Geschichte: Das berühmte Kochbücher der Lilo Aureden – Gesellschaft

1953 erscheint das Kochbuch „Was Männern so gut schmeckt“ im List-Verlag – und wird bald ein Kassenschlager. Bereits ein Jahr später folgt die zweite Auflage. 1963 sind schon 370 000 Exemplare auf dem Markt, so zählt es die Historikerin Birgit Jochens. Von 1979 an erscheint das Buch im Heyne-Verlag sogar mit dem Untertitel „Das meistverkaufte Taschenkochbuch aller Zeiten“.

Beim Tischdecken zeigt sich „die Kunst und Kunstfertigkeit der wahren Hausfrau“

Wer heute durch die vergilbten Seiten blättert, der findet nicht nur Rezepte. Den Ton setzt die Autorin, wenn sie über die moderne Hausfrau schreibt: Mit ihrer „Kochkunst“ soll die den Mann „bezirzen“. Und: „So mancher Familienkrach kann vermieden werden, wenn die Hausfrau es versteht, im richtigen Moment einen guten Tropfen charmant zu servieren.“ Und beim Tischdecken zeigt sich „die Kunst und Kunstfertigkeit der wahren Hausfrau“.

Wer das heute liest, dem vergeht eher der Appetit. Was das Kochbuch als moderne und fortschrittliche Frauenrolle darstellt, wirkt in unseren Tagen rückständig. Aus Kochbüchern ist „die Hausfrau“ mittlerweile verschwunden. Und doch lebt das Ideal aus den Fünfzigerjahren noch weiter, in konservativen Gesellschaftskreisen oder – als aktueller Trend – in den sozialen Medien. Als „Tradwives“, Traditionsfrauen, filmen sich Frauen, meist herausgeputzt, die Frisur sitzt. Sie kochen und backen, kümmern sich um die Wäsche. Alles steht bereit, wenn Mann und Kind sich an den Tisch setzen.

Der Kochbücher-Markt boomt noch immer. Kochbücher greifen Trends auf, Esskultur ist Zeitgeist. Schon 1953 beginnt Aureden ihr Kochbuch mit den Worten: „Jede Zeit braucht ihr Kochbuch, weil sich Geschmack und Wünsche wandeln wie die Mode.“

Die Hausfrau als konservatives Ideal

Was verrät „Was Männern so gut schmeckt“ über Geschmack und Wünsche der 50er-Jahre? Ein Zeitsprung zurück ins Erscheinungsjahr 1953, als Elizabeth II. den britischen Thron besteigt, die USA und Nordkorea einen Waffenstillstand unterzeichnen, in der Bundesrepublik Deutschland soll das Familienrecht erneuert werden. Denn das alte ist seit 1949, als die Gleichberechtigung von Frau und Mann im Grundgesetz verankert wurde, verfassungswidrig. Doch die Frist vom 31. März 1953 lässt die erste Bundesregierung unter CDU-Kanzler Konrad Adenauer verstreichen.

Damals sitzen nur 38 Frauen im Bundestag, von insgesamt 410 Abgeordneten. Eine von ihnen, die FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher, erinnert sich später in einem Interview mit dem Deutschlandfunk so: „Es hat niemand ernst genommen, es hat der Gesetzgeber gar nicht ernsthaft damit gerechnet, was auf ihn zukommt.“ Fünf Jahre wird es dauern, bis das neue Familiengesetz in Kraft tritt. Es führt die Ehe als Zugewinngemeinschaft ein. Erst ab dann dürfen Frauen gegen den Willen ihres Ehemannes arbeiten und ihr eigenes Konto führen – aber auch nur, so spricht das Gesetz, „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist“. Die Hausfrau bleibt das konservative Wunschbild der Nachkriegsgesellschaft.

Wirtschaftlich geht es den Westdeutschen immer besser. 1953 rollt der 500 000ste VW-Käfer vom Band. Mitte der Fünfzigerjahre zieht auch die private Kaufkraft an. Noch sind die Lebenshaltungskosten gering, es bleibt für viele mehr Geld zum Ausgeben: für Autos, Möbel, Reisen, Essen. Ein gut geführter Haushalt ist bürgerliches Statussymbol.

„Gern mal was anderes kochen.“

Diesen Zeitgeist trifft eine Autorin wie Lilo Aureden, wenn sie schreibt, die Suppe sei die Visitenkarte einer Hausfrau. Mit dem Start seiner neuen Taschenbuchreihe setzt der List-Verlag auf Masse, erzählt die Historikerin Birgit Jochens: Die Bücher kosteten damals so viel wie eine Kinokarte, 2,20 oder 2,40 DM.

In den Fünfzigerjahren wächst der Haushalt als Markt an, Innovation soll die Hausfrau zur Kundin gewinnen. Die erste vollautomatische Waschmaschine auf dem deutschen Markt ist bereits ausgestattet mit einem Bullauge. Der Ingenieur Peter Pfennigsberg stellt seine Constructa 1951 in Hannover vor. Sie richtet sich noch an die wohlhabende Oberschicht, aber bald ziehen massentauglichere Modelle nach. 1958 bringt Miele den ersten elektrischen Wäschetrockner auf den europäischen Markt. Zwischenzeitig hat die Schweizer Firma Jura das erste elektrische Dampfbügeleisen in Europa verkauft. Und auch an den Herd kommt Schwung: Der Schnellkochtopf wird 1953 in Frankreich vorgestellt. Während der Präsentation explodiert er jedoch, ein Jahr später kommt ein leicht verändertes Modell mit Sicherheitsbügel auf den Markt.

Erprobte Rezepte: Was Kochbücher über den Zeitgeist verraten.
Erprobte Rezepte: Was Kochbücher über den Zeitgeist verraten. (Foto: Alamy Stock Photos/Jürgen Wiesler/mauritius images)

Hinter dem Geschmack der 50er steht ein Verlangen, das Lilo Aureden so beschreibt: „Eine ganze Generation junger Frauen möchte: Gern mal was anderes kochen, Neues wagen, Altes hinter sich lassen.“ Der Wandel ist Geschmack. Die Historikerin Birgit Jochens, Jahrgang 1948, hat zu Berliner Kochbuchautorinnen geforscht, an „Was Männern so gut schmeckt“ erinnert sie sich selbst, es stand in der Küche ihrer Mutter: „Dieses Kochbuch hat mit dazu beigesteuert, dass meine Mutter eine andere Form von Hausmütterlichkeit entwickeln und so mit ihrer eigenen Mutter einen Wettstreit befrieden konnte.“ Die nämlich hätte mit großem Aufwand schwere Braten zubereitet, während Jochens Mutter ein neues, leichtes Paprika-Gericht ausprobierte. „Auch das war völlig in Ordnung“, sagt Jochens, „dieses unschuldige Kochbuch hat dazu beigetragen, dass Frauen so allmählich mal einen anderen Weg für sich entwickeln, indem sie einfach mal ein bisschen ausprobieren konnten.“

Die Geburtsstunde des Toasts Hawaii

So gaben Auredens Rezepte den Köchinnen auch etwas mehr Freiheit im Alltag. Zumal in den Fünfziger- und Sechzigerjahren neue Lebensmittel auf den Markt kommen, sie sind leichter zu lagern und schneller zuzubereiten. Rindsbouillonwürfel etwa vertreibt das Unternehmen Maggi schon seit 1950. 1958 führt es einen neuen Klassiker ein, Ravioli aus der Dose. Auch Früchte aus der Dose werden populär, besonders die Ananas. Ihr zu verdanken ist die Popularität eines Gerichts, das von nun an eine Prise Exotik zum Abendbrot versprüht. Auch wenn erst wenige Haushalte über einen eigenen TV-Apparat verfügen: Am 20. Februar 1955 präsentiert der Fernsehkoch Clemens Wilmenrod seine neue Kreation. Es ist der Toast Hawaii, der dann zum kulinarischen Symbol seiner Zeit wird – eine Scheibe Toastbrot, belegt und überbacken mit Schinken, Ananas, Käse und einer Cocktailkirsche.

1955 stellen Produzenten auf einer Messe die ersten Tiefkühlgerichte vor. Vier Jahre später rollen Fischstäbchen vom Band der Marke Solo Feinfrost, heute Iglo, vom Band. Der praktische Nutzen dieser Erfindungen passt nicht mehr zu der Vorstellung von einer Hausfrau, die mittags und abends aufwendig frisch kocht. Lilo Aureden griff dieses Dilemma auf, sagt Birgit Jochens. Sie ermutige Frauen dazu, zu sagen: Heute gibt’s was aus der Tiefkühltruhe, heute war nicht so viel Zeit. „Das ist eine spektakuläre Äußerung in den Fünfziger-, Sechzigerjahren.“

Das Neue bedeutet neben abgespeckten Gerichten für Lilo Aureden auch, „Rezepte aus aller Herren Länder“ zu versuchen. „Die Welt ist enger geworden in den letzten 30 Jahren“, schreibt sie, „und anderswo isst man auch gut, nicht nur Rippchen mit Kraut.“ Stattdessen wirbt sie für gebratene Banane mit Schinken, indische Currysauce, Irish Stew. Ein Kapitel widmet sich ganz dem Reis, ein anderes der Paprika („Männer lieben Paprika“) oder der Aubergine („Die meisten Hausfrauen wissen nicht, was sie damit anfangen sollen“). Sie stellt „italienische Spezialitäten“ vor: Spaghetti Napoletana, Gnocchi, Ravioli.

„Bei Fischern in Neapel und Bari, bei Weinbauern am Mittelmeer, bei Schafhirten auf dem Balkan.“

Was heute in jeder WG-Küche zu finden ist, ist damals eine neue Welt. Und die soll sich die moderne Hausfrau zunutze machen „Die jungen Männer, die heute heiraten, sind in der Welt herumgekommen und wissen, dass es andere, leckerere Dinge gibt“, schreibt Aureden. Auch sie sei in der Fremde gewesen, „bei Fischern in Neapel und Bari, bei Weinbauern am Mittelmeer, bei Schafhirten auf dem Balkan“, sie kenne deren Kochkünste. „Die Leute waren in der gleichen Lage wie wir: Sie hatten wenig Geld – aber sie wollten trotzdem gut essen. Und darin liegt die Kunst einer modernen Hausfrau.“

Der Zeitgeist des Neuen kommt den Deutschen aber auch gelegen, um die dunkle Vergangenheit der Nazidiktatur abzuschütteln oder zu vergessen. International zu essen, zeigt Aufbruch, Exotik ist aufregend. Italien wird zum Sehnsuchtsland. Wer dort nicht hinreist, der geht mindestens ins Kino und sieht „Don Camillo und Peppone“, hört Schlager wie „Caprifischer“ oder „O mia bella Napoli“. Von 1961 an ist mit Mirácoli das erste Halbfertig-Nudelgericht zu kaufen. Natürlich schwappt die internationale Küche nicht nur, wie Aureden es darstellt, von außen nach Deutschland, sondern befindet sich schon längst dort. In Würzburg eröffnet 1952 die erste Pizzeria in Deutschland.

Laut der Historikerin Maren Möhring existieren aber schon früher einzelne Eisdielen und Trattorien. Von 1955 an, mit dem ersten Anwerbeabkommen mit Italien, ziehen Gastarbeiter nach Deutschland. Es folgen Abkommen mit Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien. Nun schließen auch immer mehr Balkangrill-Restaurants ihre Türen auf.

Dennoch ist der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder vorsichtig damit, von einer Internationalisierung der deutschen Küche zu dieser Zeit zu sprechen. Zwar öffneten die ersten Pizzerien und China-Lokale, diese funktionierten aber „preußisch akkurat“ und „nicht wie in China“. Namen wie Sauce béarnaise oder holländische Soße klingen zwar international, aber sie hätten nicht zwingend etwas mit der Landesküche zu tun. Darum spricht Hirschfelder von einer „dekorativen Internationalisierung, keiner funktionalen oder strukturellen“. Die jüdische Küche habe bis in die Sechzigerjahre hinein keine Beachtung in solchen Kochbüchern gefunden – trotz ihrer langen Tradition in Deutschland.

Die Autorin hatte wenig von ihrem Erfolg

Nicht nur in Bezug auf das Ideal der Hausfrauenehe und den internationalen Geschmack ist „Was Männern so gut schmeckt“ typisch für seine Zeit. Seine Entstehungsgeschichte leider auch. Denn wer denkt, dass der Erfolg eines solchen Klassikers seiner Autorin zu Ruhm und Wohlstand verholfen hat, der irrt. In einem Brief aus dem Februar 1962 an ihre Freundin und CDU-Politikerin Gabriele Strecker verkündet Lilo Aureden das Ende ihrer Karriere als Autorin von fünfzehn Büchern. Ein Pressedienst habe seit 1956 aus ihren Büchern abgeschrieben und Rezepte gedruckt, ohne ihr Wissen und Einverständnis, und sie so um 18 000 DM gebracht. „Jetzt hab’ ich zwei Millionen Auflage erreicht – und keinen finanziellen Erfolg.“

Diese Aussage sieht Historikerin Jochens zwar skeptisch, aber dass Aureden betrogen worden sei, überrascht sie nicht: „Auch bei früheren Kochbuchautorinnen habe ich gesehen, dass Verlage große Leidenschaft dafür gehabt haben, Frauen über den Tisch zu ziehen, wenn es um erfolgreiche Bücher ging.“ Von Aureden selbst ergibt sich nur ein unvollständiges Bild, vieles ist über die Bestsellerautorin nicht bekannt. Was Jochens weiß: Charlotte Appenroth, unter diesem Namen wird sie 1912 geboren, versucht zunächst eine Filmkarriere. Als Lilo von Abendroth spielt sie in kleineren Rollen der Ufa-Filme von 1935 bis 1937. Im Alter von 17 Jahren heiratet sie einen deutlich älteren Mann. Nach dem Zweiten Weltkrieg taucht sie wieder auf als Journalistin und Buchautorin. „Lilo Aureden ist in ihre Zeit hineingestürmt“, sagt Jochens. „Sie hat etwas vorgelegt, das offensichtlich erfolgreich war, was auch ein bisschen verwirrt hat.“

Und das bleibt „Was Männern so gut schmeckt“ bis heute. Einige Rezepte sind mit der Zeit gegangen, der „Dänische Rotkohl“ erlebt jedes Weihnachten sein Revival. Aber je länger man sich mit diesem Kochbuch beschäftigt, desto mehr fragt man sich: Meinte Aureden das wirklich ernst?

„Kommt aus dieser Enge der eigenen Häuslichkeit raus.“

Die Ironie, die biblischen Anspielungen, Eva und Adam, sie trägt oft zwei Schippen zu viel auf. Jochens ist sich sicher: „Sie hat mit dem Koketten und dem Bezirzen gespielt.“ Dafür sei Aureden in den späten Sechzigerjahren kritisiert worden, aber für sie sei der emanzipatorische Gedanke ihrer Bücher wichtiger gewesen. Aureden habe viele Frauen doch erst ermutigt: „Kommt aus dieser Enge der eigenen Häuslichkeit raus, guckt euch mal ein bisschen um. Nehmt eure Männer, diesen ganzen Haushalt nicht so ernst.“

Da ist etwas dran, liest man Aureden genau, dann spürt man ihren leisen, aber ironischen Humor: In „Was Männern so gut schmeckt“ widmet sie ein Kapitel dem „Strohwitwer“, einem Mann, dessen Frau und Mutter verreist sind. Sie empfiehlt ihm Wiener Fleischschmarren, das ist Hackfleisch in Stücken, angebraten mit Mehl und Ei, Pfannkuchen in vier Variationen, ein Pariser Omelett. „Nun kann er wenigstens mal in der Küche nach Herzenslust herumhantieren“, schreibt sie, „und jeden Tag ein anderes Leibgericht genießen.“