Es gehört seit Jahren zur Marke, dass die Herrschinger Volleyballer augenzwinkernd mit ihrer Herkunft kokettieren: mit Lederhosen-Trikots, bayerischem Liedgut oder Saisonabschlussfeiern im Kloster Andechs. Am Ammersee sind sie daheim, auch wenn es sie seit dem Ende der Corona-Jahre für die Heimspiele nach München in den BMW Park zieht. Ihre Herkunft wollten und konnten die WWK Volleys auch am Donnerstag nicht verleugnen, beim zünftigen Saisoneröffnungsabend, der erstmals im Brauhaus Herrsching stattfand, einen Steinwurf vom Ammersee entfernt. Bei schönstem Wetter zapfte Geschäftsführer Max Hauser das erste Fass an. Es wurde ihm nicht übel genommen, dass er ein paar Schläge mehr brauchte als Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter üblicherweise auf der Wiesn.
Herrschings Bürgermeister Christian Schiller gab sich die Ehre, serviert wurden Allgäuer Käsespatzen, Brauhaussalat, Wiener Schnitzel, Schweinsbraten und Spinatknödel, doch im Fokus des Abends standen vor allem die Spieler des Volleyball-Erstligisten – und Hausers Vision. So sagte der 41-Jährige: „Ich möchte eine Minute an meine Vision verschwenden.“ Diese handelte dann davon, dass die WWK Volleys auch weiterhin fünf bis sieben Spiele pro Saison in der altehrwürdigen Herrschinger Nikolaushalle austragen werden, denn: „Wir wollen unsere Region durch Deutschland tragen.“ Stichwort Identifikation mit der Heimat. Zugleich „wollen wir auch München erobern, mit dem BMW Park als Speerspitze, da wollen wir immer mehr Leute reinholen“, fügte Hauser an. Stichwort Bindung neuer Zielgruppen.
Das also sei der eine Plan Herrschings, das seit Jahren versucht, den Spagat vom Ammersee nach München zu schaffen. Auch weil die Verantwortlichen wissen, dass sich in der Nikolaushalle kein Volleyball-Event gewinnbringend vermarkten lässt. So richtig angekommen in der Großstadt ist der Klub allerdings bisher nicht.
„Wir wollen ein Kraftwerk für die deutsche Nationalmannschaft sein im Bereich junge Spieler“
Der zweite Plan: „Wir wollen ein Kraftwerk für die deutsche Nationalmannschaft sein im Bereich junge Spieler“, sagte Hauser. Mehr als 200 Talente seien schon unter dem Dach der WWK Volleys versammelt, Tendenz stark steigend. Bis die Besten unter ihnen tatsächlich bei den Profis mittrainieren können, dürfte es aber noch eine Weile dauern.
Denis Kaliberda ist einer dieser Profis – und Herrschings Königstransfer in dieser Saison. Der inzwischen 35-jährige Außenangreifer ist immerhin 202-maliger deutscher Nationalspieler, WM-Dritter von 2014 und EM-Zweiter von 2017. Auf Klubebene hat er mit Generali Haching zweimal den DVV-Pokal gewonnen, mit Berlin wurde er deutscher Meister. Außerdem spielte Kaliberda viele Jahre im Ausland, darunter sieben Spielzeiten in Italien, wo er ebenfalls Pokalsieger und Meister wurde. Was sucht einer wie Kaliberda also beim selbst ernannten „geilsten Klub der Welt“, der bislang nie über das Playoff-Viertelfinale hinauskam? „Das ist relativ simpel“, sagte Kaliberda im Herrschinger Brauhaus und nannte zwei Gründe: „Der eine ist Bob, der andere die tolle Region hier.“ Bob, das ist Thomas Ranner, Herrschings Trainer, der Kaliberda überzeugte, von Königs Wusterhausen an den Ammersee zu wechseln.
Neben Kaliberda kommen vom ASV Dachau Zuspieler Moritz Gärtner sowie die beiden Diagonalspieler Simon Gallas und Niklas Uhl. Vom SSC Karlsruhe Mittelblocker Bastian Korrek und Zuspieler Tobias Hosch, vom TSV Grafing Außenangreifer Janik Sambale und von CSU Stiinta Bukarest der kubanische Mittelblocker Bryan Avila, der nach Problemen mit dem Visum erst vor drei Tagen in Herrsching ankam.
Die Saison beginnt am 21. Oktober mit dem Derby gegen Dachau (20 Uhr, BMW Park), am 8. November kommt Düren zum Pokal-Achtelfinale in die Nikolaushalle. International starten die Herrschinger auch – ihr erstes Heimspiel im dritthöchsten europäischen Klubwettbewerb, dem Challenge-Cup, ist für den 8. Januar gegen den estnischen Vertreter Pärnu oder Tartu terminiert. Spätestens dann wissen die Volleyballer vom Ammersee, ob sich ihr folkloristischer Ansatz auch bis in die entlegensten Ecken der europäischen Landkarte herumgesprochen hat.
