
Die Titelverteidigerinnen aus England sind schwach in die EM gestartet, um sich dann in der Vorrunde stark zu steigern. Nun warten im Viertelfinale die ungeschlagenen Schwedinnen – und damit eine ganz andere Prüfung.
Als die ersten 90 Minuten des Turniers gespielt waren, stand es nicht gut um die Titelverteidigerinnen. England hatte 1:2 gegen Frankreich verloren und dabei eine über weite Teile schwache Leistung gezeigt. Hinzu kam der per VAR aberkannte Führungstreffer wegen Abseits – alles in allem eine große Enttäuschung.
„Wir sind nicht so gestartet, wie wir es wollten. Wir wussten, dass wir schnell zurückkommen mussten, sonst wären wir aus dem Turnier raus gewesen“, sagte Alessia Russo rückblickend im Sportschau-Interview. Die „Lionesses“ standen gehörig unter Druck. Aber sie kamen tatsächlich zurück – mit einem beeindruckenden 4:0 im zweiten Gruppenspiel gegen die Niederlande. „Wir haben eine Reaktion gezeigt.“
England schon mit acht verschiedenen Torschützinnen
Das 6:1 gegen Wales machte schließlich den Einzug in die K.o.-Runde klar, in der jetzt am Donnerstag Schweden wartet (ab 20.15 Uhr im Ersten und im Livestream). Und auf einmal kommt England doch mit ordentlich Spielfreude daher: Die sechs Tore gegen Wales verteilten sich auf sechs verschiedene Torschützinnen, insgesamt haben schon acht englische Spielerinnen mindestens einmal getroffen. Da dürfte selbst Schweden, mit nur einem Gegentor die beste Defensive des Turniers, beeindruckt sein.
Englands Spielerinnen durften bei der EM schon über elf Tore jubeln.
Denn bei der EM hat sich in der Gruppenphase kein Team mehr Großchancen erspielt als England (18). Dabei operiert der Titelverteidiger oft mit langen Pässen – und bringt diese so oft wie kein anderes Team an die Frau (109). Ein offener Schlagabtausch bahnt sich an.
Mit der Vorrunde wird die Partie gegen die Skandinavierinnen wenig zu tun haben, glaubt Georgia Stanway. „Sie werden uns andere Aufgaben stellen als das, was wir in der Gruppe hatten“, sagte sie über die kommenden Gegnerinnen. „Wir haben schon viel Erfahrung gegen sie. Sie spielen physisch und direkt.“
Ella Toone: „Sie sollten Angst haben“
Russo untermauerte die Worte ihrer Teamkollegin. „Schweden spielt eine andere Art Fußball als das, was wir in diesem Turnier bisher erlebt haben. Sie sind sehr schnell und haben viele kraftvolle Spielerinnen.“ Vor Schwedens Zielstrebigkeit – nur Topfavorit Spanien drang während dieser EM noch häufiger in den gegnerischen Strafraum ein – ist England in jedem Fall gewarnt.
Eine englische Spielerin sprach diese Warnung nach dem Einzug in die K.o.-Runde dann auch offen aus. „Sie sollten Angst haben“, sagte Ella Toone im ITV-Interview selbstbewusst in Richtung Schweden, das man im Halbfinale der EM 2022 mit 4:0 regelrecht aus dem Weg geräumt hatte.
Ella Toone macht gegen die Niederlande mit ihrem 4:0 den Deckel drauf.
Dass man dieses Selbstbewusstsein auch auf den Platz zeigen soll, ist Teil der Strategie von Trainerin Sarina Wiegman. „Das ist etwas, was Sarina uns immer beizubringen versucht hat“, verriet Beth Mead nach dem 6:1-Sieg gegen Wales laut „Independent“. „Sie hat uns gesagt, dass wir rücksichtsloser sein müssen. Sechs Tore zu schießen ist ziemlich rücksichtslos.“
England will mit Momentum zur EM-Titelverteidigung
Wie rücksichtslos das Team gegen Schweden auftreten kann, wird sich zeigen. Auf die wohl schwächsten Gegnerinnen des Turniers folgen nun nämlich Mitfavoritinnen auf den Titel. „Sie sind schwer zu schlagen und haben es in der Gruppe gut gemacht“, lobte Wiegman die Schwedinnen laut „Guardian“.
Russo und Co. bringen auf jeden Fall das Momentum mit ins Viertelfinale. Wohl kein anderes Team hat sich im Turnierverlauf so deutlich gesteigert wie England. Ob das für eine Titelverteidigung reicht? Die Stürmerin ist vorsichtig. Es sei anders als 2022, sagte sie. „Wir sind als Team nun auf einer anderen Reise und wir genießen es. Für einige ist es das erste Turnier. Manche werden älter, so wie ich. Wir haben eine gute Zeit zusammen.“ Eine gute Zeit, die sie nun auch durch die K.o.-Runde tragen soll.