Bereits vor dem Eintreffen des extrem gefährlichen Hurrikans Melissa sind auf Jamaika starke Winde zu spüren. Die Menschen wurden dringend aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Der Wirbelsturm der höchsten Kategorie 5 zog mit einer Windgeschwindigkeit von im Innern 295 Kilometern pro Stunde auf den Süden der Karibikinsel zu, wie das US-Hurrikanzentrum NHC in Miami mitteilte.
Er könnte als stärkster Hurrikan auf Jamaika treffen, der seit Beginn der systematischen Aufzeichnung im Jahr 1851 über dem Karibikstaat je registriert wurde. Das UN-Nothilfebüro OCHA sprach von einem „Jahrhundertsturm“.
„Dies ist die letzte Chance, Ihr Leben zu schützen!“, schrieb das Hurrikanzentrum auf der Plattform X. Das Hurrikanzentrum empfahl den Menschen, sich in Innenräume ohne Fenster zu begeben, sich mit einer Matratze zu bedecken oder einen Helm zu tragen. „Das Beste, was Sie machen können, ist, so viele Wände wie möglich zwischen sich und die Außenwelt zu bringen“, hieß es.
Seit Stunden warten die Menschen auf Jamaika auf die Ankunft des Hurrikans, doch der lässt sich Zeit. Er bewege sich mit nur sieben Kilometern pro Stunde vorwärts, teilte das US-Hurrikanzentrum mit. „Der Begriff, den ich verwenden möchte, ist psychologischer Marathon“, sagte Michael Taylor, Klimawissenschaftler und Professor an der University of the West Indies in der Hauptstadt Kingston, dem US-Sender CNN. „Schon bevor der Sturm kam, waren wir erschöpft.“
Da sich der Hurrikan so langsam bewege, werde er sehr viel Regen mit sich bringen, sagte Taylor. Auch die Gefahr von Sturmfluten und Erdrutschen sei größer – insbesondere, weil Jamaika ein bergiges Landesinnere habe. Langsam ziehende Hurrikans gelten als besonders zerstörerisch, weil sie länger über einer Region verweilen. „Ein langsames Tempo bedeutet, dass Gemeinden tagelang statt nur stundenlang unerbittlichen Starkregen ertragen müssen“, teilte die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in Genf mit.
Die Folgen des Sturms könnten „möglicherweise beispiellos“ für das Land mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern sein, hatte das Rote Kreuz zuvor mitgeteilt, da Jamaika noch nie zuvor von einem Wirbelsturm solcher Stärke getroffen worden sei. Auch Regierungschef Andrew Holness rechnet mit schweren Schäden. „In dieser Region gibt es keine Infrastruktur, die einem Hurrikan der Kategorie 5 standhalten kann“, sagte er am Montag auf einer Pressekonferenz.

Den Vorhersagen zufolge wird Melissa Jamaika von der Südküste bis zur Nordküste durchqueren. Meteorologen des NHC gehen an der Südküste von vereinzelt bis zu vier Meter hohen Sturmfluten aus. Wegen des erwarteten starken Regenfalls auf der Insel ist demnach zudem mit „katastrophalen Überschwemmungen“ und „zahlreichen Erdstürzen“ zu rechnen. Später werde Melissa ebenfalls als „starker Hurrikan“ über den Südosten Kubas ziehen, hieß es vom NHC. Am Mittwoch werde der Hurrikan dann die Bahamas erreichen.
Melissa hatte sich in den vergangenen Tagen über der Karibik zu einem extrem gefährlichen Hurrikan entwickelt. In Haiti und der Dominikanischen Republik kamen nach heftigen Regenfällen mindestens vier Menschen ums Leben. In Jamaika wurden bei den Vorbereitungen auf den Sturm nach Angaben des Gesundheitsministeriums drei Menschen beim Fällen von Bäumen getötet.
Der Flughafen in Kingston wurde geschlossen, schon jetzt gibt es Stromausfälle
Für Jamaika, die östlichen kubanischen Provinzen Granma, Santiago de Cuba, Guantánamo und Holguín sowie für Teile der Bahamas wurde eine Hurrikan-Warnung herausgegeben. Für die Turks- und Caicosinseln gilt eine Vorwarnung.
Vor Erreichen des Festlandes sorgte Melissa bereits für Stromausfälle, nachdem umstürzende Bäume Stromleitungen beschädigt hatten. Mehr als 50 000 Anschlüsse waren nach Angaben des Energieministeriums ohne Elektrizität. Jamaikas Regierungschef ordnete Evakuierungen für mehrere Ortschaften an und rief die gesamte Bevölkerung dazu auf, möglichst zu Hause zu bleiben und den Anweisungen der Behörden zu folgen. Der Flughafen von Kingston wurde geschlossen.
Tropische Wirbelstürme entstehen über warmem Ozeanwasser. Die zunehmende Erderwärmung erhöht Experten zufolge die Wahrscheinlichkeit starker Stürme. Die Hurrikansaison beginnt im Atlantik am 1. Juni und dauert bis zum 30. November.
