Hyrox Race Frankfurt 2025: Ein Freudenfest der Kampfmaschinen

Die riesige Halle hat sich  in einen verschlungenen Parcours aus Laufwegen und Rennstrecke, Brücken und Emporen verwandelt, durchsetzt von diversen Trimm-dich-, nein eher Quäl-dich-Flächen. Die laute, schnelle, beatlastige Musik übertönt das Seufzen und Stöhnen der Athletinnen, aber die Anfeuerungen und Aufmunterungen von der Seite der mitgereisten Unterstützer sind deutlich zu hören. Und den Jubel, wenn sie die kleine Rampe zur Bühne hinaufstürmen und den Zielstrich erreichen.

„Määäri and Määäri“, ruft der Moderator in sein Mikrofon als Marie Reinhard und Marie Hermanns Hand in Hand dort hinauf stürmen. Strahlend, schwer atmend, stolz und schweißgebadet versinken sie in einer innigen Umarmung. Auf der großen Anzeigetafel über ihnen erscheinen ihre Namen, zwei Deutschland-Fahnen – vor ihnen sind ein französisches und britisches Duo ins Ziel gekommen – sowie ihre Zielzeit. Nach den beiden Maries tritt ein belgisches Zweierteam an, das vom hautengen, knallroten Outfit über die weißen Schuhe bis zum Haarband in den Nationalfarben identisch gekleidet ist.

Die Atmosphäre: mitreißend. Der erste Eindruck: irgendetwas zwischen kollektivem Körperkult und der reinen Lehre der Bewegungsfreude. Es ist Freitagmittag, Tag eins von drei, in dem die Halle 3.1 der Frankfurter Messe vollgepackt ist mit Medizinbällen, Hanteln, Sandsäcken, Ruderergometern und einem unaufhörlichen Strom von Sportlerinnen auf der Laufstrecke. Es ist Zeit für die Kategorie Hyrox Women Doubles.

Erfinder war Hockey-Olympiasieger

Hyrox – was manchem vermutlich (noch) gar nichts sagt, ist eine global angesagte Fitnessbewegung. Eine, die ein abwechslungs- wie aktionsreiches Hin und Her zwischen Laufen und acht Kraftübungen beinhaltet. Eine, die die flüchtige Bezeichnung „Fitnesstrend“ schon überwunden hat, weil weltweit Tausende nach ihrer Lehre trainieren und sie bei ihren rasch ausverkauften Wettkämpfen Hallen füllt. Eine, die weiter rasant wächst, weil sie augenscheinlich den Nerv der Zeit trifft.

Ersonnen und clever vermarktet wurde Hyrox von zwei Hamburgern, einer von ihnen ist der zweimalige Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste. In der vergangenen Saison traten weltweit rund 600.000 Aktive in 90 Wettkämpfen an, in der aktuellen sollen es in 23 Ländern deutlich über eine Million werden. In Frankfurt sollen von Freitag bis Sonntag in den Einzel-, Team-, Amateur- und Profiklassen nochmal rund 12.000 dazukommen.

Die beiden Kasselerinnen Marie Reinhard und Marie Hermanns sitzen nach ihrem Wettkampf in der „Recovery Zone“ auf Fahrrädern, strampeln sich die Anstrengung entspannt aus den Körpern. „Ich mache seit einem Jahr Hyrox und habe fast alle meine Freundinnen überredet, mitzumachen“, erzählt die 30 Jahre alte Reinhard. „Ich liebe den Teamgeist, der dabei entsteht und das Gefühl, sich gemeinsam ans Limit zu pushen.“ Für sie war das Rennen in der Messehalle ihr zweiter Wettkampf, ihre Freundin Hermanns erlebt in Frankfurt ihre Wettkampf-Premiere. 230 Euro haben sie bezahlt, um sich über anderthalb Stunden in der standardisierten Abfolge um die Wette  auszupowern.

Volle Kraft voraus: In Frankfurt wie hier in Hongkong ist eine der Hyrox-Herausforderungen, einen schweren Schlitten zu schieben.
Volle Kraft voraus: In Frankfurt wie hier in Hongkong ist eine der Hyrox-Herausforderungen, einen schweren Schlitten zu schieben.EPA

Vor der hochintensiven Kraft(ausdauer)übungen müssen die Athletinnen einen ein Kilometer langen Lauf einlegen, das sind zwei Runden durch die Messehalle. Als erste Übung folgt dann „Ski-Erg“, an zwei Seilzügen wird der Stockeinsatz beim Skilanglauf simuliert. Bei der zweiten gilt es, einen mit Gewichten beladenen Schlitten über Teppichboden zu drücken, gefolgt von der Herausforderung, diesen an einem dicken Tau zu ziehen. Bei manchen Hyroxerinnen bewegt sich das eiserne Ungetüm nur zentimeterweise voran, andere bewegen den Schlitten schier leichtgängig.

Alle Übungen haben gemein, dass sie nicht isolierte Muskeln beanspruchen, sondern dass das funktionelle Training auf ganze Muskelgruppen zielt. An den ersten drei Stationen beispielsweise auf Rumpf, Arme und Schultern. Als Vierte wartet eine bei vielen gefürchtete Aufgabe: Liegestützsprünge (Burpee Broad Jumps). Auf einer Strecke von 80 Metern: Sprung nach vorne, ganz auf den Bauch ablegen, aufstehen, wieder ein Sprung nach vorn. „Danach brennt fast der ganze Körper. Und das Laufen nach den Burpees ist richtig hart“, sagt Marie Hermanns. Sie lacht. Das körperliche Limit zu erkunden,  scheint irgendwie auch Freude zu machen.

An Station fünf steht eine lange Reihe von Ruder-Ergometern. 1000 Meter müssen absolviert werden. Haltestelle sechs des Parcours lautet: „Kettlebell Farmers Carry“ – über 200 Meter in jeder Hand eine Kugelhantel transportieren. Viele Frauen, wie auch Marie Reinhard und Marie Hermanns vereinbaren vorher genau, wer wie viel Wegstrecke bis zum Wechsel übernimmt. „Während die eine leidet, kann die andere Kraft schöpfen“, sagt Reinhard. Aber klar, manchmal müsse man sich auch spontan abwechseln, wenn die Partnerin nicht mehr kann.

Die letzten Stationen sind echte Kraftkiller

Bei Station sieben („Sandbag Lunges“) demonstrieren viele Teilnehmerinnen, was Teamwork unter Höchstbelastung bedeutet. Ausfallschritte (bei jedem muss das Knie den Boden berühren) mit einem zehn Kilogramm schweren Sandsack auf den Schultern, sind ein Kraft-Killer für die Oberschenkel. Zumal bei einer Strecke von 100 Metern. Rücken an Rücken stellen sich viele der schwer atmenden Duos, um den Sandsack auf die Schultern der Partnerin rutschen zu lassen. Etliche Helfer sind zugleich Schiedsrichter und achten auf die korrekte Ausführung der Übungen, verteilen gegebenenfalls Strafzeiten, die auf die Zielzeit addiert werden.

„Mega, du Maschine“, ruf eine Mittfünfzigerin ihrer etwa gleichaltrigen Partnerin nach Station sieben zu, als diese sich voller Laktat auf die nächste Laufrunde machen. „Weiter, weiter, weiter, es ist bald geschafft!“

Hyroxer sind im Schnitt etwa 35 Jahre alt, gut die Hälfte der Teilnehmer bei den Events sind Frauen. Die Hamburger Erfinder werben damit, dass etwa 98 Prozent aller Athleten das Tagesziel erreichen. Sowieso hat niemand das Gefühl, gerade Letzter zu sein, weil schubweise gestartet wird und permanent Athleten ins Ziel kommen oder gerade ins Rennen gehen. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass die Teilnehmerinnen nicht zu verbissen, sondern oft genug auch lachend und sich anfeuernd daherkommen und auf den Laufrunden auch mal plaudern.

In der Frankfurter Messehalle sieht man bei den Women Doubles viele ultrafitte Frauen, aber auch weniger fitte und welche, die es noch werden wollen. Hautenge Tops und das Gesäß besonders betonende sogenannte Scrunch Leggins dominieren. Bei den Männern starten viele Teilnehmer gleich ganz oben ohne. Hyrox bietet gute Fotomotive für all jene, die sich in den sozialen Medien sportlich darstellen wollen.

„In unserem Gym in Kassel haben wir einen vollen Wettkampf simulieren können. Mit einem Trainer, der uns Tipps gegeben hat“, erzählt Marie Reinhard. Immer mehr Fitnessstudios springen auf den Hyrox-Zug auf und zahlen eine Lizenzgebühr dafür, dass sie den modernen Fitness-Achtkampf anbieten dürfen.

Dessen Station acht („Wall-Balls“) löscht auf jeden Fall die letzten Kraftreserven aus: Ein Medizinball muss gegen einen etwa drei Meter hoch befestigten Auslöser an der Wand geworfen werden. 100 Mal. Bei jedem Wurf müssen zudem die Beine um mehr als 90 Grad gebeugt werden. Danach sind es nur noch ein paar Meter bis zur Rampe hoch auf die Bühne ins Ziel. Zeit für eine Umarmung, schweißgebadet.