Im Dorotheum: Fotografie auf der Resterampe

Man kennt das von Ebay: Bis Sekunden vor Schluss steht das eigene Gebot für ein exklusives Waschbecken an der Spitze, aber im letzten Moment der Auktion wird man überboten, weil irgendwer aus dem Hinterhalt eine gehörige Summe draufgelegt hat – und es trotzdem noch billig bekommt. Tschüss, Noblesse, hallo, Baumarkt. Nun sind Fotografien vielleicht etwas anderes als Objekte fürs Badezimmer, und das ehrwürdige Wiener Auktionshaus Dorotheum wird man nicht mit Ebay vergleichen wollen. Doch wie dort bis zum 15. Dezember um 14 Uhr die „Photographic Treasures from Daniel Blau Gallery“ online versteigert werden, macht den Eindruck eines Verkaufs von der Resterampe herunter.

Ab vierzig Euro

Das liegt einerseits am Angebot, das zum großen Teil aus Agenturmaterial besteht, von denen manche Bilder zwar aus den Telegraphendateien des berühmten Kriegsfotografen Robert Capa entstanden sind, von denen Nachtaufnahmen aus New York dem legendären Paparazzo Weegee hingegen nur zugeschrieben werden. Es liegt andererseits und vor allem: an den Preisen. Für zwei Daguerreotypien im kleinen Format des Engländers Richard Beard liegt der Einstiegspreis bei je 40 Euro. Ein Salzpapierabzug des Tors der Kathedrale von Chartres, aufgenommen von Henri Le Secq im Jahr 1848, beginnt bei 100 Euro. Ebenfalls mindestens 100 Euro soll Margaret Bourke-Whites Luftaufnahme der zerbombten Münchener Innenstadt vom Mai 1945 kosten – ist aber schon bei 120 Euro angelangt. Für Alfred Stieglitz’ Autochrome des jungen Mädchens Kitty am Frühstückstisch haben sich binnen einer Nacht zwei Bieter vom Minimumgebot 600 Euro sogar auf 3000 Euro nach oben geschaukelt, was 300 Euro über der Taxe von 1600 bis 2500 Euro liegt, währenddessen eine der beiden Daguerreotypien erst auf 42 Euro gestiegen ist.

Hat seine Galerie geschlossen: Daniel Blau
Hat seine Galerie geschlossen: Daniel BlauPicture Alliance

Für die Mehrzahl der 144 Lose liegen noch gar keine Angebote vor. Aber fast alle werden beobachtet, wie an den Zahlen hinter dem Symbol eines weit geöffneten Auges zu erkennen ist. Natürlich kann niemand sagen, wie es weitergeht. Aber worüber man jetzt schon streiten kann, ist die Frage, ob Daniel Blau, der seine Galerie nach 35 Jahren in diesem Frühjahr geschlossen hat, um sich ganz auf das Management seines Vaters, des Malers Georg Baselitz, zu konzentrieren, der Fotografie mit dieser Auktion einen Bärendienst leistet, oder ob er den Markt öffnet für eine neue, junge Gruppe von Sammlern.

Die mögen mit noch so interessiertem Blick etwa auf der Paris Photo entlang Hunderter Kojen gelaufen sein, mit Blick auf ihr Konto aber auf Käufe verzichtet haben. Daniel Blau hatte dort im vorigen Jahr buchstäblich himmlische Fotografien gezeigt, allerdings auch zu astronomischen Preisen. Nun erwartet er für Pressematerial der NASA wiederum oft nur Minimumgebote von 100 Euro, darunter der Start der Trägerrakete der Apollo 11 zum Mond oder der Blick aus der Raumkapsel auf die Erde – als blaue Kugel im Schwarz des Universums.

„We are struggling“, hatte erst vor wenigen Wochen auf der Paris Photo Tim Jeffrey von der Galerie Hamilton’s mit britischer Reserviertheit gestanden. Andere berichteten im Nachhinein von guten Verkäufen. Daniel Blau hatte schon nicht mehr teilgenommen. Für einen Fall wie diesen, dass nämlich nun womöglich zum Spottpreis zu haben ist, was damals ein kleines Vermögen kosten sollte, hätten Broker an der Börse ihre eindeutige Losung: nachkaufen!