Gespräch mit Jonas Jonasson zur Serie „Whiskey on the Rocks“

Am 27. Oktober 1981 strandete ein sowjetisches U-Boot an der schwedischen Küste. Moskau sprach von einem Versehen, aber eine schwedische Untersuchung glaubte später nicht an Zufälle. Die sechsteilige Serie „Whiskey on the Rocks“ tippt auf ein Saufgelage an Bord. Sie erzählt die Geschichte in Form einer aberwitzigen Satire, in der sich die Präsidenten der Großmächte im Ton vergreifen, beinahe der dritte Weltkrieg ausbricht und ein kauziger Ministerpräsident Schwedens die Situation zu entschärfen versucht. Kann man darüber lachen – in einer Lage wie heute? Ein Anruf beim Bestsellerautor Jonas Jonasson, bekannt durch „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Er hat für „Whiskey on the Rocks“ die Story entworfen.

Filmproduktionen haben eine lange Vorlaufzeit. Wie weit waren Sie mit „Whiskey on the Rocks“, als Putin im Februar 2022 die Ukraine angriff und die Furcht vor einem dritten Weltkrieg ungeahnt aktuell wurde?

Ich habe ja nur die Story entworfen, und das war eine Zeit her. Das Drehbuch war 2022 ebenfalls fertig. Überhaupt war das Projekt recht weit. Dass es trotzdem eine Pause gab, lag an der Besetzung der russischen Rollen. Sie sollten ursprünglich von russischen Darstellern übernommen werden, und das war nun nicht möglich. Die Russen in der Serie werden von baltischen Schauspielern gespielt.

Haben Sie Änderungen vorgenommen?

Ach, wissen Sie: Das ist eine Sache, die ich bei den Reaktionen auf die Serie in Schweden nicht verstanden habe. Die Kritiken fielen überwiegend positiv aus. Aber es gab auch die Frage, ob das in diesen Zeiten das Richtige sei: ein lustiger Film über Russland. Das habe ich nicht verstanden. Die Serie handelt von einem Ereignis im Jahr 1981, das ist lange her. Weshalb sollten wir dabei die Situation von heute berücksichtigen? Würde diese Frage auch gestellt bei einem französischen Film über Napoleons Russlandfeldzug? Reagan, Breschnew und Schweden im Kalten Krieg – all das ist Geschichte. Sie kennen bestimmt das alte Sprichwort: „Tragedy plus time equals comedy.“

Glauben Sie, dass man eines Tages selbst aus der heutigen weltpolitischen Lage eine Satire machen könnte?

Man kann über alles Witze machen. Die Frage ist, wie man es macht. Ich persönlich kann mir allerdings nicht vorstellen, über die heutige Tragödie in der Ukraine mit so vielen Toten zu scherzen. Ich könnte auch keinen humorvollen Film über den Holocaust machen – Roberto Benigni hat es mit „La Vita è Bella“ erfolgreich geschafft.

DSGVO Platzhalter

Die Geschichte vom Oktober 1981, die „Whiskey on the Rocks“ ausmalt, ist dramatisch bis an den Rand eines neuen Weltkriegs. Aber sie hat ein Happy End.

„Happy“ im Sinne von „friedlich“. Die absolute Voraussetzung dafür, dass ich mich auf die Geschichte einlassen kann.

Die ursprüngliche Idee zur Serie stammt von Henrik Jansson-Schweizer, der auch das Drehbuch schrieb. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?

Henrik verfilmte als Produzent 2013 meinen Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Irgendwann fragte er mich, ob ich an einem Film über den U-Boot-Zwischenfall mitwirken wolle. Für mich war das etwas Neues. Normalerweise erfinde ich meine Figuren ja selbst. Ich erinnerte mich aber sofort an die dramatischen Tage. Und an Beteiligte wie den damaligen Ministerpräsidenten von Schweden mit seiner Mischung aus Brillanz, Schafzucht und schlechtem Englisch. Oder an seinen unentschiedenen Außenminister. Ich dachte also nur: „Shit, da muss ich kaum noch was erfinden.“

Wie erfinden Sie denn Figuren?

Es ist nicht so, dass ich Figuren „klauen“ würde, denen ich im echten Leben begegnet bin. Aber ich sammle Eindrücke und präge sie mir ein. Als ich auf Gotland lebte, gab es dort einen Mann, der Hühner gezüchtet hat. Er war zugleich ein ehemaliger Wirtschaftsprofessor aus Stockholm. Und Experte in irgendeiner Kampfkunst. Und Hypnotiseur. Und komponiert hat er auch. Solche Menschen, die vom Mainstream abweichen, merke ich mir, und dann fließen Teile davon in meine Geschichten ein. Aber wenn ich einen Ministerpräsidenten erfinden würde, der Schafzüchter ist? Dann würden Sie sagen, dass ich den doch bestimmt erfunden hätte.

Wie lange brauchten Sie für die Grundzüge von „Whiskey on the Rocks“?

Ganz ehrlich: Die riefen an einem Freitag an und erzählten, auf der Suche nach der richtigen Form für das Thema zu sein. Sie hatten wohl die britisch-französische Komödie „Der Tod von Stalin“ von Armando Iannucci gesehen, mochten den Ton meiner Bücher und fragten, ob ich mir die Sache über das Wochenende mal durch den Kopf gehen lassen könnte. Da machten Sie die Rechnung nicht mit meinem ADHS. Am Montag stand ein erster Entwurf von zehn oder fünfzehn Seiten, und mein Agent sagte nur: „Das kannst du noch nicht schicken, das verdirbt die Preise.“ Es musste natürlich noch vertieft werden. Neunzig Seiten waren es am Ende.

In der Serie ist ein Trinkgelage an Bord des U-Boots für eine massive Krise verantwortlich. Das ist natürlich schon deshalb lustig, weil „U 137“ ein Boot der sogenannten Whiskeyklasse gewesen ist. Aber war die Wirklichkeit nicht viel ernster? Es gibt einen staatlichen Bericht von 1995, der nicht an Zufälle glaubt.

Unsere Geschichte ist „inspiriert von“ der Wirklichkeit. Es handelt sich nicht um die echte Geschichte. Was die Ursache des Ganzen ist, da sind die Experten noch immer geteilter Meinung. Ich würde aber behaupten, dass vieles davon näher an der Wahrheit ist, als man annehmen möchte. In unserer Version ist sowjetisches Militär in den schwedischen Schären aktiv, aber unser U-Boot landete zufällig dort und zwang die Russen zum Abbruch der Operation. So schützen wir uns und stimmen mit „allen“ überein – mit denen, die von einem Versehen ausgehen, und mit denen, für die das U-Boot absichtlich in die Schären eindrang.

Was war noch knifflig bei der Auseinandersetzung mit dem echten Geschehen?

Ein Problem beim Schreiben bestand darin, dass es zu viele männliche Gestalten in der Geschichte gab. Ich habe deshalb den sowjetischen Botschafter in eine Botschafterin verwandelt. Und wir brauchten auch noch einen leicht verrückten Bösewicht. Das wurde bei uns der Oberbefehlshaber der schwedischen Armee, weshalb wir aber auch seinen Namen verändert haben. Der echte Oberbefehlshaber war ein sehr seriöser Mann.

Nicht so gelungen finden wir die überzeichneten, an amerikanische Klamaukfilme erinnernden schwedischen Soldaten. Anderes ist klasse. Die Serie malt sich zum Beispiel schön aus, welche Rolle Dolmetscherinnen bei der Bewahrung des Friedens spielen. Sie packen stets in freundliche Worte, was sich der Cowboy Reagan und der Trinker Breschnew telefonisch an den Kopf werfen, und retten mehr als einmal die Lage.

Ja, manchmal können solche Dinge entscheidend sein. Oder auch Momente, in denen Leute Gemeinsamkeiten entdecken wie die Liebe zur Schafzucht. Aber apropos „übertrieben“: In einer Szene verteilt das schwedische Militär Männermagazine mit nackten Frauen an die sowjetische U-Boo­t-Besatzung. Albern, nicht wahr? Wenn es nur nicht so wäre, dass es absolut wahr ist, dass es tatsächlich so passiert ist. Im Übrigen glaube ich, dass unsere Serie daran erinnert, dass Humor und Selbstdistanz zur Lösung internationaler Konflikte beitragen können.

Würden Sie das als Botschaft der Serie bezeichnen?

Wenn man etwas aus ihr lernen kann, dann sicherlich, wie fragil so ein Friedenszustand doch ist. Eine Sache kann schnell zur anderen führen, es gibt sehr viel Dummheit in der Welt, und wenn sich zwei Dummheiten begegnen, kann das zur einer furchtbaren Tragödie führen.

Whiskey on the Rocks läuft auf Disney+.