In den neun Zeilen, die der Koalitionsausschuss vorige Woche zum „Gebäudeenergiegesetz“ verfasste, durfte diese eine nicht fehlen: „Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden wir das Heizungsgesetz abschaffen.“ So steht es tatsächlich im Vertrag, so trägt es vor allem der Unionsteil der Koalition seit Monaten mantraartig vor. Was das aber heißt, abschaffen, sagt keiner.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) selbst wird kaum gemeint sein, es stammt noch aus der letzten großen Koalition unter Angela Merkel. Es kann also nur um jene Änderungen gehen, die von der Ampel eingefügt wurden, darunter vor allem eine Vorgabe: Neue Heizungen dürfen nur noch eingebaut werden, wenn sie zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie verwenden. Nach einer Übergangszeit soll diese Vorgabe spätestens ab Juli 2028 gelten, in Großstädten schon ab Juli nächsten Jahres. So lange haben große und kleine Kommunen Zeit für eine „Wärmeplanung“, die den weiteren Ausbau der Fernwärme skizziert. Diejenigen, die das Heizungsgesetz abschaffen wollen, stoßen sich vor allem an dieser 65-Prozent-Regel, denn faktisch bedeutet sie das Aus für neue Öl- und Gasheizungen. In der Regierung wird darum schon jetzt erbittert gerungen.
Aber lässt sich das Rad überhaupt zurückdrehen, die Vorgabe noch einmal streichen? Juristen haben da Zweifel. Just dieser Tage ist in der Energierechts-Zeitschrift EnWZ ein Aufsatz der Kölner Energierechtlerin Laura Radimeczky-Krekel erschienen, der nicht allzu viele Spielräume erkennen lässt. Demnach ist die Koalition eingemauert in zwei europäische Richtlinien – die eine zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die andere zur Effizienz in Gebäuden. Die Erneuerbaren-Richtlinie RED III etwa verpflichte die Mitgliedstaaten, Richtwerte für den Ökoenergie-Anteil im Gebäudebestand festzulegen. Diese wiederum müssten in Einklang mit dem Ziel für 2030 stehen, 49 Prozent des Endenergieverbrauchs in Gebäuden aus erneuerbaren Quellen zu bestreiten. Um das zu erreichen, verlangt die Richtlinie auch Vorgaben für neu installierte Heizungen, ob in Neubauten oder bei Sanierungen. Die derzeit geltenden Vorgaben wären damit konform.
Nicht anders steht es mit der Gebäuderichtlinie EPBD. Sie soll dabei helfen, Europas Gebäudebestand bis 2050 hin zu null klimaschädlichen Emissionen umzubauen. Schrittweise sollen dazu auch fossile Heizungen aus den Häusern verschwinden, empfohlenes Stichjahr: 2040. Überlegungen in der Koalition, auch das im GEG verankerte Betriebsverbot für Heizkessel zu streichen – Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte das im Mai im Bundestag angekündigt – dürften mit dieser Richtlinie kaum kompatibel sein. Ein Beitrag in der Legal Tribune war kürzlich zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.
Eine Neuregelung, die gar keine Vorgaben mehr für den Anteil erneuerbarer Energien enthalte, sei europarechtlich unmöglich, heißt es nun in dem Aufsatz. Denkbar sei allenfalls eine Absenkung der Zielwerte, also 65 Prozent minus x. Der neue Wert müsse aber immer noch im Einklang mit den Richtlinien stehen. Zum anderen komme dann auch das Grundgesetz ins Spiel. Denn dessen Artikel 20a zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen mache Rückschritte in der Klimapolitik schwer.
Abschaffen, ohne abzuschaffen: Mit dieser Quadratur des Kreises sollen sich jetzt die Spitzen der Regierungsfraktionen beschäftigen, schon in sechs Wochen sollen sie Eckpunkte vorlegen. Die Grünen dagegen verlangen ein sofortiges Ende des „Herumdokterns“ am Gesetz, als „Weihnachtsgeschenk“, wie Grünen-Energiepolitiker Michael Kellner sagt. „Die Heizungsbranche, die Verbraucherinnen und Verbraucher würden nicht weiter verunsichert, das Klima wäre besser dran, und rechtskonform wäre es auch noch.“ Zumindest eines hat die Koalition mittlerweile schon beschlossen: die Umbenennung des GEG in „Gebäudemodernisierungsgesetz“. Dagegen dürften auch Europas Richtlinien nichts haben.
