
Mit Frittieren hat so eine Heißluftfritteuse ja nicht wirklich was zu tun. Der „Airfryer“ ist nichts anderes als ein kleiner Umluftbackofen. Dem Hype darum, der während der Pandemie richtig groß wurde, tut das bis heute keinen Abbruch. Vor allem Vorfrittiertes, wie Tiefkühl-Pommes oder das übrig gebliebene Schnitzel, wird darin in der Tat ziemlich knusprig. Wer Pommes selbst machen oder selbst panieren will, wird mit dem Airfryer dagegen nicht glücklich. Dafür gibt es unzählige andere Verwendungszwecke.
Manche garen damit Fisch auf niedriger Temperatur (top!), andere kochen Eier darin (wer’s mag), backen nicht nur einzelne Brötchen auf, sondern auch frischen Kuchen, Pizza oder Sauerteigbrot (warum nicht?). Alles ist möglich, nur die Airfryer-Schublade is the limit. Und das Ganze geht, dank der kompakten Größe und der guten Luftzirkulation, wesentlich schneller als im Backofen, noch dazu ohne Vorheizen.
Inzwischen gibt es auch Silikonformen und Backpapier nur für den Airfryer
In fast jedem dritten Haushalt in Deutschland steht bereits so ein Teil, der Markt dürfte damit einigermaßen gesättigt sein. Jetzt geht es ums Zubehör. Denn man spart zwar Strom und Öl beim Airfryen, aber das war’s dann schon mit Minimalismus. Inzwischen sind Hunderte Heißluftfritteusen-Kochbücher erschienen: vegan, vegetarisch oder zum Abnehmen, für Gäste oder von Jamie Oliver. Oder von einer großen Supermarktkette, die ihre Bücher derzeit prominent an den Kassen platziert. In die Regale dort sind in den vergangenen Monaten unzählige neue Produkte eingezogen. Nichts Innovatives, eher Altbekanntes mit neuem Etikett, einfach weil sich alles besser verkauft, wenn „Airfryer“ draufsteht.
Öl-Sprays, mit denen man Formen, Bleche, Waffeleisen und eben auch den Airfryer mit etwas Öl benetzt, gibt es schon länger. Nun aber auch Silikonformen sowie Backpapier in passender Größe, das um ein Vielfaches teurer ist als normales. Zubehör-Sets beinhalten Backpinsel und Küchenzangen, als könnte man nicht die nehmen, die ohnehin in der Schublade liegen. Und hinterher bitte nur mit „Luftfritteusen-Reiniger-Spray“ sauber machen.
Bei den Gerichten fing es an mit Airfryer-Pommes, was nichts anderes als Backofen-Pommes sind. Inzwischen konkurrieren sie mit Airfryer-Quarkbällchen und Airfryer-Tiefkühl-Pizzen. Herkömmliche Mini-Pizzen, muss man annehmen, implodieren in der Heißluftfritteuse. Airfryer-Backpulver, für „schnelles Backen“, kostet umgerechnet fast doppelt so viel wie normales. Für Huhn und Pommes wurden spezielle Panier- und Gewürzmischungen für die Zubereitung in der Heißluftfritteuse kreiert. Demnächst findet man in der Gemüseabteilung wohl auch Kartoffeln mit „Airfryer approved“-Aufkleber und Heißluft-zertifizierte Zucchini.
Es ist ein Gefühl der Zeit, dass viele Menschen sich freiwillig, wie mit kulinarischem Stockholm-Syndrom, dem Airfryer-Produktuniversum unterwerfen. Bloß nichts falsch zu machen beim Einkaufen und Essen ist für viele wichtiger als Genuss und sinnliche Erfahrung. Das erklärt auch den ungebremsten Erfolg des Thermomix, für dessen Bedienung man gar nicht mehr denken, sondern nur den Anweisungen auf dem Display folgen muss. Mit Heißluft kann man zwar nicht frittieren, aber doch kreativ sein. Und das ist doch das Schöne am Kochen: zu überlegen und auszuprobieren, zu improvisieren und anzupassen. Ohne Etikett, das einem die Erlaubnis dazu gibt.
