamt wurden seit Jahresbeginn mehr als 30 Leichen im Meer rund um die Balearen entdeckt, zuletzt am 4. Juni vor der Bucht Cala Jondal auf Ibiza. Die meisten der Toten sind wohl Opfer von Bootsunglücken. Doch die gefesselten Leichen sind kaum mit einem Unfalltod erklärbar, eher mit einem Serienmord.

Neue Flüchtlingsroute von Somalia über die nordafrikanische Küste auf die Balearen

Erst in der vergangenen Woche hatte die spanische Migranten-Hilfsorganisation CEAR über eine neue Flüchtlingsroute berichtet, die von Somalia zur Küste Nordafrikas führe, von wo aus die Flüchtenden versuchen, die Balearen mit Booten zu erreichen. Auf dieser Route seien insbesondere Minderjährige unterwegs, die große Gefahr laufen, auf ihrer teils mehrmonatigen Reise ausgebeutet zu werden.

Neben den knapp 47 000 Migranten, die im vergangenen Jahr über die sogenannte Atlantikroute Spanien erreicht haben, wächst auch die Zahl derjenigen, die versuchen, das spanische Hoheitsgebiet von der Küste Nordafrikas aus anzusteuern.

Von dort, meist aus Algerien, kamen im vergangenen Jahr etwa 5900 Migranten auf den Balearen an – eine Steigerung von mehr als 150 Prozent gegenüber dem Jahr 2023. Offiziellen Daten zufolge haben in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits 2700 Menschen diese Route genommen.

Die konservative Balearen-Regierungschefin fordert ein Ende des „Gutmenschentums“

Allein am vergangenen Wochenende landeten 344 Menschen in rund 20 Booten auf den Balearen. Da die Zahl der Flüchtenden üblicherweise in der zweiten Jahreshälfte ansteigt, dürfte die Gesamtzahl der Migranten, die zu den Balearen streben, in diesem Jahr einen neuen Rekord erreichen. Nicht alle der Ankommenden sind übrigens Afrikaner. Auch Menschen aus Asien versuchen, über Somalia den Weg nach Europa zu finden. Die Zahl der Migranten, die auf dieser Route ums Leben kommen, liege um ein Vielfaches höher als die Zahl der aufgefundenen Leichen, warnen Flüchtlingsorganisationen wie Caminando Fronteras.

Nachdem am Montag die polizeiliche Untersuchung der gefesselten Leichen bekannt wurde, sprach der Vertreter der Madrider Zentralregierung auf den Balearen, Alfonso Rodríguez, von einem „Migrantendrama“. Die Präsidentin der Regionalregierung der Balearen, Marga Prohens, bezeichnete die Leichenfunde als „schaurig“. Die Politikerin der konservativen Partei Partido Popular forderte von Spaniens links-sozialistischer Regierung eine „effizientere“ Migrationspolitik und eine stärkere Sicherung der Grenzen. Es brauche eine harte Hand im Kampf gegen die Menschenhändler-Mafias – und ein Ende des „Gutmenschentums“ auf den Inseln.