Glosse: Das Wunder von Leverkusen – Sport

Sie trugen ihn vom Feld, während wie in einem Vers von Wilhelm Busch das rote, rote Blut spritzte. Um Bayer Leverkusens Kapitän Alejandro Grimaldo stand es nicht gut, nachdem er mit dem Mitspieler Christian Kofane zusammengeprallt war. Bis aus einer Ecke der Bayarena ein Ruf aus 1000 Kehlen erschall: „Steh auf, du Sau“, riefen die Fans von Union Berlin. Der vermeintlich raue Ton – in Wahrheit aber bloß die typisch liebenswerte Köpenicker Art, Mitgefühl für einen Mitmenschen in Not zum Ausdruck zu bringen. Und siehe: Da geschah es plötzlich, dass sich Grimaldo von seinem Lager erhob, die besorgten Ärzte staunend zurückließ und sprach: „Es ist alles okay.“ Schon morgen werde er zur Nationalmannschaft nach Spanien reisen. Ist es das Wunder von Leverkusen?

Im Fußball kommen Wunder häufig vor. Da waren etwa die Wunder von der Weser, für die Thomas Schaaf und der Prophet Otto Rehhagel verantwortlich zeichneten; es gab die Wunder der endlosen Nachspielzeit, wenn der 1. FC Kaiserslautern auf dem Betzenberg noch ein Tor brauchte, und das Wunder des Bernd Hollerbach, der im Fußballerleben dreitausend gemeine Tritte verteilte, aber bloß dreimal vom Platz geflogen ist. Und natürlich gab es auch das Wunder von Bern in der Regie von Sönke Wortmann.

Wenn sich alle paar Wochen auf dem Friedhof Rosenhügel in Gelsenkirchen und anderen Gräberfeldern in der Umgebung der Veltins Arena die Toten von ihren Plätzen erheben, dann ist das hingegen kein Wunder, sondern die einzig mögliche Reaktion auf den Stadion-Slogan „Steht auf, wenn ihr Schalker seid“. Mit dem Vorfall vor circa 2000 Jahren in Jerusalem nicht vergleichbar.

Steffen Baumgart hat am Samstagnachmittag in Leverkusen das Verhalten der Union-Fans als „die richtige Reaktion“ gewürdigt. Wenn auch mit etwas Verspätung, nachdem er zunächst in guter Köpeniker Tradition darüber gemotzt hatte. Alejandro Grimaldo dagegen ist pünktlich nach Spanien gefahren.