Freiburg Biennale zu Tourismus: Den Prunk der Brunnen kontern

Antalya und Freiburg haben auf den ersten Blick nicht viel gemein. Gut, beide gelten als Tourismus-Hotspots. Beide wecken Assoziationen an Sommer, Sonne, Sorglosigkeit – aber sonst? Reicht doch, finden Catherin Schöberl und Ozan Güngör vom Basler Kunstkollektiv The Unofficial Hiking Society AG.

Auf dem Schauinsland, dem Hausberg von Freiburg mit Panoramablick über Schwarzwald und Rheinebene, haben sie einen Stand aufgebaut, an dem sie QR-Codes zu ihrem jüngsten Audio Walk verteilen. Er ist eine klangliche Kartierung beider Tourismusregionen aus der Perspektive derjenigen, die dort wohnen, ohne genug Geld zu haben, um in die Ferien zu fahren.

„Happy Place“ lautet ironisch das Motto der dritten Biennale für Freiburg, an der Schöberl und Güngör zu Gast sind. Kuratorin Lorena Juan, im beschaulichen Léon in Kastilien aufgewachsen und in Berlin zu Hause, wo sie bis 2024 zum Team der Transmediale gehörte, arbeitet sich für ihr Programm am Klischee Freiburgs als Wohlfühlstadt ab. Schon seit Längerem interessiert sie sich für die Verwandlung von Orten und Landschaften, die in den Blick der Tourismusindustrie geraten – und für die unschönen Verhältnisse und Abhängigkeiten, die daraus entstehen.

Der Trip mit der Seilbahn ist da eine sanfte Einstimmung ins Thema, denn oben auf dem Berg wird schnell klar, welche Mühe es kostet, an touristisch definierten Orten nicht selbst Tou­ris­t:in zu werden, also: eine Person mit der klaren Bereitschaft, Wesentliches zu übersehen, um die Illusion einer intakten und deshalb als erholsam empfundenen Umgebung aufrechtzuerhalten.   

„Happy Place“ widmet sich den Erzählungen hinter den touristischen Kulissen. Lorena Juan hat dazu 30 Künst­le­r:in­nen eingeladen, nahezu drei Viertel sind nicht männlich, viele mit spanischsprachigem Hintergrund. Im Zentrum der vielteiligen Schau, die durch acht Kunsträume in der Stadt mäandert, stehen Arbeiten über die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen im Namen von Freizeit und Reiselust.

Immer knapper werdender Rohstoff Sand

Im Kunstverein Freiburg etwa folgt Enar de Dios Rodríguez den Spuren des Sandes von Abbau­regionen in der Westsahara an die Traumstrände von Madeira und anderswo. Ihre Postkartenserie „Greetings From“ rückt die katastrophalen Folgen des Geschäfts mit dem wichtigen und immer knapper werdenden Rohstoff Sand ins Licht romantischer Sonnenuntergänge.

Paloma Contreras Lomas nimmt in einer satirisch-barocken Videoinstallation mit Reggae-Soundtrack die eigene Rolle als Künstlerin in den Blick und fragt, in welcher Weise sie selbst an der Touristifizierung von Szene-Stadtteilen in Mexiko-Stadt und der Verdrängung der ärmeren Bevölkerung beteiligt ist.

Daneben plätschert ein aus Ziegelsteinen und Alu­schalen improvisierter Glücksbrunnen von Helena Uambembe. Mit dem hält die Künstlerin aus Südafrika gegen den Prunk europäischer Brunnenarchitekturen und ihre Ästhetik des Überflusses, den es im trockenen Süd­afrika durch den knapp gehaltenen Zugang zu Wasser gar nicht erst geben kann.

Überhaupt zählt Lorena Juans Interesse an lokalen Perspektiven auf postkoloniale Fragen zu den großen Stärken von „Happy Place“. Eindringlich zeigt das die fortlaufend erweiterte Installation „Underlying Spirits“ der frankokanadischen Künstlerin Eve Tagny im Kunstraum DELPHI_space. In Vitrinen liegen zum Mitnehmen Foto­karten mit Texten aus. Sie handeln von Botanischen Gärten, davon, wie sich in diesen Einrichtungen zur Pflanzenkunde Wissenschaft und Kolonialismus überschneiden, wie einige Objekte und Relikte durch Diebstahl, Zwang oder Gewalt nach Europa kamen.

Darunter auch fünf menschliche Schädel aus der Sammlung des umstrittenen Anthropologen Alexander Ecker an der Universität Freiburg. Sie stammen von Angehörigen der Maka aus dem heutigen Kamerun, die im Kampf gegen die deutsche Kolonialherrschaft getötet wurden. Eine Delegation aus Kamerun hatte erst kürzlich in Freiburg erneut ihr offizielles Rückgabebegehren bekräftigt. Tegnys Arbeit trägt dieses Begehren nun in die Biennale, diesen „Happy Place“.