Waren Sie überrascht als letzte Woche das Kürzungspapier für Kultur durchgestochen wurde?
Eine Kürzungsankündigung, die es in den letzten 20 Jahren nicht gegeben hat, löst natürlich unglaubliche Dynamiken aus. Informationen sind teilweise nicht linear geflossen, sondern es waren schon einige Zahlen im Umlauf, bevor sie bei uns hier im Hause angekommen sind. Und trotzdem ändert das ja nichts daran, dass wir sparen und miteinander diese Ziele stemmen müssen. Aber war ich überrascht? In Teilen ja.
Der Prozess war so, dass wir schon seit geraumer Zeit in einem ganz engen Kontakt mit dem Finanzsenator standen. Wir haben hier im Haus aus kulturfachlicher Sicht gesagt, wie wir uns ein solches Kürzungsszenario vorstellen. Es war aber klar, dass in anderen Runden die Einsparziele der einzelnen Häuser global betrachtet und entsprechend bewertet werden. In Runden, an denen ich nicht selbst teilgenommen habe. Und insofern kann man sagen, dass die Kürzungen von der Spitze verabschiedet wurden, aber wir jetzt damit umgehen werden. Für die Kulturschaffenden ist es natürlich eine große Herausforderung. Es ist aber nicht so, dass keiner gewusst hätte, was für hohe Einsparziele wir vor uns haben werden.
Aber Sie haben wahrscheinlich auch eigene Vorstellungen gehabt, wie man diese Einsparziele erreichen könnte. Wenn dann so eine Fraktionsspitze autark darüber entscheidet, ist das eigentlich eine Demütigung. Hätten Sie in einer solchen Situation nicht zurücktreten müssen, um deutlich zu machen: Nicht mit mir?
Ich glaube, die Erstellung eines solchen Kürzungsplans ist ein unglaublich langwieriger, komplizierter Prozess. Man muss sich zunächst einmal darauf einigen: Was sind die Schwerpunkte? In unserer Koalition wurden die Schwerpunkte klar auf Bildung, Innere Sicherheit und auf Soziales gelegt. Diese Bereiche haben alle eine Einsparquote unter zehn Prozent. Das bedeutet aber auch, dass andere Bereiche mehr schultern müssen, in diesem Falle die Kultur. Wir hatten gehofft, dass es etwas weniger wird, aber es ist jetzt mehr geworden. Und das bedeutet für uns, dass wir dieses Mehr auch für die kommenden Jahre werden leisten müssen, dass also ganz massive strukturelle Änderungen auf uns zukommen. Und diese strukturellen Änderungen müssen wir jetzt verhandeln und mit den Häusern entsprechend umsetzen. Und ja: Die Grundlage ist die Linie, die uns von der Koalitionsspitze vorgegeben worden ist. Wir können aber auch, wenn es technische oder juristische Unwägbarkeiten gibt, gemeinsam mit den Parlamentariern entsprechende Änderungen vornehmen.
Verstehen Sie aber, dass in Berlin unter Kulturschaffenden gerade die Stimmung herrscht: Joe tut mehr für seinen CDU-Finanzminister als für uns?
Ja, das ist die aggressive Stimmung im Moment. Allerdings habe ich schon in meinem ersten Interview gesagt: „Nichts wird so bleiben, wie es ist!” Weil es völlig klar war, dass wir in eine neuartige Situation kommen. In der Vergangenheit war es so, dass wir mit vollen Händen die Gelder ausgegeben haben. Das ist eine regelrechte Mittelexplosion gewesen und man muss sich schon fragen, wie wurden die Ausgaben denn eigentlich gedeckt? Ich bin trotz der schweren Lage optimistisch, dass wir die Kultur dahin bringen können, dass sie nicht von diesen Gezeiten abhängig ist, sondern eine starke Struktur hat, um in Zukunft solche Herausforderungen besser zu meistern.
Wenn ich es richtig gehört habe, haben Sie zuletzt gesagt, ich kämpfe noch für die Kultur. Was bedeutet das konkret?
Dankenswerterweise hat der Finanzsenator im Abgeordnetenhaus offenbart, von welcher ursprünglichen Kürzungsvorgabe wir ausgegangen sind: Das waren 200 Millionen. Jetzt sind wir bei 130 Millionen. Das war schon ein Kampf, wenn man in den Hintergrundgesprächen 70 Millionen an Kürzungen für die Kultur abgewendet hat. Dort habe ich ganz klar kommuniziert, dass 200 Millionen für die Berliner Kultur nicht stemmbar sind. Zeitgleich habe ich aber versucht, der Kulturlandschaft diese Härten, die kommen werden, zu vermitteln. Wir haben zum Beispiel eine große Veranstaltung gemacht im Humboldtforum, wo alle Kulturschaffenden eingeladen waren, direkte Fragen an den Finanzsenator zu stellen. Jetzt geht es um die Frage, welche kulturpolitischen Schwerpunkte wir setzen. Was lässt sich an Sparplänen umsetzen, was lässt sich aufgrund juristischer oder technischer Vorgaben nicht umsetzen? Am heutigen Dienstag entscheidet der Senat über eine Beschlussvorlage, aber danach werden wir in enger Abstimmung mit den beiden Sprechern von der Koalition eben auch schauen: Wie können wir das ein oder andere heilen, korrigieren, in die richtigen Bahnen führen.
Das klingt nicht nach Kampf…
Kämpfen hat auch etwas damit zu tun, dass wir schauen, ob es die Möglichkeit gibt, Institutionen in eine Kreditfinanzierung zu überführen und dadurch eine Absenkung zu erreichen, die vielleicht noch mal eine gewisse Flexibilität im Haushalt erlaubt.
Das müssen Sie erklären. Spielen Sie auf die Idee „alternativer Finanzierungsmodelle” an, die Ihr Finanzminister vorgeschlagen hat – was verbirgt sich dahinter?
Dahinter steht die Frage: Gibt es Möglichkeiten, Zuwendungsempfänger weg von der Bezuschussung durch den Haushalt hin zu einer kreditfinanzierten Organisation zu führen, damit wir durch diese Entlastung, die dann dem Gesamthaushalt zugutekommt, vielleicht auch mehr Spielräume haben.
Würde das zum Beispiel heißen, dass man die kulturellen Landesbetriebe in wirtschaftlich agilere Gesellschaften umbaut, beim Theater etwa unter dem Dach einer Berliner Theaterbetriebs GmbH, die dann wiederum Kredite beim Land aufnehmen könnten?
Das ist durchaus eine Möglichkeit, über die man nachdenken kann. Aber ich hoffe, Sie verstehen, dass ich jetzt in diesem volatilen Prozess keine genaueren Details anführen kann, weil das den Prozess, der angeschoben ist, möglicherweise konterkarieren würde. Bei dem Erregungstsunami, den wir gerade erleben, ist es besser, wenn man mit solchen Ideen vorsichtig umgeht. Aber eines ist klar: Wir kommen an den Einsparsummen, die jetzt im Raum stehen nicht vorbei. Die werden auch über dieses Jahr hinaus fortgeschrieben. Und das bedeutet, dass ein Mentalitätswechsel stattfinden muss. Dieses paternalistische: „Ich halte die Hand über Euch, macht euch keine Sorgen” weicht einem Mehr an Eigenverantwortung. Einem Mehr an konkreter Auseinandersetzung mit der Frage, wie man wirtschaftlich handeln kann, um zukunftsfest zu sein.
Beschreibt das auch eine Wende vom Klaus Lederer-haften Paternalismus hin zu einer Joe Chialo-haften Start-up Mentalität?
Das ist jetzt sehr holzschnittartig gegenübergestellt, aber wir müssen uns tatsächlich die Frage stellen: Was braucht die Kultur in Zeiten knapper Kassen? Und da gibt es konkrete Lösungen, an denen wir arbeiten. Wir haben ja erlebt, dass beispielsweise die Opernstiftung entstanden ist, als in der letzten Krise klar wurde, dass man vielleicht Doppelstrukturen besser zusammenlegt. Kann man das bei den Berliner Bühnen möglicherweise auch anwenden? Das andere ist die Investitionsseite, wo wir in Zeiten der Konsolidierung mehr auf Kreditfinanzierungen setzen wollen. Wir haben auch noch andere Beispiele, wie zum Beispiel die Sammlungsbestände hier in Berlin – können wir da zum Beispiel mit einem klugen Konzept die Kosten senken, indem wir das möglicherweise in einer zentralisierten Form zusammenführen? All das sind Ideen, die wir miteinander verhandeln müssen in den kommenden Jahren, um diese schwierige Ausgangssituation für uns ein Stück weit einzuhegen.
Einmal konkret gefragt: wie soll etwa ein Haus wie das Berliner Ensemble, an dem allein die Fixkosten 80 Prozent des Budgets binden, kreativ sparen? Wer Produktionen absagt, muss Ausfallhonorare zahlen. Die ja überall umjubelten Tarifsteigerungen müssen auch ausgeglichen werden. Das heißt, die einzige realistische Möglichkeit fürs Sparen betrifft wie schon während der Corona-Zeit freie Künstler und Gäste. Trifft die Kürzungswelle also am Ende jene, die sowieso schon sozial sehr schwach sind?
Noch einmal kurz auf die Metaebene: Wir kommen von 1,1 Milliarden Euro, die in die Kultur letztes Jahr als Rekordsumme geflossen sind. Wir wollen 130 Millionen Euro kürzen. Damit haben wir tatsächlich immer noch einen höheren Haushalt als den, den ich geerbt habe.
Aber hat das nicht in erster Linie mit den Tarifsteigerungen zu tun?
Ja, es gibt die sogenannten „Sondereffekte”, aber auch wenn ich die abziehe, dann haben wir immer noch bedeutend mehr als wir es vorher hatten. Natürlich ist die Herausforderung, die wir jetzt erleben, groß. Deshalb wollen gerade für das Jahr 2025 eine Erleichterung bei den Einsparungen erreichen, gerade weil das alles jetzt so kurzfristig kommt. Wir werden zur kurzfristigen Überbrückung Rücklagen hinzuziehen, um den Spardruck an den einzelnen Häusern deutlich niedriger zu halten. Und das wird auch gelingen. Das heißt, wenn wir jetzt von 11,6 Prozent reden, muss nicht jedes Haus rasenmähermäßig 11,6 Prozent erbringen.
Das klingt zumindest nach etwas Hoffnung für die Berliner Intendanten…
Wir haben eine Vorgabe bekommen, die festschreibt, welches Haus wie sparen muss. Und trotzdem ist es unser Ansinnen zu schauen, an welcher Stelle man mit bestimmten Mitteln noch Entlastungen hervorrufen kann, damit eine Fortführung der Arbeit möglich ist. Als Kultursenator setze ich bekanntlich nur die Rahmenbedingungen. Ob ein Haus fünf Opernaufführungen im Jahr plant oder zwanzig, das obliegt nicht meiner Entscheidung. Das heißt, der gute Kaufmann am jeweiligen Haus muss auch zum Tragen kommen. Die Eigenverantwortung muss viel mehr ausgeprägt werden. Warum? Um im Nachgang eine strukturelle Stabilität zu erzielen, die es den Häusern erlaubt, auch in finanziell schwierigeren Zeiten sicher durchzukommen.
Nehmen wir das Beispiel Deutsche Theater: Da musste der Senat ja bereits jetzt mit 3 Millionen ausgleichen. Jetzt sollen am dem Haus noch weitere zehn Prozent gespart werden. Wie soll das gehen?
Die Finanzlage des Hauses ist in der Tat in einer dramatischen Schieflage. Und wir hatten in der Art, wie wir dieses Haus bewertet haben, auch gesagt, dass es deutlich geringer belastet werden muss, weil eine höhere Belastung automatisch dazu führen würde, dass dieses Haus de facto schließen muss. Wir sprachen eben von technischen und von juristischen Unmöglichkeiten – das ist sicherlich ein solcher Fall. Denn eine Kürzung in der Höhe bedeutet wirklich die Schließung eines für Berlin identitätsstiftenden Hauses. Wir schauen da nochmal ganz genau hin.
Wie lange werden Sie schauen und wann gibt es dann erlösende Erkenntnis?
Am 19. Dezember gibt es einen Parlamentsbeschluss, bis dahin ist diese Situation für viele noch beunruhigend. Wir müssen aber den parlamentarischen Prozess abwarten und ich hoffe, dass wir alle Fragen bis dahin geklärt haben. Es gibt eine ganze Reihe von harten Fällen, in denen die Einsparvorgaben so nicht funktionieren werden. Nehmen Sie die Komische Oper. Was bedeutet das für den Bau? Wenn die Kürzungen jetzt kommen, dann ist da natürlich die Angst, dass eine Schließung durch die Hintertür erfolgen soll. Ich bin dem Finanzsenator dankbar, dass er das ausgeschlossen hat, denn: Es geht nicht um Schließungen. Es geht aber schon um die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage: Was ist leistbar und was ist nicht leistbar und wie können wir einen Fahrplan erarbeiten, damit dieses historische Haus da bleiben kann, wo es ist. Damit der Bau trotz der geringeren Mittel, die es jetzt gibt, auch weitergehen kann. Wir haben neben dem Deutschen Theater auch die Schaubühne, die sich von Insolvenz bedroht sieht, das Theater an der Parkaue, das Gripstheater, das Thema Kinder- und Jugendtheater generell – diese Liste ließe sich fortführen. Es gibt da auch eine Opferkonkurrenz, im Sinne von: Warum soll die Schaubühne ihre Probebühne behalten, wenn dafür das Theater an der Parkaue keine Bildungsarbeit für Kinder mehr machen kann. Das ganze ist nicht trivial. Und deswegen ist diese Verantwortungsverschiebung, die sich in den letzten Tagen insbesondere gegen mich gerichtet hat, nach dem Motto: „Man müsste nur besser verhandeln und dann wäre das Problem gelöst”, der ernsten Lage nicht angemessen.
„Schließungen ganzer Häuser wird es nicht geben” – das versprechen Sie?
Es gibt natürlich einige Bereiche, die werden geschlossen, aber Häuser wie das Deutsche Theater oder die Schaubühne nicht. Trotzdem muss allen klar werden: so wie es bisher lief, geht es nicht weiter. Der Sparmuskel muss jetzt angezogen werden und man muss sich mit der Situation arrangieren, dass weniger Geld für die Zukunft der Kultur zur Verfügung steht. Und mit diesem Weniger an Geld heißt es, andere Potenziale zu heben.
Ich glaube schon, dass man sich Gedanken machen muss, wer eigentlich in Berlin von der Kultur profitiert. Und das sind ja auch viele Unternehmen, die Berlin als die Stadt preisen, die für ihre Mitarbeiter spannend ist und wo man Kultur erleben kann. Und wenn es tatsächlich in der Staatsoper Unter den Linden diese wunderbare Kooperation mit BMW gibt, von der alljährlich viele Menschen profitieren, dann ist das beispielhaft. Ich finde es wichtig, dass wir diese Form von Kooperation auch weiterdenken, dass Überlegungen in Gang kommen, wie man Partner findet, die zur Marke passen. Es ist auch möglich, dass man verstärkt auch vermögende Kunstliebhaber anspricht. Es gibt ja viele Fördervereine, mit denen man in diesen Zeiten vielleicht noch einmal in einem völlig anderen Austausch kommt, weil die Situation für viele Häuser wirklich nicht unkritisch ist.
Eine anderer Vorschlag lautet ja, sich von der Hochsubventionierung der Tickets zu verabschieden. Wenn im Ballhaus Naunynstraße ein Ticket mit fast 300 Euro subventioniert wird, kann man natürlich fragen: Warum die Ticketpreise nicht drastisch erhöhen und im Gegenzug bestimmte sozialverträgliche Kontingente festsetzen? Der Wert der Kultur drückte sich dann eben auch pekuniär aus. Wäre das auch eine Möglichkeit?
Ich glaube, dass es in jedem Falle eine Überlegung geben muss, wie wir das Pricing und das Ticketing in Berlin zukünftig gestalten. Natürlich müssen wir zum einen den sozialen Aspekt mitdenken: Kultur darf kein Elitenprojekt sein. Aber man kann sich schon überlegen, was kann ich für Packages schnüren, um alle, die mehr zu zahlen könnten, auch dazu zu bringen, wirklich mehr zu zahlen? Wir wollen im nächsten Jahr gerade aufgrund der aktuellen Situation mit den Häusern in genau diesen Dialog treten. Was für Maßnahmen kann man in schwierigen Zeiten ergreifen, um aus sich heraus Gelder einzusparen und trotzdem die Kultur in Berlin stark zu halten.
Das heißt ja auch, es handelt sich hier nicht um ein Problem, das nur auf ein Jahr beschränkt ist. Es wird auch 2026 weiter drastisch gespart werden müssen, richtig?
Richtig. Diese Linie hat der Finanzsenator ja bereits vorgegeben. Das bedeutet für die Häuser, sich jetzt schon zu überlegen, wie man sich auf diese großen Herausforderungen einstellen kann. Denn es wird tatsächlich nicht besser werden. Und vor diesem Hintergrund ist es gerade jetzt wichtig, dass diese Erkenntnis nicht nur bei den Kulturinstitutionen landet, sondern eben auch bei diejenigen, die das Problem kritisch von der Opposition begleiten. Da geht es jetzt nicht nur darum, einen billigen Punkt für sich durch schnelle Rücktrittsforderung zu erhaschen, sondern darüber nachzudenken: Was bedeutet es für die Kultur in Berlin, wenn sie sich hinsichtlich ihrer Resilienz zukunftsfest aufstellen möchte?
Stichwort Resilienz. Bei der Komischen Oper hat das Wort einen ganz konkreten Beiklang, nämlich die bauliche Substanz. Wird die Komische Oper denn jetzt nun weiterbauen können wie geplant? Ein Baustopp würde wie man hört ja hunderte Millionen Mehrkosten verursachen.
Das Problem ist doch nicht, dass der Kultursenator der Komischen Oper kein Geld geben möchte. Das Problem geht weit zurück in der Vergangenheit, als es darum ging, dass man mehrere Bauprojekte angefangen hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie die zukünftige Finanzierung abgesichert sein könnte. Und jetzt haben wir mehrere konkurrierende Bauprojekte nebeneinander. Ich glaube aber: Für die Komische Oper geht es nicht um Baustopp. Es geht um ein kluges Ausloten, wie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein solcher Bau noch fortgeführt werden kann.
Würden Sie sagen, die Kultur in Berlin muss wettbewerbsfähiger werden?
Ich würde sagen, die Kultur in Berlin muss die Tatsache annehmen, dass der Geldfluss der vergangenen Jahre nicht mehr in der Form erfolgen wird, wie sie es gewohnt war, und dass die Eigenleistung noch viel mehr zählen wird, als sie sich das bislang selber eingestanden hat. Das hätte jeder wissen können, der bei meinen Informationsveranstaltungen war. Die Frage war, ob man dem glauben wollte, was der Kultursenator und der Finanzsenator für Szenarien ausmalen oder, ob man glauben wollte, dass diese Krise am Ende doch wieder mit großen Beträgen zugeschüttet wird wie während Corona. Dieser Glaube hat sich jetzt absolut als irrig herausgestellt, und es ist für die Kultur wichtig, genau das jetzt anzuerkennen. Es ist meine Aufgabe als Kultursenator, an der Stelle keine falschen Hoffnungen zu wecken. Wir haben doch eine Realität in unserem Land, dass Ford 9000 Mitarbeiter, Bosch 5500 Mitarbeiter kündigt, VW drei Werksschließungen vor sich hat. Das ist doch etwas, was uns zeigt, dass mit dem Krieg in der Ukraine, auch mit dem Migrationsdruck, der wirtschaftliche Druck gerade enorm wächst. Deshalb halte ich es persönlich für unglaublich wichtig, mit der Situation proaktiv umzugehen. Zurück zum Haushalt: Wir haben 3 Milliarden, die wir einsparen müssen. Im Bund ist die Regierung damit auseinandergeflogen. Also es ist nicht trivial, was hier gerade passiert. Insofern ist mehr Ernsthaftigkeit gefordert bei der Auseinandersetzung mit dem Thema und weniger Polemik und das Gieren nach billigem Applaus.
Zum Schluss eine Frage nach Ihrer eigenen Zwischenbilanz: Eigentlich alles, was Sie sich als Kultursenator bisher vorgenommen haben, ist gescheitert. Etwa der Plan, die Zentral- und Landesbibliothek in die Galerie Lafayette zu verlegen oder die Erarbeitung einer gerichtsfesten Antisemitismusklausel. Jetzt kommen diese enormen Sparvorhaben, die man auch mit Ihrer Person verbinden wird. Das sind alles Negativaspekte in der öffentlichen Wahrnehmung. Wie schauen Sie selbst auf Ihre Bilanz bisher?
Ich bin nicht beim Bilanzieren meiner Arbeit, sondern ich bin mitten in der Arbeit und ich kommentiere ein Fußballspiel in der 60. Minute nicht abschließend, wenn noch 30 Minuten zu laufen sind. Aber eines kann ich schon sagen: Die Themen, denen ich mich gestellt habe, sind die zentralen Themen unserer Zeit. Beispiel: Zentral- und Landesbibliothek. Die Chance eines Umzugs wurde doch real diskutiert und von einem Großteil der Bürgerinnen und Bürger begrüßt. Eben weil der Umzug zur Friedrichstraße dort für wahnsinnige Belebung sorgen würde, auch für ein Erstarken der Wirtschaft. Wenn wir aber jetzt feststellen müssen, dass wir bei der Komischen Oper mit 10 Millionen schon ein Riesenthema haben, dann kann man natürlich schwer zugleich über Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe reden. Das passt einfach nicht zusammen. Aber wenn die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, würden wir sofort loslegen. Andere mögen das Projekt begraben, ich begrabe es noch nicht. Anderes Stichwort: Antidiskriminierungsklausel. Wir haben letztes Jahr, am 7. Oktober eine Situation erlebt hier in Deutschland, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben, dass Jüdinnen und Juden Angst hatten. Das ist schon etwas, dass wir uns deutlich vor Augen führen müssen, bevor wir über irgendwelche Bilanzen reden. Ich habe Anrufe bekommen, in denen jüdische Berlinerinnen und Berliner sagen, sie könnten auf der Straße kein Hebräisch mehr sprechen, keinen Davidstern mehr tragen, dass ihre Häuser beschmiert werden. Ich bin deswegen froh, dass der Bundestag den Inhalten, über die wir letztes Jahr für Berlin diskutiert haben, weitestgehend gefolgt ist. Das heißt, dieses Thema in der Ausrichtung, ist richtig gewesen. Ja, die Klausel war handwerklich nicht gut gemacht, aber wir sind gerade dabei, das hier im Senat noch mal neu aufzugleisen.
Zeigt die Debatte um den Auftritt von Nan Golding am Wochenende die Notwendigkeit Ihrer Klausel?
Wenn der geschätzte Kollege Klaus Biesenbach zweimal zu einer Rede ansetzt und ausgebuht wird, offenbart das für mich einen kaputten Diskurs. Die Fliehkräfte, die weltweit beim Thema Israel-Palästina eine Rolle spielen, die entladen sich hier in Berlin mit voller Wucht. Dem können wir uns nicht entziehen. Aber was wir können, ist eine klare Haltung zu zeigen. Und das mache ich jedes Mal, weil die Geschichte Deutschlands und die damit verbundene Verantwortung für mich ein Imperativ ist, an dem ich mich gerne halte. Auch unter dem klaren Bedauerns der Ereignisse im Nahen Osten mit vielen Todesopfern.
War es keine gute Idee, Nan Golding dort so sprechen zu lassen?
Wissen Sie, ich bin als Kultursenator nur einer Sache verpflichtet: die Rahmenbedingungen für die Häuser zu setzen, aber eben nicht, das Programm zu kommentieren. Das obliegt mir nicht als Kultursenator. Insofern, wenn Sie diese Frage beantwortet haben wollen. Das kann Ihnen Klaus Biesenbach sicherlich besser beantworten als ich. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Klaus Biesenbach als Direktor meiner Meinung nach seine Rolle sehr gut eingenommen hat. Als diese Situation eskalierte und er klar Position bezogen hat, hat er reagiert, wie man es von einem Direktor einer solchen Institution erwarten darf. Alles andere, ob das eine gute Idee war, sie zu holen oder nicht, das müssen andere entscheiden.
Machen Sie sich trotz Ihres aktuellen Negativbildes in der Öffentlichkeit trotzdem Hoffnung auf ein höheres Amt im Bund?
Ich habe immer schon gesagt, ich bin nicht so toll, wie ich hochgeschrieben werde. Und ich bin auch nicht so negativ behaftet, wie das vielleicht der eine oder andere sieht. Aber die größte Herausforderung, vor der ich jetzt stehe, ist die, die wir seit über 20 Jahren nicht mehr hatten, nämlich die Haushaltskonsolidierung. Jeder Gedanke, der davon abweicht, ist ein Verrat an den Berliner Künstlerinnen, Künstler und Institutionen.