
Geldsegen für die EU
Europa wird durch Trump zum sicheren Hafen für Investoren
04.07.2025, 17:28 Uhr
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US-Präsident Trump sorgt mit seinen Zöllen für einen neuen Trend: Aus Angst vor hohen Belastungen wenden sich Investoren und Unternehmen zunehmend von den USA ab und der EU zu. Die Bedingungen in Europa seien vielleicht nicht „ideal“, dafür aber „stabil“, sagt ein Unternehmer.
Für Peter Rößner und sein Unternehmen H2Apex scheinen die von US-Präsident Donald Trump Zölle Fluch und Segen zugleich zu sein: Laut dem Chef des Wasserstoff-Unternehmens kommen Zulieferer aus den Vereinigten Staaten aufgrund von Zollrisiken für ein mehr als 200 Millionen Euro schweres Projekt in Lubmin, im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns, nicht mehr infrage. Dafür steigt das Interesse von Investoren aus Übersee an Unternehmen in Europa. Mehr Geld fließt in die EU.
Eventuelle Zölle würden ein enormes Risiko mit sich bringen und die Wirtschaftlichkeit des Projekts gefährden, beklagt Rößner. Investoren im Bereich Wasserstoff konzentrierten sich deshalb jetzt mehr auf den europäischen Markt „aufgrund der Planungsunsicherheit in den USA“, fügt er hinzu. Denn: „Die Rahmenbedingungen in Europa sind zwar nicht ideal, aber stabil.“ Rößners Aussagen spiegeln einen Trend der letzten Monate wider: Investoren und Unternehmen werden von den milliardenschweren Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung angezogen. In Zeiten von Trumps unberechenbarer Zollpolitik verheißt Europa Stabilität. Dies zeigt sich in mehr als einem Dutzend Interviews mit Führungskräften und Fondsmanagern.
Eine Zäsur durch die Präsidentschaft Trumps nimmt auch Christoph Witzke, Fondsmanager der Deka, wahr. „Vorher war bei den Investorenkonferenzen der Fokus meist auf den USA, manchmal etwas China“, berichtet er: „Jetzt ist Europa ganz klar im Fokus.“ Die USA galten traditionell als kapitalmarktfreundlich und stabil. „Jetzt gibt es politische Eingriffe und auch den Versuch der Machtverbreiterung“, fügt er hinzu: „Das schafft Unsicherheit.“ Europa rückt damit in den Fokus der Investoren.
Auch mit Blick auf die von Trump gesetzte Frist für ein Handelsabkommen am 9. Juli und seine Drohung, ohne Abkommen 50 Prozent Zölle auf alle EU-Waren zu erheben, haben Investoren begonnen, ihr Geld umzuschichten. Daten von LSEG Lipper Funds zeigen, dass in diesem Jahr bisher mehr als 100 Milliarden Dollar in europäische Aktienfonds geflossen sind – dreimal so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Abflüsse in den USA haben sich auf fast 87 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Vieles deute darauf hin, dass Investoren in Europa Werte sehen und Vertrauen haben, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erst Anfang des Monats gesagt.
Direktinvestitionen in Deutschland 2025 doppelt so hoch
Die Verschiebung zeigt sich auch an der Börse: Die Abspaltung der Nordamerika-Sparte Amrize des Baustoffkonzerns Holcim legte in der vergangenen Woche nur ein verhaltenes Börsendebüt hin. Der Sprung an die Börse war Anfang 2024 angekündigt worden, der Reiz amerikanischer Bewertungen sollte eigentlich die Anleger locken. Der Aktienkurs des Holcim-Konzerns, der sich nun klar auf Europa, Lateinamerika und Nordafrika konzentriert, stieg am Tag des Börsendebüts dagegen um rund 15 Prozent.
Der deutsche Konzern Siemens Energy, der mehr als ein Fünftel seines Umsatzes in den USA einfährt, hat Finanzchefin Maria Ferraro zufolge ebenfalls einen Wandel festgestellt. Dieser habe sich auch jüngst auf einer Roadshow vor Investoren in den USA gezeigt. Auch Statistiken zeigen ein klares Bild: Die viel beachteten ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Europäischen Union, haben sich in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 auf 46 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Dies zeigten die jüngsten Daten der Bundesbank. Es ist der höchste Stand seit 2022. Die Daten zeigen auch, dass deutsche Unternehmen in drei der ersten vier Monate des Jahres sogar Geld aus den USA abgezogen haben.
Jetzt muss Europa liefern
Das Bild ist jedoch nicht durchgängig positiv. Mehrere Investoren weisen darauf hin, dass Europa nun unter Druck stehe, schneller zu handeln, bessere Regulierungen zu schaffen und seine milliardenschweren Ausgabenversprechen auch wirklich einzulösen. „Die Outperformance der europäischen Aktienmärkte in den letzten Wochen ist ein sichtbares Indiz für diesen Stimmungswandel, aber dies Sentiment kann sich schnell wieder drehen“, warnt Stefan Wintels, Chef der staatlichen Förderbank KfW.
„Dies sollte Warnung und Ansporn zugleich sein, jetzt das Momentum zu nutzen und die geplante Agenda konsequent umzusetzen“, mahnt er. „Neben einer deutlichen Verbesserung der regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen ist es vor allem wichtig, dass Europa zu einem Standort für Innovation und neue Technologien wird“, sagt Wintels. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, der kürzlich nach Katar, Abu Dhabi und Saudi-Arabien zu Gesprächen reiste, sagte vergangene Woche, das Interesse an Europa und Deutschland sei enorm. Er warnte jedoch, dass die Bedingungen langfristig stabil sein müssten. Denn: „Das sind nicht die Leute, die innerhalb von zwei Tagen investieren.“ Aber sie sähen natürlich, was sich in der Welt gerade entwickelt.