Gordon Herbert beim FC Bayern Basketball: Mit Ruhe und einem 3:1 gegen Heidelberg ins Finale um die deutsche Meisterschaft. – Sport

Gäbe es eine nach oben offene Skala für Ausraster von Basketballtrainern, Gianmarco Pozzecco wäre ganz vorn mit dabei. Unvergessen, wie der italienische Nationaltrainer beim EM-Spiel gegen die Serben vor drei Jahren aus der Berliner Halle flog, weil er unaufhörlich an der Seitenlinie tobte. Als sich der Sieg abzeichnete, stürmte er aus den Katakomben der Arena zurück Richtung Spielfeld, ehe ihn drei Ordner an Händen und Füßen aus der Halle zerrten. Auch Zeljko Obradovic hätte wegen seiner Wutanfälle einen Spitzenplatz verdient, keiner faltet sein Personal derart übel zusammen an wie die serbische Trainerlegende. Und sein Landsmann Svetislav Pesic ließ seinen Gefühlen, nun ja, ebenfalls hin und wieder freien Lauf. Nach einer Playoff-Heimniederlage stürmte er wild fuchtelnd über das Spielfeld zum damaligen BBL-Geschäftsführer Jan Pommer, um diesen wegen der Schiedsrichtereinteilung zu beschimpfen. Auch der Litauer Sarunas Jasikevicius müsste in dieser Reihe auftauchen, weil er beim Euroleague-Sieg mit Fenerbahce Istanbul wie ein nassgeschwitztes Rumpelstilzchen am Spielfeldrand herumtobte.

Gordon Herbert würde nicht auf so einer Liste stehen. Spätestens seit seinem Weltmeistertitel 2023 ist der Kanadier einer der ganz Großen seiner Zunft, wie eine kanadische Eiche im Sturm bewahrt er bei seinem Coaching auch in der größten Hektik die Contenance. Am Dienstagabend im vierten Halbfinalspiel der Bundesliga zum Beispiel, als in der Anfangsphase kaum ein Ball den Adressaten fand, geschweige denn den Weg in den Korb. In der Abwehr taumelten die Münchner wie tollpatschige Riesen hinter den flinken Gegnern aus Heidelberg her. Herbert musste früh reagieren, nahm zwei Auszeiten und blieb ruhig. Der 66-Jährige sendet in solchen Fällen zwei, drei klare Ansagen an sein Personal, formuliert in kurzen Sätzen, die er mehrmals wiederholt. Dazu ermahnte er seine Profis, kühlen Kopf zu bewahren, wobei es dienlich ist, wenn der Coach selbst Ruhe ausstrahlt.

Die Müdigkeit in den strapazierten Körpern lässt sich nicht einfach wegbrüllen, das weiß Gordon Herbert

Es zeigte Wirkung. Allmählich kämpften sich die Münchner heran, holten einen 17-Punkte-Rückstand auf und waren zur Pause wieder dran (36:41). Herbert weiß natürlich genau, was seine Spieler in dieser Saison geleistet haben: 78 Spiele stehen momentan zu Buche, mit oft zwei Euroleague-Spielen pro Woche gegen die Besten des Kontinents, Einsätze für die Nationalmannschaft nicht eingerechnet. Die Nationalspieler stehen praktisch seit drei Jahren ohne längere Pause auf dem Parkett, diese Müdigkeit in den strapazierten Körpern lässt sich nicht einfach wegbrüllen. Herberts Ansatz ist ein anderer: Der introvertierte Kanadier ist ausgebildeter Sportpsychologe, er unterstützt seine Athleten in schweren Momenten, versucht, ihnen zu helfen, anstatt sie niederzumachen.

Das hat dem 66-Jährigen neben Erfolgen und Reputation den Ruf eines Gentlemans eingebracht, der nie die Fassung verliert und sich stets vor seine Mannschaft stellt – auch in größten Drucksituationen. Und in einer solchen befindet er sich mit seinem Team gerade. Die Vereinsleitung um Präsident Herbert Hainer und Geschäftsführer Marko Pesic fordert unmissverständlich den Meistertitel, nachdem Pokal und Euroleague-Endrunde verpasst wurden. Am Dienstag gelang Herbert der nächste Schritt: Nach dem Ausgleich in letzter Sekunde durch Heidelberg bewahrten seine Spieler – allen voran Distanzschütze Andreas Obst und Spielmacher Shabazz Napier, die beide je 19 Punkte erzielten – die Nerven und zogen mit dem 94:82-Auswärtssieg nach Verlängerung in das Finale ein. Herberts Kollege, der Academics-Trainer Danny Jansson, kassierte im Übrigen wegen ungebührlichem Meckerns zwei technische Fouls und erwies seinem Team einen Bärendienst.

Herbert blieb ruhig, was sich auf seine Spieler übertrug, obwohl sie eine Achterbahnfahrt erlebten: erst chancenlos, dann zurückgekämpft und im Gefühl des sicheren Sieges den Ausgleich in letzter Sekunde kassiert. „Die Verlängerung war nicht mehr nötig“, befand der Kanadier, „aber ich muss die Jungs loben, sie sind wieder entschlossen in der Overtime aufs Feld gegangen und haben es geholt.“

Gegen wen es nun am Sonntag in der Münchner Halle (18 Uhr) im ersten Finalspiel der Best-of-five-Serie geht, wird noch ausgespielt: Ulm hat am Donnerstag im Duell gegen Würzburg den Heimvorteil. Aber egal, ob bayerisches Derby oder Revanche für das verlorene Halbfinalduell vor zwei Jahren: Einer wird die Ruhe bewahren, Gordon Herbert.