Dass chronische Geldnot die Mutter der Krankheit ist, überrascht wohl niemanden mehr. Doch ob der naheliegende Schluss – dann gibt man den Menschen eben Geld – tatsächlich der Gesundheit dient, ist überraschend wenig untersucht. Dabei haben in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als 100 ärmere Staaten genau diese Strategie ergriffen: Menschen in finanzieller Not Geld zuzuteilen. Mal zur freien Verfügung, mal an bestimmte Bedingungen wie einen regelmäßigen Schulbesuch der Kinder geknüpft.
Neue Erkenntnisse zum gesundheitlichen Nutzen dieses Vorgehens legt nun ein Forscherteam der University of Pennsylvania Perelman School of Medicine in der Fachzeitschrift Lancet vor. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hatten Daten aus insgesamt 37 weniger wohlhabenden Ländern ausgewertet. Zwanzig der Staaten hatten im Beobachtungszeitraum von 2000 bis 2019 Cash-Transfer-Programme eingeführt.
Den Ergebnissen zufolge zeigten Kinder unter 5 Jahren nach Beginn der finanziellen Unterstützung stärkere Verbesserungen ihrer Gesundheit als ihre Altersgenossen in Ländern ohne diese Hilfen. Die Kinder erlitten weniger Durchfallerkrankungen und waren seltener untergewichtig. Männliche Zwillinge, die besonders oft Opfer von Schwangerschaftskomplikationen werden, überlebten die Zeit im Mutterleib häufiger.
Frauen und jüngere Kinder zeigen eine geringere Sterblichkeit – aber was ist mit Männern und älteren Kindern?
Zugleich ergab die Auswertung, dass sich Frauen nach Beginn der Zahlungen gesundheitsförderlicher verhielten als Frauen in den anderen Ländern. Sie nahmen nun häufiger Schwangerschaftsuntersuchungen und professionelle Geburtsbegleitungen in Anspruch. Sie investierten stärker in die Familienplanung und legten beispielsweise längere Pausen zwischen Schwangerschaften ein. Die Kost für den Nachwuchs entsprach stärker den gängigen Empfehlungen. Zugleich ließen sie ihre Kinder häufiger gegen Masern impfen. Die meisten der beobachteten Verbesserungen lagen zwischen zehn und 40 Prozent. Für einige Parameter, etwa Wachstumsverzögerungen von Kindern, konnte allerdings keine Besserung gezeigt werden.
Die Forscher hatten nur Frauen und jüngere Kinder untersucht, da ihre Arbeit auf einer vorangegangenen Studie aufbaut. In dieser hatten sie gezeigt, dass diese beiden Gruppen nach der Einführung von finanziellen Unterstützungsprogrammen eine etwa zehn bis zwanzig Prozent reduzierte Sterblichkeit aufwiesen. In der nun erschienenen Folgestudie wollten sie mögliche Ursachen dafür herausfinden. Sie hatten sich daher auf einige besonders plausible Indikatoren konzentriert, zu denen in den Ländern akzeptable Daten vorlagen.
Allerdings liegt es im Wesen solcher Beobachtungsstudien, dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob die beobachteten Zusammenhänge tatsächlich ursächlicher Natur sind. Auch andere Faktoren können zu den gesundheitlichen Verbesserungen und der längeren Lebensdauer beigetragen haben. Die Forscher haben versucht, solche Einflüsse herauszurechnen, darunter die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Landes und das Vorhandensein weiterer Hilfsprogramme. Sie fanden auch heraus, dass die Gesundheit umso stärker profitierte, je umfangreicher die Hilfszahlungen waren, was prinzipiell ein Hinweis auf einen Kausalzusammenhang ist.
In einer Pressemitteilung zeigen sie sich daher optimistisch, dass die Verbesserungen zumindest in Teilen tatsächlich an den Geldzahlungen liegen. Hauptautor Aaron Richterman, sagte, die Studie verdeutliche „die weitreichenden gesundheitlichen Vorteile, die diese Programme mit sich bringen können“. Seine Kollegin Harsha Thirumurthy ergänzte: „Die Ergebnisse dieser Studie untermauern die Argumente für eine Ausweitung der Geldtransferprogramme durch die Länder“. Denn: „Geldtransferprogramme wirkten sich nicht nur auf Mütter, sondern auch auf ihre Kinder aus und führten zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Verbesserungen.“
Alle Fragen sind freilich nicht geklärt. In der Vorgängerstudie konnte kein Vorteil der Geldzahlungen für die Sterblichkeit von Männern und älteren Kindern gezeigt werden. Warum, ist unklar.
