HSV: So wurde der Hamburger Klub vom Sanierungsfall zum Vorzeige-Verein

Der HSV ist schuldenfrei und peilt einen Umsatzrekord an. Der einst hoch verschuldete Klub kann wieder positiv in die Zukunft blicken. Während andere Klubs wie Schalke oder Hertha in der 2. Liga finanziell straucheln, gesundete der HSV. Das hat maßgeblich mit einem Mann zu tun.

Die Mitarbeiter des HSV können sich im Juli auf eine Extra-Zahlung freuen. 1000 Euro Sonderprämie überweist der Klub den Angestellten als Anerkennung für die aktuell anfallende Mehrarbeit rund um den Aufstieg, den Veranstaltungssommer mit Konzerten im Stadion (u. a. Ed Sheeran) und die Jahresbilanz. Anschubprämie als Motivation, Dankesgeste und gleichzeitig ein Symbol dafür, dass es beim HSV aktuell auch finanziell ziemlich gut läuft.

Der Klub, der in der Vergangenheit als Sanierungsfall galt und zwischen 2010 und 2021 elf Jahre lang zusammen mehr als 80 Millionen Euro Minus machte, ist ausgerechnet in der 2. Liga gesundet. Vorstand Eric Huwer verkündete die beste Nachricht auf der Mitgliederversammlung: Der HSV ist schuldenfrei. Die Netto-Finanzverbindlichkeiten (alle Schulden aufgerechnet gegen die liquiden Mittel) sind abgearbeitet. 2017 waren es noch 74 Millionen Euro Netto-Schulden. So spart der HSV auch Millionen an Kreditzinsen.

Doch wie haben Huwer und der HSV das geschafft – während andere Klubs wie Schalke oder Hertha in der 2. Liga finanziell straucheln?

„Mein strategisches Zielbild war es immer, den HSV vom kurzfristigen sportlichen Erfolg zu emanzipieren. Die daraus abgeleiteten strategischen Handlungsfelder haben wir vor gut zwei Jahren erarbeitet“, erklärt Huwer. Für volle Kassen sorgen weniger Transfer-Erlöse oder besonders hohe TV-Gelder, sondern die Einnahmen aus Karten-Verkauf, Sponsoring und Hospitality oder Merchandising. In der abgelaufenen Saison nahm der Klub rund 20 Millionen Euro mit Fan-Artikeln ein. Ein Ziel, das man eigentlich erst 2027 erreichen wollte. Das Stadion ist immer voll (Zuschauer-Rekord von 56.324 pro Spiel, Rekordauslastung im VIP-Bereich) und auch im Sommer mit zahlreichen Konzerten ausgebucht.

„Der HSV hatte nie ein Einnahme-Problem“

„Wir haben eine Identität geschaffen und sicher auch vom Trend profitiert, dass die Leute nach Corona so zahlreich ins Stadion gekommen sind“, sagt Huwer. Der Klub beschäftigt inzwischen mehr als zehn Mitarbeiter für Fan-Kultur, um die Anhänger noch besser anzusprechen. Im Merchandising baute er dagegen Personal ab und ließ das Sortiment so umstellen, dass man die Artikel auch im Alltag besser tragen kann. „Der HSV hatte nie ein Einnahme-Problem, wir haben an der Wirksamkeit der Umsätze gearbeitet. Bei der Rentabilität unserer Fan-Artikel sind wir Nummer eins in Deutschland.“ Gleichzeitig gewann die Abteilung einen Nachhaltigkeitspreis der DFL.

Das Geld sprudelt weiter: Der Umsatz in der abgelaufenen Saison liegt bei rund 125 Millionen Euro. Und gerade verkaufte der Verein ab der jetzt beginnenden Saison bis 2028 die Namensrechte an der Arena an Investor Klaus-Michael Kühne, der 4,5 Millionen pro Jahr zahlt und den Namen Volksparkstadion dabei erhält.

Als Huwer 2014 zum HSV kam, sah die Situation noch anders aus. „Ich habe den HSV in allen Aggregatzuständen erlebt“, sagt der promovierte Sport-Manager: „Rund um das Jahr 2015 lag die schwerste Zeit. Es ging nur um kurzfristig verfügbares Cash. Die Lizenz hat gewackelt, 2015 wurden die Unterlagen verspätet eingereicht und es gab eine Strafzahlung an die DFL. Wir haben in den Verträgen bei den Zahlungszielen um jede Woche gekämpft. Das war entwürdigend für den HSV.“

Erst langsam erholte sich der Klub, Huwer wurde unter Ex-Finanz-Boss Frank Wettstein immer wichtiger. Ende 2021 sollte er dann Vorstand werden, eine Vorstellungs-Pressekonferenz an Heiligabend wurde kurzfristig verschoben – und zwei Wochen später wurde nicht Huwer neuer Boss, sondern der windige Aufsichtsrat und Anteilseigner Thomas Wüstefeld beförderte sich selbst auf den Posten.

„Beim entscheidenden Gespräch und der Information, wie die Lösung letztlich aussehen soll, war ich sehr überrascht. Natürlich kamen mir auch Alternativen in den Kopf, aber der HSV ist auch für mich mehr als ein Arbeitgeber“, sagt Huwer heute. Der 41-Jährige blieb, bereitete die Finanzierung der Stadion-Modernisierungen für die EM 2024 vor – und folgte ein Jahr später auf Wüstefeld als Vorstand. Inzwischen ist seine Stimme unter den DFL-Klubs sehr respektiert.

Der gebürtige Saarländer, der in der Jugend wie Vorstandskollege Stefan Kuntz für Borussia Neunkirchen spielte, orientiert sich bei seiner Arbeit an Managern wie Axel Hellmann (Frankfurt) oder Klaus Filbry (Bremen), die einen Traditionsklub geduldig und stabil führen. Bis zu viermal die Woche geht er morgens mit Sportdirektor Claus Costa zum Trainieren in den Fitness-Bereich der Profis. Im September will er für einige Tage an die Elite-Uni Harvard und in einem Weiterbildungs-Programm von internationalen Klubs und Sport-Organisationen lernen.

Beim Catering ist der HSV „einer spannendsten Partner in Europa“

„Wir als HSV wollen jeden Tag die Wahrscheinlichkeit für sportlichen Erfolg erhöhen, das bedingt vor allem für mich, jeden Tag besser werden zu müssen, um die nächsten strategischen Meilensteine zu erreichen. Nach vielen Jahren des Reagierens sind wir jetzt vor der Welle und können agieren. Ich habe den geilsten Job der Welt und ein großartiges ambitioniertes Team hier beim HSV“, sagt Huwer, der seinen Vertrag im Vorjahr bis 2029 verlängerte und viel vorhat.

Bis 2030 wollte der Verein die Umsatzmarke von 180 Millionen Euro pro Jahr knacken. „Wenn es so weitergeht, kann es sein, dass es schneller geht und wir bald auf den Meilenstein von 200 Millionen Euro zusteuern.“ Ein Groß-Projekt auf dem Weg dorthin ist das Stadion-Catering, das ab dieser Saison für bis zu 20 Millionen Euro modernisiert und zeitgemäß aufgestellt wird. Huwer: „Wir merken in den Gesprächen mit den marktführenden Stadioncaterern, dass wir bei diesem Thema einer der spannendsten Partner in Europa sind.“

Für Investitionen wie diese wird demnächst mit dem Supporters Trust auch eine Genossenschaft eingeführt, in der Mitglieder Anteile kaufen können und die einen weiteren Millionenbetrag einbringen könnte. Huwer: „Wir wollen auch hier unseren eigenen Weg gehen. Diese Kapitalzuwendungen wollen wir nicht zuvorderst in die Mannschaft, sondern in Projekte stecken, die uns langfristig mehr Identität und Erlöse bringen – und damit Schritt für Schritt und nachhaltig unsere Ambitionen erhöhen.“