Hochhausquartier Four: Vertikale Stadt belebt die Frankfurter City

Ein Supermarkt ist der neue Star. Edeka-Kaufmann Jafar Graf hatte am Donnerstag die Ehre, das erste Geschäft im Hochhausquartier Four in der Frankfurter Innenstadt zu eröffnen. Das Viertel kennen die meisten, die hier nicht wohnen oder arbeiten, bisher nur vom Vorbeifahren. Das aufblasbare gelbe Edeka-Männchen, das bei der Eröffnung in der frischen Novemberluft zittert, ist auch als Signal zu verstehen: Sieben Jahre nach dem Beginn der Bauarbeiten und zwei Jahre nach dem Richtfest für eines der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte in Frankfurt geht es richtig los: Aus allen Richtungen strömen am ersten Verkaufstag Angestellte und Bauarbeiter zum Supermarkt im Erdgeschoss von Turm 2, in dem viele fleißige Hände Gemüse und Obst schnippeln.

Das Four liegt mitten im Bankenviertel, auf dem früher kaum zugänglichen Gelände der Deutschen Bank zwischen Junghofstraße und Großer Gallusstraße. Vier Türme wurden hier in den vergangenen Jahren auf engstem Raum in die Höhe gezogen, der Projektentwickler Groß & Partner hat rund zwei Milliarden Euro investiert. Entstehen soll ein neues urbanes Stadtviertel, dessen Passagen, Höfe und Dachterrassen, Hotellobbys, Bars und Restaurants allen Frankfurtern auch jenseits der Bürozeiten offenstehen.

Bisher spielte sich das Leben vor allem in den oberen Etagen der Büro- und Wohntürme ab, die zu einem großen Teil schon genutzt werden – von Wirtschaftsunternehmen und Kanzleien wie Deka, Sanofi oder Freshfields. Die ersten Unternehmen sind bereits vor zwei Jahren eingezogen. Für die modernen Büros werden Spitzenmieten gezahlt, die in manchen Fällen 50 Euro je Quadratmeter überschreiten. Trotzdem ist die Nachfrage groß, wie Makler berichten.

Auf dem Platz vor den Hochhäusern laden Bänke zum Verweilen ein.
Auf dem Platz vor den Hochhäusern laden Bänke zum Verweilen ein.Lando Hass

Das Fünf-Sterne-Hotel Kimpton Main empfängt schon seit März Gäste, das angeschlossene Restaurant Anni ist nach der Bauhaus-Künstlerin Anni Albers benannt. Auf den Freiflächen zwischen den Türmen hingegen waren bisher nach Büroschluss nur wenige Menschen unterwegs – sieht man von einigen Partys im vergangenen Sommer ab. Bauzäune prägten das Erscheinungsbild; man konnte sich nur schwer vorstellen, dass es hier einmal trubeliger zugehen könnte.

Großes Interesse bei Mietern

„Bisher fehlte vielen die Vorstellungskraft“, sagt Felix Münch, Gruppenleiter Projektentwicklung bei Groß & Partner. Er ist überzeugt, dass das öffentliche Leben Fahrt aufnimmt, nachdem nun der erste Laden geöffnet hat. Alles in allem entstehen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Goetheplatz Gebäude mit 213.000 Quadratmeter Fläche. Davon entfallen 10.000 Quadratmeter auf Einzelhandel, Gastronomie, Lifestyle und Dienstleistung. Die Makler, die bei der Vermarktung helfen, haben, wie Münch deutlich macht, nur wenig Grund zum Klagen. Der Großteil der Handels- und Gastroflächen sei bereits vermietet, reserviert oder man befinde sich in abschließenden Verhandlungen. „Wir sind in der komfortablen Lage, sogar Interessenten absagen zu müssen“, sagt er.

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Die meisten Geschäftsflächen befinden sich in den Erdgeschossen der Hochhäuser entlang der „Fashion Avenue“, wie die Passage zwischen dem zentralen Quartiersplatz an der Großen Gallusstraße und Turm 3 an der Junghofstraße heißt. Die größtenteils noch nicht eröffnete Gastronomie mit Namen wie Big Mama, Lazuli und Greco (ein Restaurant in der 6. Etage von Turm 2) dominiert. Größte Fläche ist eine zweigeschossige Markthalle im Sockelgebäude an der Junghofstraße mit 18 gastronomischen Konzepten, darunter auch viele Anbieter aus der Region, wie Münch hervorhebt.

Noch vor Weihnachten werde das Juweliergeschäft Diamonds Factory eröffnen, bei Feinkost Meyer werde es voraussichtlich Februar oder März. „Es hat leichte Verzögerungen gegeben“, sagt Gregor Meyer. „Unser Team freut sich schon sehr.“ Auch ein Prime-Fitnessstudio und der Londoner Herrenausstatter Hackett, der im Erdgeschoss sein Konzept Mode plus Barbershop umsetzen wird, stehen als Mieter fest. Ärzte und eine Kita soll es ebenfalls geben. Und auf dem Platz vor den Hochhäusern laden jetzt Bänke zum Verweilen ein.

Exklusiv: Ausblick aus einer der Eigentumswohnungen im Turm 3.
Exklusiv: Ausblick aus einer der Eigentumswohnungen im Turm 3.Lucas Bäuml

Ein Stück weiter oben herrscht eine exklusive Atmosphäre. Im dritthöchsten der vier Türme, dem 120 Meter hohen T3 mit 29 Stockwerken, sind neben dem Kimpton-Hotel 240 Eigentumswohnungen entstanden. Mehr als 170 davon sind mittlerweile verkauft und an die Eigentümer übergeben. Wer dort wohnen will, findet noch Angebote: Eine rund 100 Quadratmeter große Wohnung im 25. Stock wird für 2,77 Millionen Euro angeboten. Allein das monatlich zu entrichtende Hausgeld liegt bei rund 1200 Euro. Das sind Beträge, die an kaum einer anderen Stelle in Frankfurt aufgerufen werden. Im Preis inbegriffen ist ein unverbaubarer Ausblick auf die Alte Oper und bis in den Taunus.

Concierge besorgt sogar Fußballtickets

In den vergangenen Monaten wurden die Wohnungen nach und nach bezogen. Wegen des begrenzten Platzes und der Aufzugkapazitäten müssen solche Umzüge sorgfältig koordiniert werden. Der Concierge, der in einem schicken Foyer sitzt, das sich hinter einem repräsentativen Eingang an der Junghofstraße befindet, hat ein Auge darauf. Früher sind dort die Mitarbeiter der Deutschen Bank ein und aus gegangen, das Vorgängergebäude aus den Fünfzigerjahren stand unter Denkmalschutz. Erhalten blieb nur die Fassade. Sie wurde während der Bauarbeiten eingelagert und später wieder an der ursprünglichen Stelle angebracht. Der Naturstein steht im Kontrast zur Stahl-Glas-Fassade des Hochhauses.

Am Tresen im Foyer hat Concierge Leonardo Boates im Blick, wer den Wohnturm betritt.
Am Tresen im Foyer hat Concierge Leonardo Boates im Blick, wer den Wohnturm betritt.Lucas Bäuml

„Es ist ein sehr schönes Gebäude“, sagt Leonardo Boates, leitender Concierge bei der RAS-Group, die den Turm betreut. Er und seine Kollegen sind täglich von 6 bis 22 Uhr für die Bewohner ansprechbar, beobachten, wer ein und aus geht. Sie kümmern sich um technische Probleme, nehmen Pakete entgegen oder vermitteln Dienstleistungen – von der Reinigung bis zur Restaurantreservierung. Selbst Tickets für begehrte Fußballspiele kann der Concierge organisieren. Aber auch um alltägliche Dinge sollen sich die Eigentümer der Luxuswohnungen nicht kümmern müssen. Wenn gewünscht, dann stehen abends frische Blumen auf dem Tisch. „Ich will, dass die Bewohner das Gefühl haben, zu Hause zu sein“, sagt Boates. Es ist ein wenig wie in einem erstklassigen Hotel.

Nicht nur ein Ort für Millionäre

Insgesamt sollen im Quartier Four einmal bis zu 1500 Menschen wohnen. Es werden nicht nur Millionäre sein, denn es gibt auch Wohnungen, für die kein so großer Geldbeutel nötig ist. Im 178 Meter hohen Turm T3 entstehen rund 360 Mietwohnungen; 78 davon sind mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gefördert und werden deshalb zu günstigen Kaltmieten angeboten. Die Nebenkosten sind aber auch in diesen Fällen hochhausbedingt hoch.

Der T3 ist der letzte der vier Türme, der seine volle Höhe erreicht hat. Derzeit läuft der Innenausbau, die Fertigstellung ist für Mitte 2026 geplant. Neben den Wohnungen wird es dort ein hotelähnliches Boarding House für längere Aufenthalte der Marke Hyatt House geben.

Als „vertikale Stadt“ wird das von dem niederländischen Architekturbüro UN Studio entworfene Quartier häufig bezeichnet. Man wolle „weg von der anonymen Hochhausschlucht“, sagt Frankfurters Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD). Es stecke eine klare Idee hinter dem Konzept. Angestrebt werde eine belebte Mischnutzung. Die Hochhäuser sollen ein „guter Nachbar“ sein. Dieses Konzept wird man allerdings erst im nächsten Jahr erleben können, wenn der öffentlich zugängliche Dachgarten auf dem Sockelgebäude eröffnet wird. Dann ergeben sich zusätzliche Freiräume inmitten der Bebauung. Erst dann wird sich abschließend beurteilen lassen, ob das Ziel, in Frankfurts Zentrum ein belebtes Stadtquartier der neuen Art zu schaffen, erreicht worden ist.