Frieden in der Ukraine?: „Putins Ziel ist die Zerstörung der bisherigen politischen Ordnung in Europa“ – Video

Trump hat Putin und Selenskyj ein „finales Angebot“ zur Friedensschließung gemacht. Verteidigungsexperte Dr. Christian Mölling spricht über die aktuellen Entwicklungen. Wenn man Russland Zeit gebe, sich wieder zu sammeln, sei ein Angriff auf die Nato nicht ausgeschlossen.

WELT: Der Krieg geht weiter, das Sterben geht weiter. Auf der anderen Seite gibt es einen Friedensplan von US-Präsident Donald Trump, noch nicht bestätigt, aber er sieht vor allem für Putin sehr vorteilhaft aus. Was bedeutet das für die Zukunft, wenn so ein Plan umgesetzt wird? Ist das ein Vorbild für andere Diktatoren das Grenzen doch verschoben werden können?

Christian Mölling: Ich glaube, es ist ein Zeichen, das man mit den Amerikanern so umspringen kann. Genau das muss Trump fürchten: Er setzt nicht nur für andere ein negatives Beispiel, sondern vor allem für sich selbst. Es zeigt, dass man nur lange genug warten muss und den USA Honig ums Maul schmiert – dann übernehmen sie womöglich sogar die Forderungen, wie die des Kremls.

WELT: Nun sind Sicherheitsgarantien im Gespräch, die aber noch nicht wirklich erkennbar sind – und dann könnte es in zwei Jahren den nächsten Angriff geben. Glauben Sie, es ist realistisch, dass Russland sich nur sammelt und dann versucht, noch weitere Teile für sich zu gewinnen?

Christian Mölling: Davon muss man ausgehen. Die andere Möglichkeit – und darüber diskutieren wir in Deutschland und Europa gerade intensiv – ist, dass Putin seinen nächsten Schritt macht. Sein Ziel bleibt die Zerstörung der politischen Ordnung Europas. Da ist die Ukraine ein Teil. Wenn Russland die Möglichkeit bekommt sich zu sammeln, dann steht möglicherweise ein Angriffsversuch auf die Nato an. Gar nicht, um Europa einzunehmen, sondern um über die Diskussion, was man bereit ist, zu tun, Europa dabei zuzuschauen, wie es sich zerlegt.

WELT: Seit Trump im Weißen Haus ist, heißt es, Europa müsse sich mehr auf sich selbst konzentrieren, weil man der russischen Gefahr sonst schneller ausgeliefert ist. Sehen Sie das auch so?

Christian Mölling: In der aktuellen Lage kann man in Echtzeit nicht viel ändern. Doch wir sehen positive Signale: Europa sammelt sich. Problematisch sind jedoch die vielen schwachen politischen Führungen, es gibt nicht den einen Staat, der die Rolle der USA übernehmen kann. Sondern wir müssen das im Konzert organisieren, und das ist sehr schwer. Wir haben zurzeit keine eigene neue Regierung in Deutschland, die ein Mandat für vier Jahre hätte, einen schwachen französischen Präsidenten und einen britischen Premierminister, der erst einmal schauen muss, dass sein Land wieder in Ordnung kommt – also keine guten Bedingungen für uns. Das sind gute Bedingungen für Moskau.

WELT: Gleichzeitig hat Europa versprochen, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie es nötig ist. Kann Europa die Rolle der USA ersetzen?

Christian Mölling: Das hängt stark davon ab, was genau wegfällt. Wir haben gesehen, wie wichtig nicht nur die Waffenhilfe, sondern vor allem Informationen sind – und diese können die Europäer nur schwer ersetzen. Alles andere funktioniert inzwischen besser, wenn auch noch nicht optimal. Aber man muss auch da sehen, was kann die Ukraine gewinnen? Sind ein schlechter Frieden und auch ein schlechter Friedensplan, wie er hier vorzuliegen scheint das Bessere? Oder muss man sagen, dafür haben wir keine 3 Jahre gekämpft, möglicherweise müssen wir weiterkämpfen. Das ändert aber auch die Situation für die Europäer, wenn die Ukraine aufhören würde zu kämpfen. Dann rücken wir schneller ins Fadenkreuz.

WELT: Schauen wir einmal auf Deutschland. Seit Ausbruch des Krieges hieß es immer wieder: Deutschland müsse kriegstüchtiger werden. Nun kommt bald eine neue Regierung – glauben Sie, das wird passieren?

Christian Mölling: Zumindest der Koalitionsvertrag spricht eine deutliche Sprache: Wir haben auch die Änderung des Grundgesetzes mit Blick auf die Schuldenbremse. Mehr Mittel für Verteidigung und Infrastruktur. Jetzt geht es darum, dass es eine Art Big Bang gibt, wo die nächste Bundesregierung sehr schnell erklärt, was die sicherheitspolitische Lage ist. Und warum wir deswegen dieses viele Geld ausgeben müssen. Dann haben wir nur vier Jahre Zeit, um das auszugeben. Es wird darum gehen, Investitionen hoch und Vorschriften runterzubringen.

WELT: Vielen herzlichen Dank für Ihre Einschätzung.

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