
Wie alle Teams wird das deutsche an diesem Freitag in Trikots spielen, die speziell für die EM 2025 angefertigt wurden. Wie fast alle. Unser Verband hat es als einziger von 16 nicht geschafft. Die polnischen Frauen mussten in den vergangenen Monaten zusehen, wie ihre Konkurrentinnen in den sozialen Medien neue Outfits präsentierten. „Warum werden wir anders behandelt?“, fragte die Torfrau Kinga Szemik. „Das ist unfair.“
Die Herren des nationalen Fußballverbands (PFA) redeten sich mit dem Produktionszyklus von Nike heraus. Vermutlich hatten sie nicht damit gerechnet, dass sich die Mannschaft für die Schweiz qualifiziert. Tatsächlich war es eine kleine Sensation, als sich Polen in den Play-offs am 3. Dezember gegen Österreich durchsetzte. Ein historischer Erfolg für den polnischen Fußball, ein wichtiger Tag für die polnischen Frauen.
Erstmals nimmt Polen an einem Frauenfußballturnier teil, zugleich als erste Nation aus Osteuropa. Damit wird für alle auf großer Bühne sichtbar: Unser Fußball ist wie fast überall auf der Welt inzwischen auch weiblich. Das ist deswegen so besonders, weil der Weg nach oben für Frauen in Polen noch beschwerlicher ist als in anderen Teilen Europas.
Die Fans werden sich für immer an die Freudentränen von Ewa Pajor erinnern, die sie am 3. Dezember vergoss. Und an ihr weißes Trikot mit der Aufschrift „Zeit für unsere Geschichte“. Sie ist der Star unserer Nation, vor allem ihr ist die neue Popularität ihres Sports zu verdanken. Als erste Polin wurde sie für den Goldenen Ball nominiert. Wer weiß, vielleicht gewinnt sie ihn bald.
Christian Wück warnt seine Abwehrspielerinnen vor Pajor
Als die Stürmerin zwischen 2015 und 2024 für den VfL Wolfsburg 96 Tore in der Bundesliga schoss, waren die polnischen Zeitungen voll von Berichten über sie. Ihr Wechsel zum FC Barcelona führte dazu, dass die Champions-League-Spiele im frei empfangbaren Fernsehen übertragen wurden. Früher wurde sie als „Lewandowski im Rock“ bezeichnet, längst hat sie sich von diesem Vergleich emanzipiert.
Pawors Weg in die Fußballwelt begann in Zentralpolen, in Pęgowie, woher sie stammt. Dort gibt es 14 Häuser, ihre Eltern betreiben in diesem Dorf einen Bauernhof. Ihre ersten Spiele bestritt sie mit ihren Geschwistern und Freunden, die Jungen waren überrascht, dass ein Mädchen so viele Tore schoss. Dann zog sie in die Welt hinaus.
„Auf dem Platz ist sie ein kleines Mädchen, sie vergisst, dass sie großartig ist. Sie will einfach nur spielen, das ist das Tolle“, sagt die Bundestrainerin Nina Patalon über Pajor. Dass Christian Wück seine Abwehrspielerinnen vor ihr warnt, hat man in Polen natürlich zur Kenntnis genommen. Deutschlands Trainer weiß auch, dass Pajor und ihre Mitspielerinnen Paulina Dudek, Kinga Szemik und Ewelina Kamczyk 2013 gemeinsam U17-Europameisterinnen wurden.
Wir sind eine Fußballnation, lange waren wir aber – da sind wir nicht die einzigen – nur eine der Männer. 1972 wurde die Volksrepublik Polen Olympiasieger in München, zwei Jahre später belegte das Team um Grzegorz Lato den dritten Platz bei der WM in Deutschland. Zbigniew Boniek war ein Weltstar, der in den Achtzigern für Juventus Turin spielte. Robert Lewandowski traf für Dortmund, Bayern, Barcelona.