Fürth-Trainer Heiko Vogel: Auf der Suche nach der alten Identität – Sport

Heiko Vogel ist erst seit zwei Wochen im Amt, doch in diesem Moment klingt er beinahe wie ein Trainer, der bis zum Hals in einer tiefen Krise steckt und das Schlimmste befürchten muss. Oder täuscht der Eindruck?

Es ist Donnerstagnachmittag. Die SpVgg Greuther Fürth wird zwei Tage später zum Jahresabschluss in Düsseldorf zu Gast sein und 1:2 verlieren. Jetzt aber ist Vogel noch voller Hoffnung und Zuversicht zu gewinnen. In seinen ersten beiden Spielen als Fürther Trainer hat sein Team nicht weniger als vier Rückstände wettgemacht und zweimal unentschieden gespielt. Ein Anfang ist also schon gemacht.

Vor dem Düsseldorf-Spiel sitzt Vogel, 50, also auf dem Podium im Medienraum des Fürther Stadions, die Kamera läuft. Es geht jetzt vor allem um die wiederkehrenden Defensivprobleme und das jüngste 3:3 gegen Hertha BSC. „Wir haben gar nicht verteidigt. Wir sind einfach stehen geblieben – und das ist nicht zu tolerieren“, sagt Vogel, „da kann sich das ganze Trainerteam Gedanken machen, wie es will: Die Situation verlangt es, mitzulaufen.“ Sind das Worte, bei denen sich erste Anzeichen von Ohnmacht herauslesen lassen?

Vogel ist nicht irgendein Trainer und Fürth nicht irgendein Zweitligist. Kein Verein in Deutschland hat in seiner Geschichte derart viele Punkte im Untergeschoss der Bundesliga gesammelt wie die Franken. Und Vogel ging seine ersten Schritte als Trainer bei keinem geringeren Klub als beim FC Bayern. In München arbeitete er erst neuneinhalb Jahre im Nachwuchsbereich, später weitere dreieinhalb. In dieser Zeit hatte er es mit Philipp Lahm und Thomas Müller zu tun, mit Pep Guardiola und Uli Hoeneß. Es sind Namen aus der großen Fußballwelt. Und in die wollte auch er, Heiko Vogel, aufbrechen.

2012 gewann er mit Basel den Schweizer Pokal und mit 20 Punkten Vorsprung die Meisterschaft. „Ich war 35, wurde ins kalte Wasser geworfen und bin geschwommen“, sagt er heute und nennt die Zeit in der Schweiz „phänomenal“ und „eine große Erfolgsgeschichte“.

44 Gegentore – zehn mehr als der Tabellenletzte Dresden

Jetzt, im Fürther Medienraum, präzisiert Vogel auf Nachfrage: Da sei keine Ohnmacht. Als Coach gebe er den Spielern „Lösungswege an die Hand“, aber „wenn es um Zweikämpfe geht, muss ich Zweikämpfe gewinnen. Da kann kein Trainerteam helfen“.

Die Defensive ist ein zentrales Thema, weil Fürth in den ersten 17 Spielen 44 Tore kassiert hat: zehn mehr als der Tabellenletzte Dynamo Dresden, das Team mit den zweitmeisten Gegentreffern. Die Zahl ist exorbitant hoch und schürt große Zweifel, ob die Mannschaft, bei aller individuellen Qualität in der Offensive, der zweiten Liga gewachsen ist.

Unter Vogel ist es nicht merklich besser geworden; in den ersten drei Spielen musste Fürth sieben Gegentore hinnehmen. Und diese Statistiken, das macht es prekär, sind bloß Symptome. Wenn man es hoch einhängen will, könnte man sagen: Die Gegentore liefern nur die sichtbaren Bilder für das Chaos im Hintergrund, in das sich der Klub im Oktober 2024 sehenden Auges gestürzt hat.

Jahrelang stand Fürth für jene Attribute, die auch Heidenheim oder Freiburg nachgesagt werden: Kontinuität, Ruhe, kluge und weitsichtige Arbeit in der Nische. Das war das Bild, das Fußball-Deutschland von Fürth hatte, als Rachid Azzouzi noch die Geschäfte führte. Doch im Herbst 2024 musste der Sportchef aus heiterem Himmel gehen. Auch Trainer Alexander Zorniger wurde in diesem Zuge beurlaubt – ein Einschnitt, der den gesamten Klub erschütterte. Im Umfeld herrscht die Meinung vor, Fürth habe sich bis heute nicht davon erholt.

Nach der Pressekonferenz sitzt Vogel noch in einem Nebenraum. Er trägt eine schwarze Trainingsjacke, auf der Brust stehen seine Initialen: „HV“. Die Kleidung sagt: Er, Vogel, ist hier, um anzupacken. Die Frage ist nur: Kann er überhaupt etwas verändern in Fürth?

Er ist bereits der fünfte Trainer in den vergangenen 14 Monaten. Nach der Trennung von Zorniger gelang Leonhard Haas die Wende ebenso wenig wie Jan Siewert und Thomas Kleine. Nun hat sich Vogel als nächster Trainer der Aufgabe angenommen, Fürth wieder in die Spur zu bringen.

„In dieser Phase haben wir in Teilen unsere Identität verloren“, sagt Geschäftsführer Schwiewagner

Die Spielvereinigung habe „ihren Weg verlassen“, sagte Holger Schwiewagner auf der Mitgliederversammlung im November. Er war nach Azzouzis Aus als alleiniger Geschäftsführer geblieben. Die Pandemie und der zweite Erstligaaufstieg 2021 sei der Ausgangspunkt allen Übels gewesen, meinte Schwiewagner: „In dieser Phase haben wir in Teilen unsere Identität verloren und sind sehenden Auges erhöhte Risiken im sportlichen Bereich eingegangen.“

Stellt sich da aber nicht die Frage, warum er diese Entscheidung mitgetragen hat? Und war es nicht so, dass Fürth seinen Weg bloß in der Hinsicht verlassen hatte, von nun an eher 18- und 19-Jährige zu verpflichten, statt 20- oder 21-Jährige zu leihen – wohl wissend, dass dies Zeit und Geduld erfordert?

Auch diesen Kurswechsel hat Schwiewagner damals mitverantwortet, dann aber stellte er Azzouzi und Zorniger plötzlich frei und brachte seinen eigenen Klub um zwei leitende Angestellte, die Fürth bundesweit ein Gesicht gaben. Und Schwiewagner selbst sendete mit der Doppel-Beurlaubung zwischen den Zeilen die Botschaft, mit dem Kurswechsel nichts zu tun haben. Dieses Manöver haben die Fans längst durchschaut. Im Sportpark Ronhof skandierten einige von ihnen in den vergangenen Wochen: „Schwiewagner raus“.

Seit November 2024 ist Stephan Fürstner Sportdirektor, ein Spieler der Fürther Aufstiegsmannschaft von 2012. Es war ein Hauch Fußballromantik, Fürstner zurückzuholen und ihm später Thomas Kleine als Trainer zur Seite zu stellen. Beide hatten damals gemeinsam den größten Erfolg der Vereinsgeschichte errungen, doch den Nachweis, ihrer Aufgabe jenseits des Rasens gerecht zu werden, haben beide nicht erbracht. Kleine wurde Ende November freigestellt und von Vogel ersetzt. Und wie durchdacht kann Fürstners Kaderplanung gewesen sein, wenn Fürth als Tabellenvorletzter unter dem Weihnachtsbaum sitzt?

Dass nun Heiko Vogel auf dem Trainerstuhl Platz genommen hat, könnte den Eindruck erwecken, als hätten da zwei Bedürftige zueinander gefunden. Hier die Spielvereinigung, bei der einiges ins Rutschen geraten ist – und dort Vogel, der zwei Jahre lang vereinslos war. „Natürlich“, sagt Vogel, „macht man sich da auch Gedanken, ob man noch mal angerufen wird. Sich die Frage zu stellen, ist menschlich. Aber ich habe das relativ schnell wieder verdrängt.“

Als er dann in Fürth zum ersten Mal den Rasen betrat, habe er „eine kindliche Freude“ empfunden. Man könnte meinen, seine Augen leuchten, als er das sagt. Die Frage ist nur: Wie lange kann er sich diese Freude bewahren – jetzt, da er bei dieser SpVgg Greuther Fürth untergekommen ist?