Horror-Comedy „Cannibal Mukbang“: Menschen werden gegessen, aber nach ethischen Kriterien

Mukbang, ursprünglich koreanisch: das Verspeisen von Mahlzeiten vor laufender Kamera, von der Influencerin oder dem Influencerin dabei gerne, soweit das Essen es zulässt, live kommentiert. Oder das Ganze wird nur als Sound-Genuss rezipiert. Ash (April Consalo) ist eine Mukbang-Influencerin.

Mitten in der Nacht fährt sie einen etwa gleichaltrigen Mann namens Mark (Nate Wise), den sie kurz davor in einem Supermarkt traf, mit ihrem Auto fast über den Haufen. Er erwacht dann bei ihr. Man kommt ins Gespräch. Sein Job: Telefondienst für Kunden eines Essenslieferdienstes. Also selbe Branche, zumindest so ungefähr. Beginn einer wunderbaren Freundschaft, wenn nicht Liebe. Und die geht durch den Magen.

Mark ist ein ziemlicher Nerd, sehr unsicher gerade im Umgang mit Frauen. Entschuldigt sich ständig. Wegen eines Unfalls als Kind hat er eine Metallplatte im Schädel, weshalb Ash ihn zärtlich „Hirnschaden“ nennt. Er hat einen Bruder, der sein Gegenteil ist: präpotent, vulgär, Frauenheld, jedenfalls sieht er sich so; für den kleinen Bruder und dessen Zurückhaltung hat er vor allem Verachtung übrig.

Ash und Mark kommen sich nach und nach näher. Und näher. Gekuschel in einer Bettenburg wie die Kinder. Mark träumt von ihr, auch wenn er sich in diesem Traum, erster sehr irritierender Moment, auf ihren Wunsch hin mit einem Messer die Nase abtrennt. Sex aber haben sie fürs Erste noch nicht.

Er ist nicht der Erste, den Ash sich mundfertig macht. Und auch nicht der Letzte.

Erstes Date im etwas nobleren Restaurant. Das läuft aus dem Ruder, als ein Fremder den Laden betritt, mit dem Ash das Essen fortsetzen will. Sie schickt Mark davon, der beobachtet, wie der Fremde nach dem Verlassen des Lokals zudringlich wird. Aber Ash weiß sich zu helfen, bricht ihm den Arm, beißt ihm was ab, Mark eilt dazu, gemeinsam bringen sie den Mann zu Ash.

Die DVD

„Cannibal Mukbang“ (USA 2023, Regie: Aimee Kuge). Den Film gibt es im Bluray+DVD-Mediabook ab rund 35 Euro.

Da wird er dann nach allen Regeln der Kunst blutig zerteilt, filetiert und verspeist. Recht schnell wird klar: Nicht der Erste, den Ash sich mundfertig macht. Und auch nicht der Letzte. Mark ist, bei aller Liebe, ein wenig verunsichert, muss aber zugeben, dass es ihm schmeckt.

Alles liebevoll handgemacht präpariert

Als Opfer wählt Ash, sie ist eine Cannibal-Vigilante, ausschließlich übelste Täter: Missbraucher, Vergewaltiger, Mörder. Im Hintergrund ein Trauma; sie und ihre Schwester wurden entführt, vergewaltigt, die Schwester kam dabei ums Leben. Die japanisch-amerikanische Regisseurin Aimee Kuge sortiert ihr Debüt ganz eindeutig ins Genre feministisch inspirierter Revenge.

Sie hat dabei aber verdächtig viel Freude am Gore, zum Glück und mit Fleiß. An der Wand hängt mal ein Poster des Horrormeisters George A. Romero. Die Leichenteile, auch abgebissene Ohren und so weiter, sind alle liebevoll handgemacht präpariert, hier kam wenig bis nichts Digitales zum Einsatz.

Sehr schnell begreift man: Kuge weiß ganz genau, was sie tut. Trotz wenig Budget und Amateur-Indie-Spirit ist alles, sind Maske, Kamera, Schnitt, die angenehm hinterhältige Musik von Alex Cuervo, sind auch die beiden No-Name-Darsteller*innen erfreulich professionell, wenn auch, das gehört dazu, alles andere als perfekt. Irgendwo zwischen fast zärtlicher Liebesgeschichte und alles andere als zärtlichem Kannibalen-Horror trifft der Film einen sehr eigenen Ton.

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Die Vibes erinnern dabei durchaus an Klassiker wie etwa Stephanie Rothmans Siebziger-Exploitation „The Velvet Vampire“. Der Film ist ab 18, einerseits klar wegen Gore. Andererseits ist in „Cannibal Mukbang“ vor allem die Künstlichkeit echt. Nichts daran ist dümmlich ironisch, dafür alles genrebewusst und gewitzt. Und zum Schluss kommt Kuge aus der Sache tatsächlich auch noch ziemlich schlau raus. Mehr davon, bitte.