Fußball: Schleimkanone und Kika-Übertragung – wie der Sport im TV um junges Publikum buhlt

Von Spongebob bis zu Kinder-Kommentatoren: Sportverbände und Sender versuchen, auch die Jüngsten von sich zu überzeugen. Die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen experimentiert damit nächsten Dienstag. Auf dem Weg zur neuen Zielgruppe gibt es aber auch Fallstricke.

Grüner Schleim schießt aus violettfarbenen Muscheln auf das Footballfeld im Allegiant Stadium in Nevada. Die Zeichentrickfiguren und Kommentatoren Spongebob und Patrick reißen die Arme hoch – krakeelen ins Mikro. Die Kansas City Chiefs haben gerade den Superbowl, also das Endspiel der NFL-Saison, gewonnen. Und neben der vergleichsweise nüchternen Übertragung für Erwachsene gab es das ganze Spektakel im vergangenen Jahr auch auf dem Kindersender Nickelodeon zu sehen – inklusive der entsprechenden bunten Animationen, die der Sender über das Originalbild legte.

Es ist der bislang wohl prominenteste Versuch des amerikanischen Footballverbands, sich in einer Welt von Tiktok und Twitch-Streams einen Platz in der Unterhaltungswelt der Kinder zu erstreiten – sich quasi einzuschleimen. „Man muss sicherlich mehr um die Jugendlichen kämpfen“, sagt Medienforscher Christoph Bertling von der Deutschen Sporthochschule Köln. Die Art und Weise, wie Kinder Medien verstehen und interpretieren, habe sich stark verändert und sei viel individueller geworden, ihre Aufmerksamkeitsspannen kürzer.

Auch in Deutschland experimentieren Sportverbände und Sender mit neuen Formaten, um die nächste Generation frühzeitig für Live-Sport zu gewinnen. Am Dienstag (8.4.) um 17.45 Uhr läuft bei KiKA nach der Zeichentrickserie „Minus Drei und die wilde Lucy“ ein Nations-League-Spiel der DFB-Fußballerinnen gegen Schottland.

Kommentiert wird die Partie von Lea (13), Dimitris (13) und Niklas (12). „Die Kooperation von KiKA und ARD-„Sportschau“ verfolgt das Ziel, Kinder stärker an sportlichen Großereignissen teilhaben zu lassen“, schreibt der DFB auf Anfrage. „Die gemeinsam mit Kindern gestalteten Live-Übertragungen eröffnen der jungen Zielgruppe einen altersgerechten Zugang zu Sport.“

Erst wurde die Zielgruppe Frauen entdeckt, nun die der Kinder

Der Gedanke hinter den Aktionen dürfte aber wohl auch ein ökonomischer sein, sagt Jana Wiske, Medienwissenschaftlerin an der Hochschule Ansbach: „Man versucht da, früh eine Zielgruppe anzusprechen, die dann bei einem bleibt. Derjenige stattet sich ja auch entsprechend aus mit Fan-Artikeln, kommt ins Stadion. Das heißt, letztlich zahlt sich das auch monetär aus.“

In den vergangenen Jahren habe sich in der Vermarktung des Profifußballs viel getan. Lange seien zum Fußball vor allem die Männer gekommen. „Dann hat man die Zielgruppe Frauen entdeckt und in jüngster Zeit entdeckt man eben vermehrt die Zielgruppe Kinder.“ Denn: Wer bisher „Sportschau“, Olympia oder Wintersport im Fernsehen schaut, der sieht in der Regel ein Produkt für Erwachsene. „Kinder werden dabei oft vernachlässigt“, bekräftigt auch Bertling.

Der TV-Sender Sky entwickelte daher das Format „Sky Next Generation“. Auch hier lautet der Ansatz: Kinder und nicht Erwachsene erklären lassen, was im Fußball oder Tennis passiert. Sie sollen „jungen Zuschauern vor den Bildschirmen besondere Einblicke ermöglichen und eine direkte Verbindung zu den Sportereignissen schaffen“, teilt Sky mit.

Ausprobiert hat der Sender die Idee auch bei der Formel 1. Bei drei Rennen ließ Sky Kinder kommentieren und blendete währenddessen Cartoon-Avatare der 20 Fahrer und andere auf Kinder zugeschnittene Animationen ein. „Mit dieser Pionierarbeit und innovativen Konzepten verfolgt Sky das Ziel, Menschen jeden Alters für das Sportangebot auf Sky zu begeistern“, teilt der Sender mit.

Und wenn die Erwachsenen sich streiten?

Es ist Neuland, auf das sich die Sportverbände und Medien begeben. Denn laut Wissenschaftler Bertling ist kaum erforscht, was Kinder tatsächlich am Sport interessiert: der Wettbewerb oder die Stars. „Dementsprechend müsste man versuchen, die Geschichten zu erzählen. Vielleicht interessiert Kinder der Hintergrund von Thomas Müller viel mehr und dann könnte man das hervorheben“, sagt Bertling.

Wer Erfolg haben will, müsse zudem das richtige Medium wählen, ergänzt Wiske. „Sie müssen gucken, wo die Kinder sind, wo sie sich aufhalten, und dort muss man sie irgendwo abholen. Die normalen klassischen Kanäle funktionieren wahrscheinlich nur bedingt oder so gut wie gar nicht.“

Wenn es klappt, dann können Sportereignisse Kinder laut Bertling stark prägen. Die Forschung habe einerseits positive Einflüsse gefunden, wenn Kinder etwa Idole finden oder zum Sport machen animiert werden. „Allerdings gibt es auch sehr viele ungesteuerte Situationen, in denen es zu Gewalt und Aggressionen kommt.“ Entscheidend sei dann, wie die Bilder von Fouls oder Unsportlichkeiten begleitet werden. „Die Einordnung des Kommentators ist extrem wichtig.“

dpa/pk