Hyldgaard: Zunächst möchte ich der Bundeswehr und Deutschland ganz herzlich dafür danken, dass sie uns danach so rasch und unkompliziert geholfen haben, den EU-Gipfel in Kopenhagen zu sichern, übrigens gemeinsam auch mit ukrainischem Militär, dessen Expertise in Sachen Drohnen extrem groß ist. Jeder muss lernen, mit Drohnen umzugehen. Das ist sehr kompliziert, und die Entwicklung geht rasend schnell. Es braucht Zeit, das in unsere Luftverteidigung zu integrieren.
Breuer: Man kann nicht alles schützen. Es ist klar, dass ein Gegner da in der Initiative ist und wir als offene Gesellschaften eine Vielzahl verwundbarer Punkte haben, in Deutschland ebenso wie in Dänemark. Aber wir können darauf reagieren, und wir werden besser. Die gemachten Schritte sind riesig. General Hyldgaard und ich haben uns erst heute gemeinsam die neuesten Entwicklungen angesehen, und die sind vielversprechend.
General Hyldgaard, was planen und tun Sie, um gegen hybride Attacken solcher Art besser gewappnet zu sein?
Hyldgaard: Wir müssen von solchen Erfahrungen lernen und in drei Richtungen besser werden: Detektion solcher Bedrohungen, sie abzufangen und dann, drittens, die Einzelereignisse miteinander zu verbinden.
Wissen Sie denn inzwischen, drei Wochen später, woher die Drohnen kamen?
Hyldgaard: Darüber möchte ich nicht spekulieren, es gibt Untersuchungen der Polizei, aber auch der Nachrichtendienste. Aber wir analysieren und kooperieren, um in Zukunft zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.

General Breuer, Sie sagen gelegentlich, „Russland testet uns“. In letzter Zeit häufen sich diese Tests, und man kann nicht behaupten, dass die NATO sie bravourös besteht. Ist das Bündnis nicht gut aufgestellt?
Breuer: Doch. Wenn Sie etwa die Verletzungen des Luftraums in Estland oder Polen betrachten, dann wussten wir als NATO zu jeder Sekunde, wo und was dort vorging. Die Reaktion darauf war exakt nach den Regularien des Bündnisses, und sie war angemessen. Die NATO hat klar und koordiniert gehandelt. Darauf können wir vertrauen.
Darf das dänische Militär Drohnen abschießen? Wir diskutieren in Deutschland gerade ziemlich ausgeprägt über Zuständigkeiten und Risikoabwägung.
Hyldgaard: Ja, wir dürfen Drohnen über militärischen Einrichtungen unter bestimmten Umständen runterholen, und wir dürfen der Polizei helfen, wenn sie uns darum bittet. Man muss aber auch die Risiken bewerten. Wir testen daher nichtkinetische Möglichkeiten, etwa mit Netzwerfern.
Breuer: Solche nichtkinetischen Systeme hatten wir bei unserer Unterstützung in Kopenhagen dabei. Sie wurden neu entwickelt und in kürzester Zeit in der Truppe eingeführt. In Deutschland sind die Rahmenbedingungen den dänischen ähnlich: Wir dürfen über militärischen Einrichtungen mit unmittelbarem Zwang eingreifen, außerhalb ist es die Zuständigkeit der Polizei, aber auch da arbeiten wir sehr eng zusammen und unterstützen bei Bedarf.
Etliche Drohnenvorfälle werden Schiffen der russischen Geisterflotte zugerechnet, von denen aus Drohnen gestartet und kritische Infrastruktur ausgekundschaftet worden sein soll. Müsste dagegen nicht konsequenter vorgegangen werden?
Breuer: Wir brauchen hier ein klares Bild, was auf diesen Schiffen vor sich geht. Das bedeutet internationale Kooperation und engster Datenaustausch. Da sind wir noch nicht dort, wo wir hinwollen und -müssen, aber wir machen Fortschritte. Beispielsweise mit dem Ende 2024 aufgestellten gemeinsamen Kommando Joint Task-Force Baltic (CJTF) in Rostock. Dort werden auch diese Informationen gesammelt, verknüpft und bewertet. Es ist noch ein Stück Weg zu gehen, aber wir sind dort definitiv nicht blind.
Auch da könnten Dänemark und Deutschland enger kooperieren. Wenn man Dänemark etwa mit den baltischen Staaten vergleicht, so fällt auf, dass diese auf Luftwaffe und Marine weitgehend verzichten und sich auf Landstreitkräfte konzentrieren. Andere, wie die Niederlande, haben ihre Panzer- und Artillerieverbände einer deutschen Division unterstellt, um gemeinsam stark zu sein. Dänemark hingegen, mit Streitkräften von etwa 16.000 Soldaten, leistet sich alles: Heer Marine, Luftwaffe. Ist das noch zeitgemäß, General Hyldgaard?
Hyldgaard: Gute Frage. Wir folgen dem NATO-Fähigkeitsprofil. Und das verlangt von uns den Aufbau einer schweren mechanisierten Brigade. Die stellen wir jetzt auf und dann der NATO zur Verfügung. Und die NATO entscheidet, wo sie am besten eingesetzt werden kann. Die dänische Brigade wird künftig Teil der Multinationalen Division Nord in Lettland sein. Diese Division mit dänischen und lettischen, aber auch kanadischen und anderen Truppen wird derzeit von der dänischen Generalin Jette Albinus geführt. Entscheidend ist dabei unser Beitrag zur kollektiven Verteidigung des Bündnisgebiets.
Aber würde nicht doch der Zustand des dänischen Militärs eine engere Zusammenarbeit nahelegen, etwa der Seestreitkräfte?
Hyldgaard: Wir versuchen, eine Win-win-Situation zu schaffen, entlang unserer Interessen, da gibt es viele Möglichkeiten.
Breuer: Es geht heutzutage nicht mehr darum, per se zu kooperieren, nur politische Nähe zu demonstrieren, sondern darum, wie man tatsächliche militärische Fähigkeiten ergänzen kann, um bestehende Lücken zu schließen. Wir analysieren insbesondere, wie wir das sehr pragmatisch tun können.
Wir wechseln das Thema: General Hyldgaard: Dänemark hat die Wehrpflicht verlängert und bezieht künftig auch Frauen ein. Wie ist es gelungen, die dänische Öffentlichkeit davon zu überzeugen?
Hyldgaard: Sicherheitspolitik und Verteidigung sind für die Dänen von hoher Priorität, das zeigen alle Umfragen. Eine große Mehrheit will die Wehrpflicht und will sie auch für Frauen. Die Menschen in Dänemark verstehen die Bedrohung. Und sie verstehen, dass wir das einfach tun müssen. Unsere Aufgabe ist es, die Erwartungen der jungen Menschen, die zu uns kommen, zu erfüllen. Wir wollen ihnen einen sinnvollen Dienst und optimale Ausrüstung anbieten. Dazu Rahmenbedingungen und Unterkünfte, die kein Fünfsternehotel sein müssen, aber sehr ordentlich. Das zu erreichen gehört zu meinen Hauptaufgaben.
Breuer: Als Bürger dieses Landes würde ich sofort sagen, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sollte auch beim Wehrdienst gelten. Aber praktisch erfordert das eine Änderung des Grundgesetzes, und das braucht viel Zeit. Zeit, die wir nicht haben. Wir brauchen jetzt mehr Soldaten und Soldatinnen, vor allem um eine starke Reserve aufzubauen. Darauf müssen wir uns konzentrieren.
General Hyldgaard, Dänemark hat kürzlich entschieden, zum ersten Mal in seiner Geschichte Raketen anzuschaffen, die weit entfernte Ziele treffen können, selbst Moskau. Wollen Sie Putin herausfordern?
Hyldgaard: Nein, wir wollen uns selbst verteidigen und abschrecken. Schauen Sie auf die Ukraine: Wenn Sie nicht die Fähigkeit haben, Ziele im Hinterland mit tiefen, präzisen Schlägen zu treffen, sind Sie im Nachteil. Wir sehen diese Raketen als Teil unserer Gesamtverteidigung.
Breuer: Deutschland geht einen ähnlichen Weg: Wir kooperieren mit anderen Ländern, etwa Großbritannien, bei der Entwicklung solcher Deep Precision Strike Missiles. Und für die Zeit, bis wir so weit sind, gilt die amerikanische Zusage, solche Raketen in Deutschland zu stationieren. Darüber bin ich mehr als froh.
