
Die deutschen Handballerinnen haben auch im Finale begeistert, selbst wenn sie es verloren haben. Die Niederlage gegen den klaren Favoriten Norwegen fiel knapper aus als erwartet (20:23), bis zur letzten Minute war es spannend. Das Wunder, der erste WM-Titel seit 1993, war möglich. Die Spielerinnen sind zu Recht stolz auf ihre Leistung.
Für den ganz großen Triumph war das Angriffsspiel nicht flexibel genug. Doch wie schon im ganzen Turnier glänzte das Abwehrzentrum um Aimée von Pereira und Emily Vogel, das von Trainer Markus Gaugisch gut organisiert war. Norwegen holte sich in Rotterdam die fünfte Weltmeisterschaft, aber zwischendurch schienen leichte Zweifel im Gesicht der Welthandballerin Henny Reistad durchzuschimmern.
Für die Fans, die in den zurückliegenden zwei Wochen etwas mehr geworden sind, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die gute: Wahrscheinlich war der zweite Platz, die beste Platzierung seit drei Jahrzehnten, kein One-Hit-Wonder. Der deutsche Frauenhandball wird wohl weiterhin sportlich erfolgreich sein. Das hat mehrere Gründe.
Erstens spricht die Altersstruktur der Nationalmannschaft dafür. Sie kann, abgesehen von der 37-jährigen Kapitänin Antje Döll, bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles weiterspielen. Junge Spielerinnen wie Nieke Kühne, 21, Viola Leuchter, 21, und Nina Engel, 22, haben viel vor sich. Die Abwehrchefin von Pereira, 25, sowie die Torfrau Katharina Filter, 26, stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung. Auch Xenia Smits und Emily Vogel, die bereits jeweils mehr als 140 Länderspiele absolviert haben, können noch Jahre spielen. Im Rückraum könnten bald neue Kräfte aus dem Nachwuchs hinzustoßen.
Ausnahme BVB
Zweitens lässt die Konkurrenz nach. Die Niederlande haben eine alte Mannschaft, Norwegen eine relativ alte. Die Torhüterin Katrine Lunde, die im Finale viele Paraden zeigte, ist 45 und wird zurücktreten. Andere frühere Topnationen wie Montenegro oder Spanien haben gelitten, weshalb die frühere deutsche Nationalkeeperin Dinah Eckerle sagte, sie sei „schockiert“ über das Niveau bei dem Turnier. Nur das Team aus Frankreich, das Deutschland im Halbfinale bezwang, ist ähnlich jung.
Drittens will der Deutsche Handballbund (DHB) künftig nach dem Vorbild des niederländischen Handballs (Papendal) vier Leistungszentren für den Nachwuchs einrichten. Die ersten Stützpunkte in Leipzig und in Stuttgart sollen 2027 eröffnet werden. Dazu kommen welche im Norden (wohl Hamburg) und in Dortmund. Der DHB-Vorstand Ingo Meckes hat eine solche Struktur in der Schweiz erfolgreich etabliert.
Da fängt schon die schlechte Nachricht an. Meckes muss das gegen den Widerstand der Handball-Bundesliga (HBF) durchsetzen. Der deutsche Frauenhandball geht nicht geschlossen vor. Noch schwerer wiegt die wirtschaftliche Lage. Der hohe Etat von Borussia Dortmund ist die Ausnahme, weil der mitgliederstarke BVB durch seine Erfolge im Männerfußball es sich leisten kann, seine Handballerinnen querzusubventionieren.
TV-Geld der Männer mehr als 60-mal so hoch
Die meisten Vereine hingegen sind abhängig von Mäzenen oder wenigen Sponsoren. Der finanzstärkste Verein, der Champions-League-Finalist HB Ludwigsburg, meldete im September Insolvenz an, weil der Hemdenhersteller Olymp ausstieg. Die Nationalspielerinnen und WM-Teilnehmerinnen Jenny Behrend, Xenia Smits, Viola Leuchter, Mareike Thomaier und Antje Döll waren plötzlich arbeitslos. Behrend muss seitdem in Oldenburg minijobben.
Der Frauenhandball hat es auch deswegen schwer, weil der Frauenfußball ihn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verdrängt hat. Peter Prior, der Manager des Spitzenvereins Buxtehuder SV, sagt: „Früher kam der NDR häufiger mal vorbei, heute passiert das kaum noch.“ Der DHB-Präsident Andreas Michelmann beklagt die „Monopolisierung“ des Fußballs auch bei den Frauen.
Die öffentliche Aufmerksamkeit der Handballerinnen ist auf einem krass niedrigen Niveau. Spiele der HBF sind hinter der Paywall von Sporteurope TV versteckt. Die TV-Erlöse liegen bei nur rund 150.000 Euro jährlich. Das entspricht etwa 1,5 Prozent von dem der Männerbundesliga. Eine bezeichnende Summe.
Für den Frauenhandball heißt das alles: Auf das nächste Turnier der Länderauswahlen, die EM im Dezember 2026, darf man sich freuen. Doch bis dahin wird er wieder in der Nische verschwinden.
