
Spricht man den nordrhein-westfälischen Justizminister Benjamin Limbach auf die von der Bundesregierung geplanten Änderungen am Gewaltschutzgesetz an, dann formuliert der Grünen-Politiker harsche Kritik. Das Vorgehen von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sei „inkonsequent“ und „ungenügend“.
Er hoffe sehr, dass der Bundesrat stattdessen an diesem Freitag für den schon im Mai von Nordrhein-Westfalen eingebrachten Gesetzesantrag mit dem Titel „Effektivierung des Gewaltschutzes in Hochrisikofällen“ stimme, sagt Limbach der F.A.Z. „Häusliche Gewalt gegen Frauen ist ein akutes Problem in Deutschland, die Folgen für die Opfer sind dramatisch.“
Tatsächlich meldete das Bundeskriminalamt für das Jahr 2024 mit rund 266.000 betroffenen Menschen so viele Opfer wie in keinem Jahr zuvor. Zusätzlich ist von einer Dunkelziffer auszugehen. Rechtspolitiker in Bund und Ländern sind sich deshalb einig, dass der Schutz vor häuslicher Gewalt dringend verbessert werden muss. Ende August legte Hubig einen Gesetzentwurf vor, mit dem es unter anderem künftig möglich sein soll, dass Familiengerichte Gewalttäter zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichten können.
Nähert sich ein Täter seinem Opfer, soll nicht nur die Polizei automatisch alarmiert werden, sondern auch das Opfer, das „sich dadurch gegebenenfalls rechtzeitig in Sicherheit bringen oder Unterstützung suchen“ kann, wie es in dem Entwurf heißt. Hubig orientiert sich an Spanien, wo seit Einführung der elektronischen Fußfessel in sogenannten Hochrisikofällen keine Opfer (weit überwiegend handelt es sich auch dort um Frauen) mehr getötet wurden.
Limbach: Hubig folgt spanischem Vorbild nicht konsequent
In Spanien wird die Fußfessel sehr häufig angeordnet. Bei 43 Millionen Einwohnern befinden sich rund 4000 Personen unter elektronischer Aufenthaltsüberwachung. Im deutschen Gewaltschutzgesetz ist eine elektronische Fußfessel dagegen bisher zumindest explizit nicht vorgesehen. Einige Polizeigesetze der Länder sehen aber vor, dass die elektronische Fußfessel auch präventiv angelegt werden kann. Die Schwelle dafür ist aber sehr hoch.
Seit 2002 können Betroffene häuslicher Gewalt ein Kontakt- und Näherungsverbot beim Familiengericht beantragen. Kontrolliert wird ein solches Verbot bisher nicht. Kommt es zu Verstößen, muss sich die von Gewalt betroffene Person an das Gericht wenden.
Bundesjustizministerin Hubig will mit ihrem Gesetzesvorhaben nun unter anderem eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die gerichtliche Anordnung der elektronischen Fußfessel schaffen und verweist auf das spanische Vorgehen. Doch der Entwurf sei nicht überzeugend, Hubig folge dem spanischen Vorbild nicht konsequent, kritisiert Limbach im Gespräch mit der F.A.Z. Wenn sich dort ein Täter weigere, die elektronische Fußfessel zu tragen, werde Haft angeordnet. Das sehe Hubigs Entwurf nicht vor, wohl aber sein eigener Gesetzesantrag im Bundesrat.
Ohne die Androhung von Haft wegen Wiederholungsgefahr sei es in Hochrisikofällen kaum möglich, die Gewaltspirale zu durchbrechen, sagt Limbach. Die Androhung der Haft sei zur Vermeidung von Femiziden unabdingbar. Gleichwohl wolle der Bund weder die Haft zum Schutze des Opfers ermöglichen, noch erkenne er den Zusammenhang mit der Fußfessel nach dem Vorbild Spaniens.
„Dort werden Haft und elektronische Fußfessel gezielt eingesetzt, um gefährliche Übergriffe auf Frauen zu verhindern“, sagt der nordrhein-westfälische Justizminister. Der Schutz vor Hochrisikotätern könne nur funktionieren, wenn man schnell und konsequent handele. „Wir brauchen deshalb nicht nur mehr elektronische Aufenthaltsüberwachung, sondern vor allem die Haft als Druckmittel auf den Täter.“ Wer Frauen schlage, müsse wissen, dass er schnell ins Gefängnis kommen könne, sagt Limbach. „Der Bund hat das noch nicht verstanden.“