Gleichberechtigung auf dem Kunstmarkt: Wie hat dieser Wandel sich vollzogen?

Frauen haben in der Kunst lange eine Rolle gespielt, ehe sie als Künstlerinnen eigenen Rechts Eingang in die traditionelle Kunstgeschichte fanden. So wirkten sie etwa im Mittelalter in den Klöstern nicht nur als Schreiberinnen, sondern durchaus als Illuminatorinnen bei den Handschriften mit. Ein entscheidender Grund für ihre Marginalisierung ist, dass ihnen der Zugang zu den künstlerischen Produktionsbedingungen, vor allem zu den Akademien bis ins späte 19. Jahrhundert, verschlossen war. Entsprechend wurden Künstlerinnen in der Kunstgeschichtsschreibung mit eklatanter Verzögerung wahrgenommen, wirklich sichtbar wurden sie erst im 20. Jahrhundert.

Zum Ende dieser unguten Latenz trug dann seit den Siebzigerjahren der Beginn feministischer Forschung auch im Feld der Kunst bei. Bis heute einen Schlüsseltext dafür verfasste 1971 die amerikanische Kunsthistorikerin Linda Nochlin mit ihrem Essay „Why Have There Been No Great Women Artists?“. Ihr Text wirkte wie ein Fanal. Nochlin ließ sich gar nicht erst auf die unsinnige Unterstellung fehlenden Talents von Frauen ein, sondern sie argumentierte mit den sozialen und institutionellen Barrieren, nicht zuletzt dem rein männlich codierten „Genie“-Begriff. Schöpferische Selbstverwirklichung war für die weibliche Funktion nicht vorgesehen, stand deren patriarchalischer Bestimmung entgegen.

Zugleich begann die internationale Frauenbewegung, sich gesellschaftlich und politisch Bahn zu brechen – und ist seither nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Der höchste Preis für das Werk einer Künstlerin: 39,5 Millionen Dollar

Der Gesinnungswandel erreichte bald auch den Kunstmarkt, der durchaus sensibel für gesellschaftliche Strömungen ist, weil ständig auf der Suche nach neuem Futter; in diesem Fall nicht seine schlechteste Eigenschaft. Der neue Fokus war begleitet von einem Geschmackswandel, der überkommene Fixierungen auf von Männern produzierte Kunst hinter sich ließ. Wenngleich Gradmesser für pekuniäre Bewertung, avancierte der Markt zu einer Art Katalysator.

Frida Kahlos Werk „Diego y yo“ wurde 2021 für 30 Millionen Dollar versteigert.
Frida Kahlos Werk „Diego y yo“ wurde 2021 für 30 Millionen Dollar versteigert.AP

Nehmen wir ein paar Spitzen aus Auktionen (genannt sind Zuschlagpreise, teils umgerechnet in Dollar, ohne Aufgeld): Der seit 2014 noch immer höchste Preis für das Werk einer Künstlerin beträgt 39,5 Millionen Dollar für Georgia O’Keeffes Gemälde „Jimson Weed“ von 1932. Ihr folgt 2021 Frida Kahlo mit ihrem berühmten Selbstporträt „Diego y yo“ von 1949, zugeschlagen bei 30 Millionen Dollar. (Der Käufer soll Eduardo F. Costantini sein, Gründer des Museo de Arte Latinoamericano de Buenos Aires). Beide Künstlerinnen sind freilich Ausnahmen, die schon seit den Dreißigerjahren in den Avantgarden Ansehen genossen, Kahlo inzwischen als „feministische Ikone“.

Für eine der riesigen „Spider“-Skulpturen der französisch-amerikanischen Malerin und Bildhauerin Louise Bourgeois wurden zuletzt 2023 von einem ungenannten Bieter 28 Millionen Dollar bezahlt. Ihr Ruhm begann erst, als das MoMA in New York 1982 eine Retrospektive ausrichtete; da war Bourgeois schon 70 Jahre alt.

Unter den Zeitgenossinnen führt Marlene Dumas

Unter den Zeitgenossinnen führend ist seit Mai 2025 die südafrikanische Künstlerin Marlene Dumas. Für ihre große stehende „Miss January“ von 1997 bekam ein anonymer Käufer bei 11,5 Millionen Dollar den Rekordzuschlag. Bis dahin hatte die englische Malerin Jenny Saville, Jahrgang 1970, vorn gelegen. 2018 bot für ihren monumentalen, starkleibigen weiblichen Akt „Propped“ ein anonymer Bieter 10,8 Millionen Dollar. Saville gehörte in den Neunzigerjahren zu den „Young British Artists“; 1997 nahm sie an der inzwischen legendären Gruppenausstellung „Sensation“ teil, mit Tracey Emin, Damien Hirst und Sarah Lucas.

Deutsche Rekordhalterin: Rosemarie Trockel
Deutsche Rekordhalterin: Rosemarie Trockeldpa

Die bisher in einer Auktion am höchsten bezahlte deutsche Künstlerin ist Rosemarie Trockel. 2014 ging eines ihrer „Strickbilder“, wie alle diese Arbeiten maschinell (!) gestrickt, in New York für das Gebot von 4,3 Millionen Dollar an einen anonymen Käufer; umso interessanter, als Trockels Kunst wirklich nicht einfach ist.

Das gestiegene Interesse an Künstlerinnen übertrug sich auch auf die Alten Meister. Die italienische Barockmalerin Artemisia Gentileschi wurde, rarer Sonderfall, von ihrem seinerzeit prominenten Vater Orazio ausgebildet; sie kam noch zu ihren Lebzeiten zu Ruhm mit der Suggestivkraft ihrer Bilder und Motive, die an Caravaggio erinnern. Ihre „Lucretia“ erzielte 2019 in Paris den Rekord von 4,4 Millionen Dollar, bewilligt von einem ungenannten europäischen Privatsammler; inzwischen hängt das Gemälde im J. Paul Getty Museum in Los Angeles. In ihrem Gefolge kamen weitere Alte Meisterinnen in den Blick.

Solche Ergebnisse sind erfreulich. Auch wenn sie nur Ausnahmekünstlerinnen betreffen, signalisieren sie eine nicht umkehrbare Entwicklung. Welcher Händler, Sammler oder welches bedeutende Museum würde schon Millionen investieren, bloß weil das Kunstwerk eine Frau gemacht hat? (Vom eklatanten Preisgefälle zu den eben auch aus historischen Gründen weiter im Markt dominierenden Männern ist hier nicht zu reden.)

Fazit: Es geht voran

Immerhin: Die Einschreibung von Künstlerinnen nicht nur in die Listen des Kunstmarkts, sondern in die Kunstgeschichte erfordert einen Umbau des bis dahin gültigen „Kanons“, ob es den Ewiggestrigen passt oder nicht. Die Zeichen einer neuen Zeit haben kunstaffine Institutionen, Museen auch mit ihren temporären Schauen, nicht zuletzt auf zeitgenössische Kunst spezialisierte kommerzielle Galerien und private Sammler und Sammlerinnen schnell erfasst.

So setzte 2022 mit der Kunstbiennale in Venedig die italienische Kuratorin Cecilia Alemani ein klares Zeichen: Die Schau zeigte zu 90 Prozent Künstlerinnen im zentralen Pavillon in den Giardini, unter dem Motto „The Milk of Dreams“ (benannt nach einem Gemälde der surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington). Die Biennale verzeichnete mit mehr als 800.000 Besuchern einen Rekord. Klagen über zu viele Künstlerinnen waren nicht zu hören. Dennoch: Es bleibt noch viel zu tun für Künstlerinnen, die unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle arbeiten.

Ulrike Lorenz ist Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar.
Ulrike Lorenz ist Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar.dpa

Im gleichen Zug einer gesellschaftlichen Neuorientierung kamen endlich zunehmend Frauen in den internationalen Museen und Institutionen in Führungspositionen. Auch dafür nur einige Beispiele: In Londons Tate Modern übernahm 2023 die dänische Kunsthistorikerin Karin Hindsbo den Direktorenposten von ihrer Vorgängerin Frances Morris. Chefin des Louvre in Paris ist seit 2021 Laurence des Cars, die erste Frau in dieser Position. In Deutschland führt seit 2013 Christiane Lange die Staatsgalerie in Stuttgart. Ulrike Lorenz, zuvor Direktorin der Kunsthalle Mannheim, ist seit 2019 Präsidentin der Klassikstiftung Weimar. Anette Hüsch trat im März 2025 als Direktorin der Alten Nationalgalerie in Berlin an. Marion Ackermann, zuvor schon in Führungsrollen in Düsseldorf und Dresden, ist seit Juni 2025 Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Sitz in Berlin. Auch wo Männer die Chefs sind, arbeiten Frauen vermehrt in wichtigen Funktionen, als Kuratorinnen oder Abteilungsleiterinnen.

Schenkt man Statistiken Glauben, sind die Kunsthistorischen Institute der Universitäten in den Vereinigten Staaten schon seit geraumer Zeit paritätisch mit lehrenden und forschenden Frauen besetzt. Auch hierzulande sind sie demnach nicht mehr rein männliche Hochburgen; rund 30 Prozent sind Professorinnen, von denen einige über die Akademia hinaus als Autorinnen und Publizistinnen Bekanntheit erlangen.

Ein Fazit? Es geht jedenfalls voran.