Gutes Design: Vier neue Kaffeemaschinen – Stil

Das Auge trinkt mit, das galt für Kaffee-Enthusiasten schon immer – glänzend polierte Zweikreiser-Boliden von ehrwürdigen italienischen Herstellern sind schließlich schon lange das Statussymbol in vielen Küchen. Lange Zeit schien auch das Design dieser Maschinen nur der ewigen Firmentradition zu gehorchen oder eben eine zeitlose Gastro-Ästhetik zu bedienen. Ein eher unaufgeräumtes Durcheinander von Hebeln, Anzeigen, Drehknöpfen und Schaltern, das schon auf den ersten Blick klarmachte, was die Besitzer sowieso für sich reklamierten: dass eben nicht jeder hier eine Tasse Kaffee machen kann, sondern dass das chromglänzende Ungeheuer nur mit Sachkenntnis und Erfahrung zu bezähmen ist.

Inzwischen häufen sich aber Vorschläge dafür, dass hochwertige Espresso- und Kaffeemaschinen auch mal anders aussehen und etwas einfacher funktionieren können als vor 50 Jahren. Oft sind es Newcomer und Quereinsteiger in der Branche, die mit frischen Entwürfen und innovativer Technik an der alten Siebträger-Optik rütteln. Auffällig dabei ist: Das heimische Espressomachen war auch eine der letzten betont analogen Bastionen unter den Küchengeräten. Kippschalter statt Display oder gleich die supermechanische Handhebelmaschine unterschieden die feinen Apparate schließlich von den Niederungen des Automatenkaffees. Einige der neuen Espressomaschinen versuchen nun aber den Graben ins digitale Zeitalter zu überbrücken – die hier vorgestellten Modelle von Ligre und Nunc etwa platzieren smarte Technologien rund um die Brühgruppe, ohne freilich dabei zu sehr in Richtung Vollautomat zu driften.

Denn das ist klar: Auch wenn die neuen Maschinen alles leichter machen wollen – der handwerklich perfekte Espresso zu Hause muss weiterhin mit einer eindrucksvollen Maschine und Hantieren mit Siebträger und Co. einhergehen, sonst gilt es nicht. Ein bisschen Show braucht jeder stolze Heim-Barista! Und auch günstiger wird die Tasse Espresso zu Hause damit nicht – im Gegenteil, der neue Brüh-Hightech geht auch mit hohen Preisen einher. Die alte italienische Kaffeeweisheit ist daher immer noch gültig – womöglich reicht für den schnellen Kaffee zwischendurch die Bialetti auf der Herdplatte. Und für einen richtig guten Caffè geht man lieber zweimal am Tag bei einem Profi vorbei und bekommt für zwei Euro nicht nur Crema und Koffein – sondern auch was zu sehen.

(Foto: Nunc)

Die Intelligente

Eine völlig neu entwickelte Siebträgermaschine meldet das kleine Liebhaber-Start-up „Next Level Coffee“ vom Bodensee. 2021 taten sich dort drei kaffeebegeisterte Tüftler mit dem Ziel zusammen, eine moderne Maschine für den Heimgebrauch zu entwickeln, die immer Barista-Qualität liefert – ohne dass man für Betrieb und Wartung ständig in Fachforen herumhängen muss und wochenlanges Training oder profundes Produktwissen braucht. Zentrales Kennzeichen des Systems ist die smarte Vernetzung von Mühle und Maschine, die im Zusammenspiel mit eigenen Nunc-Bohnen von nachhaltigen Kaffeebauern ein mitdenkendes System ergibt – denn die Maschine erkennt jede Bohnensorte in ihrer speziellen Verpackung. Die Mühle liefert ebenso wie die Maschine dann alle erforderlichen Parameter für den perfekten Espresso aus dieser Sorte.

Mahlgrad, Dosiermenge, Druck, Flow, Temperatur, Extraktion sind je nach gewähltem Rezept programmiert und erfordern kein tieferes Mitdenken, das Design ist aber dennoch – anders als bei einem Vollautomaten – explizit auf die taktile Freude des Benutzers ausgelegt. In der Sprache des kleinen Unternehmens: Hier lenkt nichts mehr vom sinnlichen Moment des Kaffeemachens ab. Sogar die Milchschaumlanze denkt mit und sorgt selbständig für die richtige Temperatur und Konsistenz der Milch und Milchderivate. In der Fachwelt wurde das Nunc-Prinzip in den vergangenen Monaten sehr wohlwollend aufgenommen und unter anderem auch schon als innovativstes Projekt für die Siebträgermaschinen von morgen bezeichnet. Und das Magazin Wallpaper in London lobte das Nunc-Kaffeesystem als „Wunder des Remote-Arbeitens“ für das gehobene Home-Office. Bislang sind die Maschinen nur auf Vorbestellung über die Website zu ordern – die Frühlingsedition ist schon ausverkauft, für die Auslieferung im Sommer werden noch Bestellungen angenommen. Der Preis für das Komplettpaket aus Mahlwerk und Maschine inklusive drei Monaten Kaffeevorrat beträgt 2500 Euro.

(Foto: Ligre)

Die Elegante

Auf dem letzten Salone del Mobile in Mailand wurde die Ligre-Maschine vorgestellt und löste bei den Fachbesuchern Aha-Momente und Kommentare wie „Sieht aus wie eine Kaffeemaschine von Bang&Olufsen“ aus. Tatsächlich markiert das futuristisch-flache Design dieses neuartigen Siebträgers den auffälligsten Unterschied zu herkömmlichen Geräten – in Kombination mit der passenden Mühle ergibt es eine homogene und sehr hochwertige Optik, die Architekten lieben dürften. Auch wenn der Name französisch klingt – das Ligre-System kommt aus Kufstein und ist ein beherztes Nebenprojekt des dortigen Geräteherstellers Gronbach. Im Inneren der Maschine bewirken innovative Technik und eine mitdenkende Software, dass nach der Aufwärmzeit von vier Minuten ein Knopfdruck den perfekten Espresso ergibt – man kann dafür aber auch vom „easy mode“ zum „nerd mode“ wechseln, der eine Konfiguration nach ganz persönlichem Geschmack zulässt.

Vier Patente wurden von dem Branchenneuling im Zuge der Entwicklung angemeldet, bei manchen Komponenten setzte man aber auf altbewährte Zutaten, wenn auch in ungewöhnlicher Materialqualität – so besteht etwa die Brühgruppe jeder Maschine aus 2,2 Kilogramm massivem Messing, und selbst die Schalter am Gehäuse sind aus solidem Metall gefertigt. Die haptischen Qualitäten einer klassischen Siebträgermaschine mit dem Plug&Play-Prinzip zu vereinen und damit ein ganz neues Segment zu begründen, das war die Vision von Ligre. Trotz des sagenhaften Preises von knapp 4000 Euro pro Maschine scheint er aufzugehen – nicht nur bei Preisverleihungen von diversen Design-Awards sind die Maschinen zu sehen, sondern auch zunehmend an Orten, an denen man auf gute Optik ebenso Wert legt wie auf den Kaffeegeschmack, zum Beispiel in Boutiquen oder repräsentativen Office-Interieurs. Und ja, im Münchner Bang&Olufsen-Store kann man sie derzeit zum Beispiel auch kaufen.

(Foto: Felix Wey; Olympia)

Die Mobile

Das Gegenteil einer Hightech-Kaffeemaschine mit Display hat der renommierte Schweizer Hersteller Olympia im vergangenen Sommer vorgestellt: Die Mina soll handwerklich tadellosen Espresso auch unterwegs und fernab aller Stromversorgung und Kaffeehäuser ermöglichen. Das skulpturale kleine Gerät aus Edelstahl und mit apart grüner Brühmechanik lässt sich schnell auseinandernehmen und in einem kleinen Koffer passgenau verstauen. Für die Espressozubereitung muss dann lediglich heißes Wasser (zum Beispiel aus einer Thermoskanne) und Kaffeepulver in die entsprechende Vorrichtung eingefüllt sein, der Hebel wird aufgezogen, und das integrierte Ventil lässt das Wasser auf den Kaffeepuck treffen. Sobald der Hebel nach unten gedrückt wird, kommt es zum Druckaufbau, der mittels eines eigenen Druckanzeigers überwacht werden kann. Eine innovative Konstruktion in der Brühkammer soll dafür sorgen, dass eine gute Temperaturstabilität erreicht wird und zusammen mit ein bisschen Erfahrung ein erstklassiger, mechanischer Espresso möglich ist. Der größte Genuss dürften aber für die Zielgruppe die handwerkliche Präzision und die kleine Exzentrik dieses Geräts sein, das made in Switzerland und für eine lange Lebensdauer konstruiert ist. Ein hübsches Stück Kaffeetechnik, mit 999 Euro allerdings im Preis nicht ganz so handlich.

(Foto: Aarke)

Die Gestählte

Skandinavien hat in den vergangenen Jahren die Neubewertung des klassischen Filterkaffees vorangetrieben: Zeitaufwendiger Handaufguss, der mit penibler Temperaturkontrolle und gewissenhaftem Blooming noch mal ganz andere Aromen aus dem frisch gemahlenen Pulver holt – das hat auch viele eingefleischte Siebträger-Apostel überrascht. Hersteller versuchen seit einiger Zeit, mit ausgeklügelten Brühmechanismen so einen Manufakturkaffee ins Gehäuse zu bekommen – Melitta zum Beispiel mit der Epos-Serie. Die Schweden der Firma Aarke, die bisher mit besonders formschönen Wassersprudlern und -filtern in Erscheinung getreten waren, haben in diesem Sinne jetzt eine Filterkaffeemaschine vorgestellt.

Die industrielle Edelstahloptik erinnert an die großen Siebträgermaschinen und ist gemäß der Aarke-Philosophie weitgehend plastikfrei konstruiert. Ein Sensor misst den Wasserstand im Tank, um die perfekte Kaffeetemperatur zu gewährleisten, und der runde Brausekopf ist so konzipiert, dass immer eine gleichmäßige Befeuchtung des Kaffees gewährleistet ist. Die Brühtemperatur liegt zwischen 92 und 96 Grad. Die neue Maschine hat schon beim Erscheinen das Gütesiegel des European Coffee Brewing Centre erhalten, mit dem auch die klassischen Moccamaster-Maschinen ausgezeichnet sind, die immer noch zu den besten Filterkaffeemaschinen gehören. Für Familien und Büros wichtig: In unter sechs Minuten brüht die Aarke-Maschine eine ganze Kanne Kaffee. Preis: 350 Euro, die passende Kaffeemühle mit Scheibenmahlwerk gibt es auch im Sortiment.