
Der Mann hatte sich am Strand von seiner Frau für einen kleinen Spaziergang entfernt. Noch in Sichtweite ruderte er aufgeregt mit den Armen und rief ihr zu, dass er gerade Herzbeschwerden habe und seine Medikamente bräuchte. Sie wühlte in der Tasche, fand in der Hektik die Tabletten aber nicht und hielt stattdessen eine Packung Taschentücher hoch. Als er zurückgekehrt war, hatten sich seine Symptome bereits verflüchtigt. Allein die Aussicht auf Hilfe linderte seine Beschwerden. Der Harvard-Kardiologe Bernard Lown hat diese Anekdote einmal geschildert, um die Macht positiver Erwartungen zu illustrieren. Gezielt eingesetzt, kann der Placebo-Effekt und damit der Glaube an Besserung ungeheure Wirkung entfalten.
Sich der emotionalen oder konkreten Unterstützung durch andere sicher zu sein, bewirkt offenbar ebenfalls wahre Wunderdinge. Psychologen aus Singapur und den USA zeigen im Fachmagazin Psychological Bulletin, wie günstig sich unterschiedliche Formen des Beistands auf das körperliche, seelische und soziale Wohlergehen auswirken. Die Forscher differenzieren zwischen der real bekommenen und der erwarteten Unterstützung. Letztere ist oft noch wirkungsvoller als die tatsächlich erfahrene Hilfe. Das Geschlecht spielt den Analysen zufolge kaum eine Rolle für die Wirkung, Alter und Kulturkreis hingegen schon.
Der Einfluss ist in jungen Jahren stärker ausgeprägt als im Alter
Die Metaanalyse von 604 Studien mit fast 900 000 Teilnehmern ergab, dass allein das Wissen um die Ermutigung und Rückendeckung von Eltern, Freunden oder Lehrern das körperliche Befinden der Menschen verbessert. Der Einfluss war in jungen Jahren stärker ausgeprägt als im fortgeschrittenen Alter. „Bei dem Gefühl, sozial unterstützt zu werden, gab es den größten Zusammenhang mit einer verbesserten mentalen Gesundheit und einer besseren Arbeitsleistung“, sagt GeckHong Yeo, die Erstautorin der Studie. „Das Wissen um eine solche Unterstützung ging zudem mit einer stabileren physischen Gesundheit und besserer Lernbereitschaft einher.“
Während sich das Wissen um Unterstützung und Stärkung in westlichen Kulturen vor allem positiv auf die Leistungsbereitschaft im Beruf auswirkte, zeigte sich in anderen Kulturen der größte Einfluss auf den Schulerfolg. „Wenn wir genauer identifizieren, welche Ressourcen und welche Art von Unterstützung sich am günstigsten auswirken, können wir gezielt versuchen, die mentale Gesundheit, die körperliche Gesundheit oder generell die Lebensqualität zu verbessern“, sagt Yeo.
Die beruhigende Gewissheit, Unterstützung zu bekommen und sich in der Not aufgehoben zu fühlen, ist jedoch nicht nur hilfreich, wenn sie vom individuellen Umfeld ausgeht. Das wohlige Gefühl, auf pünktliche Bahnen und Busse, soziale Absicherung, ein funktionierendes Gesundheitssystem und öffentliche Sicherheit vertrauen zu können, würde ebenfalls massiv das Wohlbefinden steigern. Um diese positive Erwartungshaltung zu stimulieren, bräuchte es allerdings vermutlich mehr, als aus der Ferne mit einer Packung Taschentücher zu wedeln.