
Fast unscheinbar steht am Eingang ein bronzener kleiner Fischotter in seiner Vitrine. Neugierig dreht er den Oberkörper nach hinten, um zu sehen, was da vor sich geht. Und tatsächlich fällt sein Blick auf prächtige Papageien mit rotem und blauem Gefieder. Die kann sich der Marder freilich abschminken, bei aller Geschicklichkeit sind die Aras zu groß für ihn und sowieso schnell davongeflogen.
Aber das ist gar nicht der Punkt. Vielmehr zeigt dieser Auftakt, dass Tiere Hingucker sind, gerade im Zusammenspiel verschiedener Arten, und oft genug läuft das Kopfkino an. Deshalb funktionieren Zoos bis heute so ungemein gut, und bei allen Bedenken, die man sehr wohl vorbringen kann, stellt sich sofort eine gewisse Faszination ein – im realen Tiergarten und jetzt im Franz Marc Museum in Kochel vor rund 170 Werken, auch aus einigen namhaften Museen.
Franz Marc geht auf Reisen immer in den Tierpark

© bpk/Hamburger Kunsthalle/Elke Walford
von bpk/Hamburger Kunsthalle/Elke Walford
„}“>
Dass für den Hausherren Tiere fast wichtiger waren als die Menschen, weiß man ja. Unzählige Pferde und Rehe sind in der Sammlung, Marc sah in der „Animalisierung der Kunst“ die Chance zur Erneuerung. Dass der Maler des beliebten gelben Tigers auch ein passionierter Zoogänger gewesen ist, hat man nicht unbedingt auf dem Schirm. Doch egal, wo Franz Marc auf Reisen war, ein ausgiebiger Besuch musste sein, manchmal über Tage wie 1907 in Berlin, wo er seiner Lebensgefährtin Maria Franck schreibt, dass der Tiergarten „voll des Wundervollen“ sei. Und mit dieser Begeisterung ist er in bester Gesellschaft, der Zoo gehört ganz besonders zur Kunst des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts.
Tierisch satirisch: Affen als Kunstrichter
Gabriel von Max malt reihenweise Affen, häufig mit satirischem Anklang – etwa in der Funktion als Kunstrichter. Renée Sintenis formt neben dem berühmten Berliner Bären noch viele weitere hinreißende Tierbronzen, die endlich eine Aufwertung erfahren. Bei Alfred Kubin ist fremdes Getier oft dämonisch, während Oskar Kokoschka das Urwüchsig-Kreatürliche reizt. Und Marcs Freund August Macke sind mit den Zoobildern vielleicht seine schönsten Gemälde gelungen.
Im 19. Jahrhundert werden die großen Zoos gegründet

© Johannes Stoll, Fond. Oskar Kokoschka / VG Bildkunst, Bonn 2025
von Johannes Stoll, Fond. Oskar Kokoschka / VG Bildkunst, Bonn 2025
„}“>
Von Ungefähr kommt das nicht. Tiermenagerien gab es zwar schon vor mehr als 5000 Jahren, erst im alten Ägypten und bald auch in China, die europäischen Fürsten hatten ihre Zwinger und exotischen Parkanlagen. Doch erst im 19. Jahrhundert und im Zuge des Kolonialismus’ wurden zoologische Gärten im großen Stil angelegt. Zunächst zur naturkundlichen Volksbildung wie 1828 in London oder 1844 in Berlin. Zu regelrechten Volksparks avancierten dann ab 1907 die Zoos von Carl Hagenbeck in Hamburg, wo die natürlichen Lebensräume der Tiere nachempfunden wurden, oder von 1911 an Hellabrunn im Landschaftsschutzgebiet der Münchner Isarauen.
Für die Großstädter bieten Tiergärten Erholung und Abwechslung
Die Besucher strömten damals zu Tausenden. Aber wo sollte man sich in den großen Städten sonst erholen, fern der lauten Straßen spazieren gehen und trotzdem etwas Interessantes sehen und erleben? Zumal man die Tiere im 19. Jahrhundert noch streicheln, füttern, bisweilen sogar reiten durfte. Seit Charles Darwins erschütternder Evolutionstheorie wollte man die Primaten-Verwandtschaft dann auch genauer inspizieren. Von einer Reise um die Welt für ein paar Groschen ganz zu schweigen.
Dass Elefanten, Giraffen und ihre Kollegen dafür häufig ins Gras bissen – sofern sie auf dem weiten Weg bis nach Europa überhaupt durchgehalten hatten -, steht auf einem anderen Blatt. Genauso das traurige vor sich Hindämmern hinter Gittern, das Adolph Menzel in eine Folge anrührender Gouachen übertragen hat („Drei Bären im Käfig“ 1863/83).
Die Tatze der Löwin baumelt lässig aus dem Käfig
Neben der Bewegung, den Körperformen oder den Farben ist es auch die Gefühlswelt der Tiere, die die Künstler beschäftigt. Von Max Slevogt gibt es einige Darstellungen des bekannten Orang-Utans „Seemann“ aus dem Frankfurter Zoo. Slevogt malt ihn in menschelnden Posen, u. a. mit seinem Wärter im geradezu freundschaftlichen Nebeneinander. Und auch der Fotopionier Ottomar Anschütz fängt Tiere in Haltungen ein, die sofort an Menschen denken lassen wie zwei Affen im scheinbar innigen „Gespräch“. Solches gipfelt schließlich in Gabriel von Max’ „Salome“, einem Kapuzineräffchen, das sich theatralisch zu einem übriggebliebenen Fischkopf hinabbeugt.

© Städel Museum, Frankfurt am Main
von Städel Museum, Frankfurt am Main
„}“>
Die Bühne ist gerne im Spiel. Die alten Tierbuden, die Paul Meyerheim auf seinen Gemälden ausbreitet, führen einen Mix aus Voyeurismus und Nervenkitzel vor Augen, vom Krokodil, dem das Maul aufgerissen wird, bis zur Löwin, die ihre Tatze aus dem Käfig baumeln lässt. Irgendetwas kann immer passieren. Und wenn’s ganz dumm geht, fließt Blut. Jede Zeit braucht ihre Krimis, selbst das begreift man in dieser fabelhaften Ausstellung.
„Die Moderne im Zoo“, Eröffnung Sonntag, 29. Juni, 11 Uhr, bis 9. November 2025, Franz Marc Museum, Kochel am See, Di bis So 10 bis 18 (im August auch montags geöffnet). Ein lesenswerter Katalog ist im Hirmer Verlag erschienen (208 Seiten, 235 Abbildungen, 39,90, Museumspreis 29,90 Euro)