Nichts an der Musik von Friedberg rockt. Die Gitarren der Band um die Musikerin Anna F. klingen verspult oder eiern. Das Schlagzeug pocht und plockt nah am Ohr. Die Bassistin spielt meistens ohne Plektrum. Hardcore Workout Queen heißt das Debüt der österreichisch-britischen Gruppe, und nicht nur dieser Albumtitel führt erst einmal in die Irre.
Sich nach dem Ort zu benennen, aus dem man stammt, hat im österreichischen Pop Tradition. Man denke an den Liedermacher Hubert von Goisern, der kein Adeliger ist, sondern eben aus Goisern kommt. Oder an Nino Mandl, der besser bekannt ist als Der Nino aus Wien. Anna aus Friedberg in der Steiermark heißt bürgerlich Wappel. Nicht der allerbeste Nachname für eine internationale Karriere. Daher hat sie sich, und jetzt wird es kurz kompliziert, für Folgendes entschieden: Ist sie als Schauspielerin aktiv, nennt sie sich Anna Friedberg. Ihr Pseudonym als Musikerin lautet Anna F. Ihre Band wiederum heißt einfach nur Friedberg.
Wobei die Moderatorinnen und Moderatoren im englischsprachigen Radio natürlich „Friedbörg“ sagen. Und das sagen sie häufig, denn die Band gehört zu den aktuellen Lieblingen alternativer Londoner Sender wie BBC 6 oder Radio X. Es gibt in Großbritannien gerade einen schönen Minitrend dazu, weiblichen Acts mit Herkunft aus dem Alpenraum zu verfallen. Zuletzt spielte etwa die in der Schweiz geborene Songwriterin und Sängerin Anna Erhard dort ihre Songs in ausverkauften Clubs. Der Band Friedberg könnte Ähnliches gelingen.
Fast fünf Jahre verbrachte sie mit der Veröffentlichung von Singles und auf Tourneen im Vorprogramm von Placebo, Hot Chip oder Annenmaykantereit. Mit Go Wild gelang ihr ein kleiner Hit auf dem Soundtrack des Videospiels Fifa 20. Anna F. zog nach London, formierte dort ihre Band neu, mit britischen Musikerinnen. Hardcore Workout Queen hat sie das Album genannt, und klar, eine solche ist Anna F. gerade nicht. Sie sieht sich eher als Königin der Slacker. Als Mensch, der sich beim zweiten Frühstück zur Mittagszeit darüber wundert, was andere zu dieser Tageszeit schon gebacken bekommen haben. Wissend, dass sich das Lebensglück nicht zwischen hardcore workout und Powernap findet. Und dass das ewige Aufschieben mancher Dinge zwar nicht empfehlenswert ist, kurzfristig aber durchaus beruhigend wirkt.
Anna F. singt davon im Song I Sometimes Do (But Mostly Might), einer sehr schönen Hymne über das Leben im Ungefähren. Interessant ist dieser Song auch, weil er die musikalischen Koordinaten von Friedberg offenlegt. Er beginnt mit schwermütiger Lethargie im Stil der legendären Neunzigerjahre-Indieband Mazzy Star, geht mit Schellenkranz- und Handclaps weiter und klingt schließlich psychedelisch vernebelt aus. Die kalifornische Band Warpaint geht ganz ähnlich vor. Die schnelleren Stücke hingegen, The Greatest, My Best Friend und das Titelstück von Hardcore Workout Queen, erinnern an die schwedische Band The Cardigans, als diese auf ihren Retroreisen um die Jahrtausendwende mit dem Album Gran Turismo beim Synthiepop landete.
Anna F. singt dazu Texte über die Drosselung ihres Lebenstempos. Das unbequemste, weil vertrackteste Lied auf Hardcore Workout Queen heißt Better Than We Are und erzählt von Momenten, in denen man schon mal besser war. So Dope klingt wie eine Anklage gegen alle, die ständig ihre Wahrnehmung betäuben, um sich geil zu finden. Wobei das Dope dieser Tage über Social Media verteilt wird.
Im schlimmsten Fall klingt solcher Entschleunigungspop selbstgefällig. Gut ist deshalb, dass Friedberg hinter ihrer Prokrastinationsfassade doch eine ambitionierte Band sind. Das zeigt der konzentrierte Klang von Hardcore Workout Queen, dafür stehen auch die perfekt in Szene gesetzten Videos. Immer wenn die Musik zu sehr abzudriften droht, legt das Album zu, wird schneller, dringlicher, lauter. Venice 142 beginnt als Blues mit der Botschaft, man solle nachts lieber schlafen, als paranoide Ziele zu verfolgen. Weil es diesem Ratschlag selbst nicht folgt, entwickelt das Stück einen lässigen Beat, wie man ihn in Manchester in den frühen Neunzigerjahren gespielt hat. Nun lautet die Botschaft: Wer um vier Uhr morgens noch immer keine Ruhe findet, sollte eben weiter tanzen. Friedberg fänden das wohl besser als jedes erdenkliche hardcore workout.
„Hardcore Workout Queen“ von Friedberg ist bei Clouds Hill/Warner erschienen.
Nichts an der Musik von Friedberg rockt. Die Gitarren der Band um die Musikerin Anna F. klingen verspult oder eiern. Das Schlagzeug pocht und plockt nah am Ohr. Die Bassistin spielt meistens ohne Plektrum. Hardcore Workout Queen heißt das Debüt der österreichisch-britischen Gruppe, und nicht nur dieser Albumtitel führt erst einmal in die Irre.
Sich nach dem Ort zu benennen, aus dem man stammt, hat im österreichischen Pop Tradition. Man denke an den Liedermacher Hubert von Goisern, der kein Adeliger ist, sondern eben aus Goisern kommt. Oder an Nino Mandl, der besser bekannt ist als Der Nino aus Wien. Anna aus Friedberg in der Steiermark heißt bürgerlich Wappel. Nicht der allerbeste Nachname für eine internationale Karriere. Daher hat sie sich, und jetzt wird es kurz kompliziert, für Folgendes entschieden: Ist sie als Schauspielerin aktiv, nennt sie sich Anna Friedberg. Ihr Pseudonym als Musikerin lautet Anna F. Ihre Band wiederum heißt einfach nur Friedberg.