

Wer kann Nvidia herausfordern? Das ist in diesen Tagen eine häufig diskutierte Frage in der Technologieindustrie. Nvidia beherrscht bislang das Geschäft mit Chips für Anwendungen rund um Künstliche Intelligenz (KI) und ist dank dieser bislang weitgehend unangefochtenen Position zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen. Vor einigen Wochen überschritt die Marktkapitalisierung die Schwelle von fünf Billionen Dollar.
Unter den Kandidaten, die zu ernsthaften Konkurrenten von Nvidia werden könnten, richtet sich der Blick zunehmend auf Google . Der Internetkonzern entwickelt seit einiger Zeit auch eigene Chips, die er bislang aber vor allem für interne Zwecke sowie in seinem Geschäft mit Cloud Computing eingesetzt hat. Jetzt will er offenbar verstärkt versuchen, sie direkt an andere Unternehmen zu verkaufen, so wie dies auch Nvidia tut.
Die Branchenpublikation „The Information“ berichtete in dieser Woche von Gesprächen zwischen Google und seinem Wettbewerber Meta , die dazu führen könnten, dass Meta von 2027 an in seinen Rechenzentren Google-Chips verwendet und dafür einen Milliardenbetrag bezahlt. Neben Meta soll Google auch versuchen, große Finanzunternehmen von seinen Chips zu überzeugen.
Google werbe damit vor allem damit, dass seine Chips günstiger seien als diejenigen von Nvidia. Weiter hieß es in dem Bericht, Führungskräfte von Google hätten intern suggeriert, das Unternehmen könne Nvidia zehn Prozent seines Jahresumsatzes abnehmen. Das wäre ein zweistelliger Milliardenbetrag.
Nvidia: „Eine Generation voraus“
Der Bericht hat an der Börse für Bewegung gesorgt, der Nvidia-Aktienkurs verlor am Dienstag zeitweise deutlich an Wert. Nvidia fühlte sich offenbar aufgeschreckt. In einer Stellungnahme auf der Plattform X heißt es, man sei dem Rest der Industrie „eine Generation voraus“. Nvidia-Chips seien leistungsfähiger und vielseitiger einsetzbar als die Art von Halbleitern, wie sie Google entwickelt. Wobei das Unternehmen auch darauf hinwies, es freue sich über Googles Erfolg.
Nvidia sieht sich mehreren Gruppen potentieller Wettbewerber gegenüber. Zum einen sind das traditionelle Halbleiteranbieter, und aus diesem Kreis macht derzeit Advanced Micro Devices die größten Fortschritte. Es gibt auch eine Reihe junger Start-up-Unternehmen, die sich auf KI-Chips spezialisieren. Die dritte Gruppe sind große Technologiekonzerne wie Google, Amazon, Microsoft und Meta. Sie gehören zu den wichtigsten Kunden von Nvidia, entwickeln aber auch ihre eigenen KI-Chips, unter anderem um die Abhängigkeit von Nvidia zu reduzieren.
Amazon zum Beispiel hat vor zehn Jahren einen Chipentwickler gekauft und zum Kern seiner hauseigenen Chipinitiative gemacht. Das Unternehmen hat die KI-Chips Trainium und Inferentia entwickelt und bietet sie in seiner Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS) an. Deren Kunden können darüber entscheiden, ob sie Chips von Nvidia oder von Amazon nutzen wollen. Amazon teilte mit, es gebe bislang keine Pläne, die eigenen Chips auch direkt an andere Unternehmen zu verkaufen, so wie Google das nun offenbar forcieren will.
Rüsten für die KI-Ära
Googles KI-Chips sind als „Tensor Processing Units“ oder TPUs bekannt, gerade erst kam die siebte Generation mit dem Modellnamen „Ironwood“ heraus. Das Unternehmen hat die Chips nach eigenen Angaben entwickelt, um sich damit für einen gewaltigen Bedarf an Rechenkapazitäten in der KI-Ära zu rüsten. Die Google-Chips gehören zur Kategorie „Application-Specific Integrated Circuits“ (ASIC), was bedeutet, dass sie für spezifische Rechenaufgaben konzipiert sind, wohingegen Chips, wie sie Nvidia herstellt, ein viel breiteres Spektrum von Anwendungen abdecken können.
Die ersten Versionen der Google-Chips kamen 2015 heraus, sie wurden zunächst nur für hauseigene Anwendungen genutzt. 2018 begann Google, sie über seine Cloud-Sparte auch von externen Kunden nutzen zu lassen. Erst jetzt wird offenbar versucht, sie in größerem Stil direkt zu verkaufen. In einer Stellungnahme sagte das Unternehmen, in seiner Cloud-Sparte eine beschleunigte Nachfrage sowohl nach seinen eigenen Chips als auch nach denjenigen von Nvidia zu spüren. Google werde auch weiterhin beide Chipplattformen unterstützen. Erst kürzlich hat der KI-Spezialist Anthropic angekündigt, bis zu einer Million Google-Chips nutzen zu wollen, um damit ein Gigawatt an zusätzlicher Rechenkapazität zu schaffen. Der Wert dieser Transaktion wurde auf mehrere zehn Milliarden Dollar beziffert.
Die hauseigenen KI-Chips sind nur eine von vielen KI-Initiativen, die Google verfolgt. Der Konzern hat gerade erst Gemini 3 vorgestellt, die jüngste Generation seines Sprachmodells, und ist damit in der Branche auf sehr positive Resonanz gestoßen. Gemini 3 wurde mit hauseigenen TPU-Chips trainiert. Die Gemini-App von Google hat mittlerweile 650 Millionen Nutzer im Monat, das Konkurrenzprogramm ChatGPT von Open AI kommt auf 800 Millionen Nutzer in der Woche.
Google rüstet auch seine Suchmaschine mit KI-Funktionen auf, zum Beispiel mit einem „KI-Modus“, der direkte Antworten auf Fragen liefert. Sorgen, wonach die Google-Suche im KI-Zeitalter an Bedeutung verlieren könnte, haben sich bislang nicht bestätigt. In seinem jüngsten Geschäftsquartal hat der Google-Mutterkonzern Alphabet sein Umsatzwachstum beschleunigt und erstmals einen Umsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar ausgewiesen. Der Aktienkurs ist allein in den vergangenen vier Wochen um rund 20 Prozent gestiegen, und Alphabet nähert sich mittlerweile der Schwelle von vier Billionen Dollar. Nur Nvidia und Apple sind im Moment noch wertvoller.
