
Hunderttausende Demonstranten haben sich am Samstag in Belgrad zu einer Großdemonstration gegen Korruption und gegen die serbische Regierung versammelt. Drohnenaufnahmen mehrerer serbischer Medien zeigten langgezogene Straßenzüge der Belgrader Innenstadt voller Menschen.
Teilnehmer waren aus dem ganzen Land in die Hauptstadt gereist; schon Stunden vor Beginn der Demonstration waren Tausende auf den Straßen. Weil gleichzeitig Anhänger der Regierung mobil machen wollten, wurden gewaltsame Zusammenstöße befürchtet.
Rund 31.000 Personen hatten sich laut Innenministerium bereits am Freitagabend in Belgrad versammelt, um die Ankunft der Demonstranten zu feiern. „Ganz Serbien hat sich aufgelehnt, das erlebt man nicht alle Tage. Ich glaube, das ist das Ende des Regimes“, sagte ein Teilnehmer.
Auch Unterstützer der Regierung von Präsident Aleksandar Vučić waren vor der Demonstration bereits in Belgrad, darunter Ultranationalisten, Mitglieder militanter Gruppen und mutmaßliche Hooligans, die in der Nähe des Parlaments Barrikaden aufbauten. Dort versammelten sich die Demonstranten am Samstagnachmittag zu Beginn ihres Protestes, der bis zum Abend dauern sollte. Regierungsanhänger bauten auch Zelte vor dem Präsidialamt auf.

EU und UN hatten die Regierung in Belgrad schon im Vorfeld dazu aufgerufen, das Demonstrationsrecht zu respektieren und Gewalt zu vermeiden. Studentenverbände riefen in Onlinemedien dazu auf, „ruhig und verantwortungsvoll“ zu demonstrieren. „Das Ziel der Bewegung ist es nicht, in Institutionen einzudringen oder diejenigen anzugreifen, die anders denken als wir“, hieß es. „Diese Bewegung darf nicht missbraucht werden.“
Die von Studenten angeführten Proteste hatten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad am 1. November begonnen, bei dem 15 Menschen ums Leben gekommen waren. Das Unglück befeuerte die Wut über die Korruption in Serbien, die Proteste richten sich inzwischen zunehmend gegen Vučićs Regierung. Über Monate kam es seither im ganzen Land zu großen Protesten.
Vor Beginn hielten Teilnehmer um 11.52 Uhr, dem Zeitpunkt des Unglücks in Novi Sad, eine fünfzehnminütige Mahnwache für die Opfer ab. Landwirte, Studenten und andere Zivilisten standen entlang der Demonstrationsstrecke in Belgrad. „Wir sind gekommen, um Gerechtigkeit zu erreichen“, sagte eine Studentin.
„Wir werden alles in unsere Macht stehende tun, um die Demonstration abzusichern“, hatte Präsident Vučić am Freitagabend gesagt. Gleichzeitig drohte er, als Präsident werde er nicht zulassen, „dass die Straße die Regeln diktiert“. Er hob hervor: „Nur um das klar zu machen, ich lasse mich nicht unter Druck setzen.“
Regierungsangaben zufolge waren bereits am Freitag sechs Aktivisten festgenommen worden. Sie stünden im Verdacht, „Aktionen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und die Sicherheit in Serbien“ geplant zu haben.