
Harry Kane passt perfekt zum FC Bayern. Er ist wie gemacht für die Bundesliga, die seit Jahren torreichste Spitzenliga Europas. Im deutschen Fußball regiert der offene Schlagabtausch, es geht hin und her, mit vielen Chancen auf beiden Seiten, und der FC Bayern ist so oft wie keine andere Mannschaft im Strafraum. Weil Kane im Abschluss souverän und präzise ist und bei Ecken und Freistößen seine Größe und Kopfballstärke nutzt, trifft er wie nirgends zuvor.
Die Statistik ist fantastisch, seine Quote in der Bundesliga mehr als eineinhalbmal so gut wie in der Premier League und in der Nationalmannschaft. In der Bundesliga hat er mehr Tore (74) als Spiele (72), mit diesem Wert übertrifft er deutlich die Bestmarke von Gerd Müller (0,85).
Es sieht so aus, als ob Kane Rekorde purzeln lassen könnte. 12 Treffer in neun Spielen – geht das so weiter, übertrifft er Robert Lewandowskis 41 Saisontore. Wer weiß, vielleicht macht er 45 oder 50 dieses Jahr. Alle seine 18 Elfmeter hat er in Deutschland verwandelt. Wie er sich auf sie vorbereitet, seine Haltung, seine Schusstechnik – das ist äußerst professionell. Ich selbst bin beim letzten Elfer meiner Karriere ausgerutscht. Ich flog hin, der Ball drüber.
Kane hat sich den FC Bayern zu eigen gemacht
Mit seinem Wechsel nach München hat Kane alles richtig gemacht. Mit 32 ist er die bestimmende Figur der Bundesliga. In England gewann er keine Titel, in München bisher einen, weitere werden folgen, ein internationaler ist möglich. Um als ganz Großer abzutreten, braucht es diesen Glanz. Beim FC Bayern kann sich Kane im Herbst seiner Karriere einen Thron bauen, weil der Verein ihm großen Einfluss zugesteht und er riesige Freiheiten genießt.
So darf Kane in seinem dritten Münchner Jahr seine Spielart auf den Verein übertragen. Er interpretiert nun seine Aufgabe wie in Tottenham: als spielender Stürmer, der sich im Mittelfeld Bälle holt, sie verteilt, Flankenwechsel schlägt. Ich kann mich an keinen Mittelstürmer erinnern, dessen Passspiel besser war. Über das Gespür, wann er in den Strafraum nachrücken muss, verfügt er auch.
Dass sich ein Spieler den Verein zu eigen macht, ist nicht unüblich beim FC Bayern. Daher nennt man ihn Spielerverein. Diese besondere Kultur, den Fußballern die Formation zu überlassen, kann auch mal schiefgehen. 2024 hat Kane es selbst erlebt, als die Bayern erstmals nach elf Jahren nicht Meister wurden, auch weil sie damals immerhin einen Gegner in der Liga hatten, dem eine starke Saison gelang, Xabi Alonsos Bayer Leverkusen.
Die Methode hat andere Nachteile. Bayern braucht einen Trainer, der Potenziale erkennt. Sonst können Spieler durchfallen, selbst wenn sie für viel Geld geholt wurden. James Rodríguez, Philippe Coutinho, Sadio Mané oder Palhinha wurden nie Teil der Mannschaft. An ihren Fähigkeiten lag das nicht, vielmehr hatten sie keine klare Position. Declan Rice hätte es im Mittelfeld möglicherweise auch schwer gehabt, seine drei Konkurrenten wären Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Aleksandar Pavlović gewesen – drei deutsche Nationalspieler, die die Kultur des FC Bayern verinnerlicht haben.
