
Ein weiterer Tag im Ekelprüfungslager, der mit einer krawallanfälligen Nachlese der disputrelevanten Kernaussagen des Vortages beginnt. Im Camp der Sendezeitanbeter hat sich das Hygienelevel auf dem Niveau einer Currywurstbude in Berlin-Neukölln eingependelt. Kein Wunder, dass in diesem Ambiente vornehmlich dreckige Wäsche gewaschen wird.
Edith Stehfest, findet Jörg Dahlmann, könnte sich bei Alessia Herren entschuldigen. Immerhin hatte Edith Alessia gestern inkontinentes Dauerbepinkeln der Gemeinschaftsklobrille unterstellt. Edith hat allerdings mäßiges Interesse an Deeskalationsgebärden. Sie hält lieber einen Vortrag über Diskursadressierung: „Jörg, ich bin hier, du musst nicht in der dritten Person von mir reden!“
Der selbsternannte Superlöwe Maurice Dziwak sitzt fassungslos daneben, mit einem Gesichtsausdruck, als würde er gerade denken: „Welche dritte Person meint die? Hier sind doch nur zwei!“ Zum Glück mischt sich Playboy-Schlagerhäschen Anna-Carina Woitschak ein: „Was du machst, ist gaga!„ Erneut fängt der trasherprobte Bildregisseur einen legendären Gesichtsausdruck von Maurice ein. Dieses Mal tippe ich auf den dahinter verborgenen Gedankengang: „Oh, die hat sie Lady GaGa genannt!“ Was zweifelsfrei ein Kompliment wäre für die hauptberuflich als, naja, Sängerin firmierende Edith.
Vermutlich sinniert sie über ihre Lippen. So wie der Rest der Nation
Ganz so wohlwollend war der Satz der für konstruktive Kritikansätze bekannten Anna-Carina allerdings nicht gemeint. Das müsste sogar Maurice nach ihren darauffolgenden Ausführungen erahnen können: „Ich könnte hundert Situationen nennen, wo sich alle auf die Zunge gebissen haben, weil Edith immer alles besser weiß und die Leute korrigiert.“ Das kommt gut an bei der Fangemeinde zu Hause. Anna-Carina wird zum Sprachrohr des edithüberdrüssigen IBES-Zuschauers. Der begeistert sich zwar traditionell für groteske Streitsituationen, hat aber auch Prinzipien. Wenn er Frauen sehen wollte, die ständig korrigieren und immerzu alles besser wissen, hätte er sich Sahra Wagenknecht bei Markus Lanz angesehen.

Pipi-Prinzessin Alessia, die gestern noch so wirkte, als würde sie nach ihrer Rückkehr aus Australien italienische Unterhändler beauftragen, bei Edith Stehfest mal nach dem Rechten zu sehen, sitzt den Rekapitulationsstreit weitestgehend emotionslos aus. Vermutlich sinniert sie über ihre Lippen. So wie der Rest der Nation. Denn entweder kann man sie sich im Dschungelcamp abseits der Kameras heimlich aufspritzen lassen, oder Alessia hat einen roten Edding gefunden und als Lipgloss benutzt.
Glücklicherweise erinnert sich der Drama-Beauftragte von RTL an dieser Stelle rechtzeitig an die schöne Rubrik „Briefe von zu Hause“. Irgendwann erhalten die maximal 14 Tage unter Dschungelquarantäne stehenden Beinahepromis einen Stapel handgeschriebener Liebesbekundungen ihrer Familien und verwandeln das Camp beim gegenseitigen Verlesen in ein Tränenmeer, als wäre die eigene Mutter nach 35 Jahren aus dem Koma aufgewacht. Sollte es also in den kommenden Tagen Hochwassermeldungen aus Down Under geben: Dieses Mal war es ausnahmsweise nicht der Klimawandel. Nein, jemand hat Timur seinen Brief vorgelesen.
Bill Kaulitz hatte wohl gerade kein selfietaugliches Handy parat
Alessias Brief kommt überraschend nicht vom Human Resources Team bei Aldi, sondern von ihrem Ehemann. Auch Jörg muss die Enttäuschung überspielen, dass der Briefträger ihm nichts von Sophia Thomalla mitgebracht hat. Selbst Timur Ülker muss sich mit Post von der eigenen Familie begnügen. Bill Kaulitz hatte wohl gerade kein selfietaugliches Handy parat. So bleibt die Frage ungeklärt, warum Timur seine Frau eigenen Angaben zufolge seit zwölf Jahren liebt, aber dennoch vor sieben Jahren bei „Adam sucht Eva“ nackt nach der Einen (oder wenigstens dem einen Beischlafabenteuer) gesucht hat.

Die auf buntem Briefpapier verabreichten Emotions-Booster entfalten ihre Wirkung: In einer selbst für Dr. Christian Drosten unvorhersehbaren Wendung liegen sich Edith und Anna-Carina in den Armen. Die familiären Postwurfsendungen leisten seit 18 Staffeln derartig zuverlässig ihren magischen Versöhnungsdienst – RTL sollte darüber nachdenken, mit einem Dschungel-Special die Welt zu befrieden.
Leider zeigt RTL stattdessen ausschweifende Werbeblöcke nebst umfangreichen Programmankündigungen. Stefan Raab hat während „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ mehr Sendezeit als Timur Ülker und Pierre Sanoussi-Bliss zusammen. Warum das so ist, kann selbst Maurice nicht ahnen: „In meinem Puzzle ergibt das kein Puzzleteil!“
Maurice hat eine Rolle Toilettenpapier dabei – zur Sicherheit
Weil Anna-Carina sich nach dem Briefe-Verlesen gerührt „eine Pause von Prüfungen“ nimmt und sich ausnahmsweise mal nicht selbst in die Sterne-Challenge wählt, absolvieren Maurice und Lilly sie. Um in der Arena der Ekelprüfungen die bestmögliche Leistung abrufen zu können, hat Reizdarm-Testimonial Maurice sicherheitshalber eine Rolle Toilettenpapier dabei.

Seine Prüfung mit Lilly wird trotz dieser sorgfältigen Vorbereitung zu einer Art live vorgetragenem Loriot-Sketch. Maurice steht für die Prüfung in einem Glaskasten, der sich nach und nach mit Wasser füllt. Mit ihm befinden sich dort noch einige Aale und Krebse. Schon bevor das Wasser seine Knöchel erreicht hat, brüllt er „Lilly!“ in einer Lautstärke, für die man in einem anständigen deutschen Mietshaus mindestens 58 Mahnungen wegen Ruhestörung erhalten würde. Die flehentlich herbeigebrüllte Lilly kann nicht helfen, kichert sich allerdings in einen solchen Kollaps, dass sie die Prüfung vorzeitig abbrechen muss.
Zurück am Lagerfeuer: Die Restbelegschaft ist schockirritiert, dass die beiden Prüfungsabsolventen sich lachend in den Armen liegen, obwohl sie null Sterne geholt haben. Maurice erzählt seinen Campkameraden, die Aale und Krebse seien „Schlangen und Wasserspinnen“ gewesen und ein erfolgreicher Abschluss der Prüfung somit ausgeschlossen. Die Reststars glauben ihm das nur bedingt. Oder wie Pierre es ausdrückt: „Diese Wasserspinnen waren sicher zwei Meter groß.“ Festhalten kann man nach dieser feuchtfröhlichen Prüfungsfarce nur eins: Die einzigen, die im Wasser spinnen, sind Lilly und Maurice.
Anna-Carina hatte schon über einen Abbruch nachgedacht
Viel Zeit, über den Essensentzug zu lamentieren, bleibt glücklicherweise nicht, denn auch heute schleichen sich die Dschungelmoderatoren Sonja Zietlow und Jan Köppen erbarmungslos in die Morgenroutine der Nahrungsspartaner.
Australien ist unserer Zeitzone etwa zehn Stunden voraus: Am Lagerfeuer ist es kaum sechs Uhr morgens, wenn Köppen/Zietlow hier bei uns gleichzeitig live die 20:15 Uhr der Vortagsprimetime anmoderieren. Das Vorzeige-Moderationsduo hat auch heute wieder einen Rauswurf zu verkünden. Die vorzeitigen Entlassungspapiere stellt das Votingpublikum heute auf Anna-Carina Woitschak aus, die sich aber freudig beruhigt zeigt.
Schon am Vortag hatte sie proaktiv darüber nachgedacht, ihren Dschungelaufenthalt per Rettungsruf „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ freiwillig abzubrechen. Allerdings, so will es das Regelwerkgesetz, würde RTL in diesem Fall einen Teil der Gage einbehalten. Ihr Abgang müsste daher eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten sein. Wer ihr morgen in die ewigen Jagdgründe der erfolglosen Dschungelkönig-Bewerber folgen muss, das verrate ich hier. Bis dann!