Bei „Hart aber fair“ blickt die Gästeschar bang auf den Wahltag in den USA, der Erkenntnisgewinn für den Zuschauer hält sich in Grenzen. Lediglich ein Gast weiß ob seiner provokanten Thesen über beide Kandidaten zu unterhalten.
Seine Reportage ließ er fragend ausklingen. „Was kommt auf dieses Land nach der Wahl zu? Wird das Wahlergebnis von allen Seiten akzeptiert? Wird es friedlich bleiben? Oder werden die Risse im Fundament dieser bald 250 Jahre alten Demokratie noch tiefer?“, überlegte Ingo Zamperoni am Ende von „Wirklich nochmal Trump, Amerika?“, in der er die Vielfalt der Vereinigten Staaten mit Besuchen bei Kid Rock und Jürgen Klinsmann, der Chicagoer ‚Gayborhood‘ und einer Baptistengemeinde in Wisconsin abbildete.
Im Anschluss an die TV-Premiere seiner Reise trat Zamperoni zur Frage „Harris oder Trump: Verändert diese Wahl alles?“ bei „hart aber fair“ auf. Neben dem ARD-Moderator begrüßte Louis Klamroth den früheren SPD-Vorsitzenden und heutigen BSW-Politiker Oskar Lafontaine, die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Rachel Tausenfreund von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, den Journalisten Klaus Brinkbäumer sowie Peter Rough, ehemaliger Berater von US-Präsident George W. Bush.
Der Wahlkampf sei so „irre aufgrund dieser ganzen Wendungen, Entwicklungen, dramatischen Drehungen und Überraschungen, die er bereitgehalten hat“, schilderte der aus Washington, D.C. zugeschaltete Ingo Zamperoni beinahe etwas zu enthusiastisch. Erneut seien alle finanziellen Rekorde gebrochen worden. Am Vorabend der Präsidentschaftswahl herrsche nun eine „ziemliche Anspannung“. Zugleich verbreite sich eine „gewisse Erleichterung“, dass der Wahlkampf dann „endlich vorbei“ sei. Wer siegreich aus dem Rennen hervorgehen werde, sei noch ungewiss. Bis zum Ergebnis könne es womöglich noch Wochen dauern.
Das hängt auch damit zusammen, dass sich der Republikaner weigert, Wahlergebnisse anzuerkennen. Es sei „erschreckend, wie tief diese Erzählung von Donald Trump in den republikanischen Wählerkreisen“ greife und wie viele diese „wie aus der Pistole geschossen“ reproduzieren. Das sei ein „Stresstest“ und „riesen Problem für eine Demokratie“, beanstandete der Tagesthemen-Anchorman. Verglichen mit der letzten Wahl 2020 habe er den Eindruck, dass die Positionen zwischen den Parteien „noch verhärteter, noch verkanteter“ seien. In der Konsequenz reden Demokraten und Republikaner mitunter nicht mehr miteinander.
Er wünsche sich ein klares Ergebnis, damit beide Seiten den Sieger akzeptieren, es im Januar eine „saubere“ Vereidigung gebe und zukünftig parteiübergreifende Politik möglich werde, erklärte Rough. „Eindeutigkeit ist schon sehr wichtig.“ Doch eben damit rechneten die wenigsten in der Runde. „Es wird kein eindeutiges Ergebnis geben“, warnte Klaus Brinkbäumer, vielmehr werde die Wahl „sehr, sehr, sehr knapp“ ausgehen. Für Trump gebe es nur zwei Wahlausgänge – „seinen Sieg oder Wahlbetrug“. Wenn der von seiner Anhängerschaft sicher geglaubte Sieg nicht eintrete, „drohen natürlich Ausschreitungen.“
Angst sei ein „ganz schlechter Ratgeber“, aber eine „gesunde politische Nervosität“ begleite sie, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Sicherheitsvorkehrungen in Washington zeigten, dass dort mit dem Schlimmsten gerechnet werde. „Das ist eben die Saat, die jetzt aufgeht.“ Trump habe „nicht alle Tassen im Schrank“, weise faschistoide Züge auf und führe „keine sachliche Auseinandersetzung“. Seine Auftritte hätten „Slapstick-Charakter“ garniert mit „ordinären Plattitüden“ und „Gewaltfantasien“. Wenn sie in den Vereinigten Staaten wahlberechtigt wäre, würde sie für die Demokratin Kamala Harris stimmen.
Lafontaine zeigte sich weniger sicher, wen er unterstützen würde. Zur Demokratie gehöre zum Beispiel der „unblutige Machtwechsel“, den Trump nicht garantiere. Auch würde dieser im Nahost-Konflikt noch deutlicher hinter der israelischen Politik und ihrer „Kriegsverbrechen“ stehen, wie es der frühere SPD-Vorsitzende formulierte. Zugleich zähle er sich aber auch nicht zum „Team Harris“. Die Demokraten seien einst die Partei der Arbeiterschaft gewesen, heute stünden sie für die Finanzindustrie. Mit Blick auf die Ukraine-Unterstützung warnte er: „Es werden weiter Menschen sterben, wenn sie Präsidentin ist.“
Arg kopflos agierte Lafontaine, als es um Joe Biden ging, den Tausenfreund als „letzten Alt-Transatlantiker“ bezeichnet hatte. Er lehne den Begriff ab, immerhin habe dieser „uns die Gasleitung weggesprengt“. Der US-Präsident selbst habe dies „vor aller Welt“ erzählt, wie sich der BSW-Politiker zu erinnern glaubte. Trumps Forderungen nach höheren Nato-Beiträgen würde er konterkarieren: „Ich würde sagen, bezahle zuerst mal deine Rechnungen, dass du die Gasleitung gesprengt hast!“ Auch für die Geflüchteten aus den Kriegen der Vereinigten Staaten würde er ihnen eine Rechnung präsentieren.
Die Deutschen müssten ihre eigenen Interessen vertreten und dürften nicht länger als „klägliche Vasallen“ auftreten. „So nennen sie uns ja auch in den USA“, behauptete Lafontaine. In diesem Kontext stellte er die Waffenlieferungen an die Ukraine in Frage, einem Land, das nach der vermeintlichen Meinung Strack-Zimmermanns „uns die Gasleitung gesprengt hat“. Die FDP-Politikerin konterte umgehend: „Ach, ich dachte, das war Amerika. Jetzt ist es die Ukraine. Haben wir vielleicht noch einen im Köcher?“ Doch auch sie zeigte sich sicher, dass Europa künftig selbstständiger agieren müsse; „Der Zahltag Europas beginnt morgen.“