Heizkosten schätzen: Was ist erlaubt? – Stil

Immer wieder kommt es vor, dass Mieter ausziehen, ohne dass bereits eine Heizkostenabrechnung vorliegt. Blöd, wenn in der Eile niemand daran gedacht hat, die Zählerstände abzulesen. Doch was dann? Dürfen die Heiz- und Warmwasserkosten einfach geschätzt werden? Und was haben die sogenannten Gradtagszahlen damit zu tun?

Zunächst ist es gut zu wissen, wie die Heiz- und Warmwasserkosten verteilt werden dürfen. Dies ist gesetzlich in der Heizkostenverordnung geregelt. „Demnach dürfen nicht alle Kosten nach dem individuellen Verbrauch abgerechnet werden, sondern nur 50 bis 70 Prozent. Der Rest bemisst sich nach der Wohnfläche des Mieters“, sagt Dietmar Wall, Rechtsanwalt beim Deutschen Mieterbund. Es gibt also zwei Kostenblöcke, die Verbrauchskosten und die Grundkosten.

Die Verbrauchskosten sind, wie der Name schon sagt, nach dem tatsächlichen Verbrauch zu ermitteln. Hier führt normalerweise kein Weg daran vorbei, die tatsächlichen Zählerstände abzulesen. „Zieht der Mieter beispielsweise Ende März aus, ist der Vermieter verpflichtet, eine Zwischenablesung vornehmen zu lassen“, sagt Wall. Geregelt ist dies in Paragraf 9b der Heizkostenverordnung.

Bei einem Mieterwechsel kann der Festkostenanteil der Warmwasserkosten zeitanteilig, also nach Monaten, berechnet werden, da dieser in der Regel nicht sonderlich schwankt. Denn geduscht wird meist gleich viel, egal ob es Januar oder August ist. Heikel sind bei einem Mieterwechsel dagegen die Heizkosten. Da spielt es schon eine Rolle, in welchem Monat der Mieter auszieht. In den Monaten Dezember, Januar und Februar wird nämlich deutlich mehr geheizt als in den anderen Monaten des Jahres. Um den Festkostenanteil der Heizkosten zu berechnen, gibt es die Gradtagszahlentabelle, die im Internet leicht zu finden ist. Diese gibt den Heizwärmebedarf in jedem Monat in Promilleanteilen an und beruht auf langjährigen Erfahrungswerten. Zieht der Mieter beispielsweise Ende März aus, hat er nur die Kosten von Januar bis März zu zahlen, wenn der Abrechnungszeitraum im Januar beginnt. Dafür werden die Promilleanteile aus der Gradtagzahlentabelle addiert. Der Mieteranteil beträgt in diesem Fallbeispiel dann 450 Promille oder 45 Prozent der Heizkosten.

Doch was gilt für den Fall, dass der Vermieter eine Zwischenablesung versäumt hat und der tatsächliche Energieverbrauch nicht ermittelt wurde? Meist ist es dann einfacher, sowohl die Verbrauchs- als auch die Grundkosten nach der Gradtagszahlentabelle zu schätzen, anstatt eine ganz neue Nebenkostenabrechnung zu erstellen. „Werden die Heizkosten komplett nach Gradtagszahlen auf Vor- und Nachmieter verteilt, weil keine Zwischenablesung berücksichtigt wurde, dürfen Mieter ihre Kosten grundsätzlich um 15 Prozent kürzen“, sagt Wall. Dies gilt auch, wenn etwa gar keine Messgeräte zur Erfassung des Energieverbrauchs vorhanden sind.

Anders sieht es aus, wenn der Mieter eine Ablesung der Energieverbrauchswerte bewusst behindert hat oder im Mietvertrag eine andere Regelung getroffen wurde. „Wenn der Mieter nie da ist oder keine Lust auf den Ablesetermin hat, kann er die Abrechnung nicht einfach kürzen, auch wenn diese unplausibel hoch ist“, sagt Wall.

Derartige Probleme mit der Abrechnung könnten allerdings bald der Vergangenheit angehören. In zahlreichen Haushalten sind bereits fernablesbare Messgeräte für den Verbrauch an Heizwärme und Warmwasser installiert worden. Vermieter und Wohnungseigentümer sind laut der Novelle der Heizkostenverordnung dazu verpflichtet, bis Ende 2026 solche modernen Geräte einzubauen, welche die Verbrauchswerte monatlich speichern und digital an den Dienstleister übertragen.

Eigentümer, in deren Gebäuden fernablesbare Geräte installiert sind, müssen ihre Mieter dann monatlich über ihren Energieverbrauch für Heizen und Warmwasser informieren. Zwischenablesungen werden also nicht mehr nötig sein. Andererseits bereitet die Umstellung auf die neue Technik vielerorts noch Probleme, sodass die Abrechnungsfirmen auf die mit fernablesbaren Messgeräten erfassten Werte oftmals gar nicht zurückgreifen können. „Für das Kürzungsrecht macht es keinen Unterschied, ob die Zwischenablesung versäumt wurde oder die Verwendung gespeicherter Werte unterbleibt“, sagt Wall. Mieter können also auch dann die Zahlung um 15 Prozent kürzen.

Ganz gerecht lassen sich die Jahreskosten auf den Vor- und Nachmieter aber meist ohnehin nicht verteilen. „Wer sparsamer ist als sein Vorgänger oder Nachfolger, wird bei einer pauschalen Berechnung immer benachteiligt“, gibt Wall zu bedenken. Am besten ist es in solchen Fällen, wenn Mieter und Vermieter eine individuelle Lösung finden, die für beide okay ist.

Die Autorin wartet noch auf ihre Abrechnung, weil’s bei der Funkablesung hakt. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))